Umschlagtext:
Mythos
Nanga Parbat - der Schicksalsberg und sein langer Schatten
"Das
Schlüsselerlebnis meines Lebens liegt lang zurück. Alles geschah
weit weg: Im Himalaja, am Nanga Parbat. Die Überschreitung des Berges
1970, von Süden nach Nordwesten, war mehr für mich als ein Übergang
im geographischen Sinn. Es war eine Grenzüberschreitung vom Diesseits
zum Jenseits, vom Leben zum Tod, vom Tod zum Leben."
Die
Rupalwand! Man muß sich das vorstellen: Die Monte-Rosa-Ostwand
mit einer Eiger-Nordwand darüber und das Matterhorn draufgesetzt.
Nein, die Rupalwand ist nicht vorstellbar, nicht für all jene,
die sie nie gesehen haben! Von Anfang an hat diese Riesenflanke alle
beeindruckt, die an ihr vorbeigekommen sind. Von Anfang an. Jetzt sind
wir dran und verzehren uns in einer Mischung aus Hoffnung und Angst.
Diese Wand ist die größte bergsteigerische Herausforderung
meines Lebens! [Reinhold Messner, Der nackte Berg, S.104]
Kommentar:
Ein
seltsames Nirwana ...
Dass Reinhold Messner spannend erzählen kann, wissen wir. Dass er
aber auch auf seine mitunter breiten philosophischen Tauchgänge verzichten
kann, ist neu. In vorliegendem Buch zählt nur das Ereignis an
sich, kein Daneben, Darunter, Innen oder Außen. Messner schildert
so unmittelbar, als wäre er noch vor Ort, der Leser wird zu seinem
Begleiter zwischen die Seracs der Rupalwand, über den eiskalten Gipfel
und die längste Steilflanke der Welt, die Diamirflanke, hinab. Verstärkt
wird die Authentizität durch Tagebucheintragungen seines Bruders
und die exakte Wiedergabe diverser Dialoge. Die Unmittelbarkeit, mit der
Messner den Leser am Geschehen teilnehmen lässt, fesselt, weckt Betroffenheit.
Neu
sind auch die zwei Erzählebenen: Die eine schildert
die "nackte" Wirklichkeit, das Geschehen per se, die andere
kommentiert die Tragödie, versucht mit manchmal gewagter Tiefenschärfe
das Geheimnis der Katastrophe zu ergründen.
Damit
sei auch das Hauptthema des Buches genannt: die Rekonstruktion
einer Tragödie, die Günther Messner, Reinholds Bruder, das
Leben kostet. Aber es ist mehr als nur eine Rückblende - es ist der
Versuch, ein Trauma zu bewältigen. Messner gräbt das scheinbar
Vergessene und Bewältigte von neuem aus - und damit auch seine Verletzungen,
Wunden, seine, anderer Menschen Schuld. Dass er dabei wild um sich schlägt,
kennt man an ihm, das Kontroversielle gehört zu seiner Natur - er
löst Kontroversen aus, nimmt sie aber auch an.
Gerade
aus diesen Kontroversen bezieht das Buch seine eigentliche Spannung
- aus dem Grenzgang zwischen den Extremen Mensch-Berg, Messner-Herrligkoffer,
Egozentrik-Empathie, individuelles-kollektives Denken, Ehrgeiz-Eifersucht,
Selbst- -Mitverantwortung, Selbstzerstörung-Überlebenswillen,
Leben-Tod und, und, und. Ein atemberaubendes Spiel der
Extreme - die Brüder Messner balancierend nicht nur am Grat zwischen
den schwierigsten Wänden der Welt, sondern auch am Grat zwischen
Sein und Nichtsein - die Konsequenz dieses (selbst-)mörderischen
Spiels: Günther verliert es und fällt, Reinhold überlebt
gerade noch ... Diese Polarität und die aus ihr entstehende
Spannung geben dem Buch eine ungeheure Zugkraft, der man sich nur
schwer zu entziehen vermag. Ein Abend genügt, um das Buch zu lesen.
"Ein seltsames Nirwana" nennt Messner die Welt der Achttausender.
Wer selbst Höhenbergsteiger ist, weiß, was er damit meint ...
Zum
Autor:
Reinhold
Messner, Bergbauer und EU-Parlamentarier, Grenzgänger und Autor,
ist der berühmteste Bergsteiger unserer Zeit. 1944 in Südtirol
geboren, hat er 1970 seinen ersten Achttausender bestiegen, den Nanga
Parbat. Es gelang ihm immer wieder, in den größten Sand- und
Eiswüsten und an den höchsten Bergen der Welt neue Maßstäbe
zu setzen.
|