Verlagsinformation:
"Der
fliegende Berg" ist die Geschichte zweier Brüder, die von der
Südwestküste Irlands in den Transhimalaya, nach dem Land Kham
und in die Gebirge Osttibets aufbrechen, um dort, wider besseres (durch
Satelliten und Computernavigation gestütztes) Wissen, einen noch
unbestiegenen namenlosen Berg zu suchen, vielleicht den letzten Weißen
Fleck der Weltkarte. Auf ihrer Suche begegnen die Brüder nicht nur
der archaischen, mit chinesischen Besatzern und den Zwängen der Gegenwart
im Krieg liegenden Welt der Nomaden, sondern auf sehr unterschiedliche
Weise auch dem Tod. Nur einer der beiden kehrt aus den Bergen ans Meer
und in ein Leben zurück, in dem er das Rätsel der Liebe als
sein und seines verlorenen Bruders tatsächliches, lange verborgenes,
niemals ganz zu vermessendes und niemals zu eroberndes Ziel zu begreifen
beginnt. Verwandelt von der Erfahrung, ja der Entdeckung der Wirklichkeit,
macht sich der Überlebende am Ende ein zweites Mal auf den Weg.
Kommentar:
Ein
Flugerlebnis der besonderen Art
Bergsteigerliteratur
vom Feinsten - so könnte man in wenigen Worten Ransmayrs neuesten
Wurf bewerten.
Ransmayr
erzählt die Geschichte zweier Brüder, die von der Südwestküste
Irlands in die archaische Bergwelt Osttibets aufbrechen. Sie träumen
davon, einen bislang unentdeckten Berg zu ersteigen, den geheimnisvollen
"Kham Phur-Ri", zu Deutsch: den "fliegenden Berg".
Die beiden Iren finden den sagenumwobenen Siebentausender tatsächlich,
allerdings kehrt nur einer der Brüder, der Ich-Erzähler, lebend
von der gefahrvollen Tour zurück.
Ransmayr
schildert die Beziehung zweier gänzlich unterschiedlicher Brüder.
Der eine, Liam, wird von der Sehnsucht nach dem Unbekannten getrieben,
nach der Sucht nach dem Gipfel, der Herausforderung. Pad hingegen lässt
sich von der Lebensweise der Kampa, des Nomadenvolkes, anrühren,
nähert sich ihrer Kultur an und verliebt sich letztlich sogar in
Nyema, eine tibetische Witwe. Ein weiterer, reizvoller und von Ransmayr
genial verarbeiteter Kontrast besteht zwischen der Welt des irischen Brüderpaares
und der Welt der tibetischen Nomaden, die in den Sommermonaten mit ihren
Yak-Herden die Hochebenen Khams hinauf zu den Ausläufern des "fliegendes
Berges" wandern.
Nach zwei Jahren Vorbereitungszeit mit Training an den Klippen von Horse
Island, in der Padraic wieder in den Schatten Liams tritt, machen sich
die beiden auf nach Tibet, wo der Jüngere dann doch seinen eigenen
Weg und in der Nomadin Nyema die Liebe seines Lebens findet.
"Der
fliegende Berg" ist nicht nur formal - der Roman ist in der metrischen
Form des sog. 'Flattersatzes' verfasst -, sondern auch inhaltlich der
persönlichste Roman Ransmayrs. Die Idee zu seinem Roman sei ihm Mitte
der 1990er Jahre gekommen, erzählt er. Damals habe er mit seinem
Freund Reinhold Messner ausgedehnte Touren durch den Osten Tibets unternommen.
Hat sich Ransmayr von den dramatischen Ereignissen des Sommers 1970 inspirieren
lassen, als Reinhold Messners Bruder Günther bei einer gemeinsamen
Nanga-Parbat-Expedition ums Leben kam?
Dass Messners persönliches Brüderdrama das Buch beeinflusst
hat, bestätigt der Autor weder, noch bestreitet er es: "Die
Geschichte der Messner-Brüder hat mich ja nicht nur deshalb interessiert,
weil ich mit Reinhold Messner seit vielen Jahren befreundet bin",
so Ransmayr, "sondern weil mich Brüdergeschichten ganz generell
schon seit den Tagen beschäftigen, an denen ich zum ersten Mal von
unserem Dorfpfarrer in Roitham bei Gmunden von der Geschichte der Brüder
Kain und Abel gehört habe. Die hat ja irgendwann auch zur Frage geführt:
Können Brüder einander töten? Aber auch zur Frage: Bin
ich der Hüter meines Bruders? Eine empörend freche, kühne
Antwort Kains auf die Frage Jahwes. Die Ungeheuerlichkeit dieser Gegenfrage
hat mich immer wieder beschäftigt. Das, inwieweit wir verantwortlich
sind für Leute, die wir unsere Brüder nennen oder die tatsächlich
unsere Brüder sind, das ist etwas, was mich am Archetypus dieser
Geschichte interessiert hat."
