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Kammerlander: Am seidenen Faden

Hans Kammerlander

Am seidenen Faden

K2 und andere Grenzerfahrungen

2004, Malik, ISBN 3-89029-276-3, 354 Seiten

Klappentext:

Er hat dreizehn Achttausender und zahllose Gipfel bestiegen, ist extreme Routen geklettert und hat waghalsige Skiabfahrten vom Nanga Parbat und Mount Everest riskiert. Gerade ist er am Nuptse East gescheitert und plant schon den nächsten Versuch. Oft muss er an seine Grenzen gehen, oft ist das Überleben reines Glück. Von solchen Grenzsituationen erzählt er in seinem neuen Buch. Zentrales Thema sind die fünf Anläufe zum "Berg der Berge", dem K2 im Karakorum, den Kammerlander endlich am 22. Juli 2001 bezwang. Während er den langen Weg zum K2 schildert, kommen viele andere Erlebnisse wieder ins Blickfeld, Situationen, in denen er durch eigene Fehler, durch zu hohe Risikobereitschaft, durch Materialprobleme, durch das Wetter oder durch Zufälle in eine schier ausweglose Lage geraten ist. Wie er damit umgegangen ist, sie schließlich bewältigt hat, was er daraus gelernt hat - davon erzählt Hans Kammerlander sehr direkt und sehr offen.


Kommentar:

Kammerlanders bester Wurf

Der "Berg der Berge", der K2, gilt als Synonym für extremste physische und psychische Herausforderung, das beweist die Tatsache, dass es in den vergangenen Jahrzehnten nur rund 200 Personen ganz hinauf geschafft haben.
Der nicht zuletzt durch die Skiabfahrt vom Mount Everest bekannt gewordene Extrembergsteiger Hans Kammerlander wurde der K2 zum Schicksalsberg, der ihn trotz mehrerer Rückschläge über Jahrzehnte hinweg nie losließ und mit dem sich immer wieder herbe Rückschläge verbanden. Kapitelüberschriften wie "Schwarze Zehen und ein Schnitt mit der Motorsäge", "Dreizehn Tote in einem Sommer" und "Ein Franzose und eine Monsterlawine" deuten derartige Schwierigkeiten bereits an.

Wer dann in die von vielen Bildern illustrierten Erinnerungen einsteigt, findet sich nicht gleich am K2. Roter Faden ist zwar Kammerlanders mehrjähriges Anrennen gegen den Berg der Berge, diese Rahmenhandlung wird aber angereichert mit Erzählungen von Glück und Pech, vom schmalen Grat zwischen Erfolg und Tragödie. Chronistische Rückblenden wie auf die Erstbesteigung vor 50 Jahren sind auf sehr angenehme und fließende Weise mit persönlichen Erfahrungsberichten verwoben. So finden sich Erinnerungen an die spannende 24-Stunden-Kletterei im Tauferer Ahrntal, an Filmaufnahmen mit Donald Sutherland in Patagonien, an diverse "Probeanläufe" im Himalaya genauso wie munter kauzige Seitenblicke wie z. B. auf jenen pakistanischen Koch, der, allein im Basislager zurückgelassen, einen in eine Gletscherspalte gefallenen Japaner mit warmen Speisen versorgt. Nach und nach münden all seine Gedankenausflüge in seinen letzten K2-Versuch und die endlich geglückte Besteigung am 22. Juli 2001.

Kammerlander und der sprachlich brillante Journalist Walther Lücker geben in stilistisch ausgefeilter, charmanter, packender Schreibweise Einblick nicht nur in die Faszination des Höhenbergsteigens, sondern auch in das Drumherum. Ständiges Anlaufen und Scheitern, Erfolg und Misserfolg, Faupax und Glücksmomente, Tragödien und kleine Possen - das Autoren-Duo beherrscht die Klaviaturen der Expeditions-Reportage perfekt. Auf jeder Seite des Buches fühlt sich der Leser gepackt und direkt ins Basecamp, in die Höhenlager und Steilwände des K2 selbst geführt.
Kammerlander schafft, was viele seiner schreibenden Artgenossen nicht schaffen: Er holt den Leser mitten hinein ins Geschehen, lässt ihn live und unmittelbar all das erleben, was ihm sonst verwehrt bliebe: Höhenstürme am Abruzzengrat, Lawinenkatastrophen in den K2-Eiswänden, Verzweiflung in der Todeszone und schließlich die Befriedigung, den schwersten Berg der Welt bewältigt zu haben.

Kammerlander ist ein Glücksfall: Er hat größte Leistungen vollbracht und ist doch bescheiden geblieben. So klingt bei seinen Reminiszenzen nirgendwo lästiges Heldenpathos mit, es geht ihm auch nie um eine Leistungsschau, sondern um eine ehrliche und erdige Schilderung seiner Erlebnisse. Ergreifend z.B. seine Verzweiflung und Wut, als er wieder einmal nur 120 Meter vor seinem erhofften Ziel umdrehen muss, weil für ein Gipfel-Finish das Risiko zu hoch ist.
Bezeichnend, dass er auch die Wegbegleiter nicht als Statisten, als Steigbügelhalter zeichnet, nein, sogar dem namenlosen Sherpa verleiht Kammerlander mindestens eben soviel Kontur wie sich selbst. Und genau das macht dieses Buch so überaus wertvoll. Meiner Ansicht nach Kammerlanders bester Wurf und jeden Cent wert.


Zu den Autoren:

Hans Kammerlander, geboren 1956 in Ahornach/Südtirol, ist Bergführer, Skilehrer, Extrembergsteiger und einer der erfolgreichsten aktiven Höhenbergsteiger der Welt. Von seinen Expeditionen berichtet er häufig vor großem Publikum. Bei Piper und Malik liegen vor: "Bergsüchtig", "Abstieg zum Erfolg", "Unten und oben".

Walther Lücker, geboren 1957 in Frankfurt, ist Journalist und Bergsteiger, arbeitete viele Jahre für die "Frankfurter Rundschau", schreibt und fotografiert u.a. für ALPIN, lebt als freier Journalist in Sand in Taufers/Südtirol. Er begleitete Hans Kammerlander zuletzt bei Expeditionen zum Kangchendzönga und K2.