Der Roman
ist auch ein zutiefst alpines Buch, mit dem sich Bergsteiger, Kletterer
und Trekking-Fans auf Anhieb anfreunden werden. Die Welt, die Ransmayr
schildert, ist eine Welt aus Schnee und Eis, Angst und Erfüllung,
Gipfelsehnsucht und Draufgängertum. Ransmayr muss es ja wissen, ist
er nach eigenem Bekunden doch selbst ein Bergfex, ein leidenschaftlicher
Alpinwanderer. Die Welt der Berge, Grate, Gipfelkreuze hat den Lehrersohn
aus Roitham bei Gmunden schon als Kind fasziniert. "Die Berge
waren ja schon in meinem Kinderzimmer immer eine Art Mauer, die die Aussicht
begrenzt haben, aber auch ein Sehnsuchtspunkt, denn die Berge waren immer
etwas, wohin nicht nur die sonntäglichen Ausflüge geführt
haben, sondern auch meine Phantasie-Ausflüge, wenn man so will. Mich
fasziniert bis heute etwas ganz Bestimmtes an den Bergen: Besteigt man
einen Berg, unternimmt man in gewisser Weise auch eine Zeitreise. Je höher
man kommt, umso weiter geht man zurück in der Menschheitsgeschichte.
Man steigt aus den zivilisierten Tälern hinauf und kommt in Regionen,
die sich dem Wanderer heute nicht viel anders präsentieren als dem
neolithischen Jäger vor vielen Hunderttausenden Jahren."
Die
"Zeit" etwa spricht von einer "Ausnahmeerscheinung in der
deutschsprachigen Gegenwartsliteratur". Selten habe man "die
tödliche Schönheit über den Windfahnen fliegender Berge
so suggestiv wie im epischen Flattersatz dieses Romans gesehen. Für
eine extreme Welt findet Ransmayr eine so noch nicht gehörte Sprache,
seinen Sprachgesang." Mit Ransmayrs Roman "Der fliegende Berg"
abzuheben, ist ein Flugerlebnis der besonderen Art.
Zum
Autor:
Der
in Irland lebende österreichische Schriftsteller Christoph Ransmayr
hat sich mit den Romanen "Die Schrecken des Eises und der Finsternis",
"Die letzte Welt" und "Morbus Kitahara" einen Ruf
weit über den den deutschsprachigen Raum hinaus erworben. Seine Bücher
wurden bisher in über 30 Sprachen übersetzt.
Christoph Ransmayr wurde am 20. März 1954 in Wels (Oberösterreich)
geboren und verbrachte seine Kindheit in Roitham bei Gmunden. Nach seiner
Matura am Stiftsgymnasium Lambach studierte er von 1972 bis 1978 Philosophie
und Ethnologie an der Universität Wien.
Danach begann er seine journalistische Tätigkeit als Kulturredakteur
der Monatszeitschrift "Extrablatt" (1978 bis 1982) und arbeitete
als freier Mitarbeiter verschiedener Zeitschriften. In "Transatlantik",
"Merian", "Geo" u. a. Magazinen erschienen Reportagen
und Essays.
Seit 1982 ist Ransmayr freiberuflicher Schriftsteller. Im gleichen Jahr
veröffentlichte er "Strahlender Untergang", 1984 "Die
Schrecken des Eises und der Finsternis".
Der Roman über die österreichisch-ungarische Nordpolexpedition
unter Weyprecht und Payer blieb jedoch zunächst ein Geheimtipp, ehe
Ransmayr 1988 mit dem Ovid-Roman "Die letzte Welt" der Durchbruch
gelang.
Es folgten unter anderem der Endzeit-Roman "Morbus Kitahara"
(1995) und "Der Weg nach Surabaya. Reportagen und kleine Prosa"
(1997). Ransmayrs Bücher sind nicht nur Reisen durch die Kulturen,
sondern auch durch die Zeiten. Große Weltentwürfe treffen dabei
auf poetisch genaue Beobachtungen und literarische Selbstreflexionen.
|