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"... eine Booomben-Tour"

Lasörling Höhenweg

Hohe Tauern, Osttirol, Juli 1999

Bergerseehütte

Vorbemerkung

Schuld an dieser springfidelen Tour war eigentlich die Oma eines meiner kleinen Freunde, die eines Tages zu mir kam und mich bat, ihre Enkeln doch einmal auf eine Bergwoche mitzunehmen, sie säßen sonst die ganzen Ferien über vor dem Computer. In der Gewissheit, es würde sich von den Kindern sowieso niemand dafür interessieren, einen schweren Rucksack eine Woche lang über Stock und Stein, von Hütte zu Hütte und Gipfel zu Gipfel zu tragen, in Hütten zu übernachten, wo es weder Fernseher noch Computer und Duschen gäbe, schrieb ich die Tour aus. Man soll nie voreilig über die heutige Jugend urteilen: acht Jugendliche im Alter von 13-16 Jahren meldeten sich, ich musste den Notstand ausrufen, Biggi um Begleithilfe bitten, Lagerplätze reservieren, die Bahnkarten besorgen - und schon ging es los in ein Abenteuer, über dessen Ausgang wir uns alle nicht ganz im Klaren waren.


1.Tag: Matrei - Zunigalm (1846m)

Wie heißt es so schön: Der erste Eindruck entscheidet über den Gesamteindruck eines Ereignisses. Mit der Zunigalm-Hütte und deren Hüttenwirtin landeten wir, was diesen zündenden ersten Eindruck betrifft, einen Volltreffer, handelt es sich bei dieser Hütte wohl um eine der gastfreundlichsten der Alpen.

Aber der Reihe nach. Zunächst müssen wir von Matrei aus durch den Bründlwald empor, bis uns zwischen alten, hohen Lärchen die Hütte der Zunigalm anlacht. 2 1/2 Stunden haben wir die schweren Rucksäcke getragen, es nieselt und nebelt, aber als wir bei der Hütte ankommen, zwängt sich die Sonne durch die Wolken - ein zweifach warmer Empfang. Frau Rainer, die Wirtin, empfängt uns mit einer nie gekannten Warmherzigkeit, umsorgt und bekocht uns wie ihre eigenen Kinder, einmal entschuldigt sie sich dafür, dass die Suppe ausgegangen sei und sie jedem nur einen halbvollen Teller geben könne - und serviert uns gewaltige Schüsseln, über deren Rand die Kräuter einer herrlichen Gemüsesuppe hängen und in denen der Löffel stecken bleibt. Wir fühlen uns pudelwohl bei Frau Rainer, beten um schlechtes Wetter, damit wir nicht weiter müssten - das Gebet wird erhört!

 

 

die Hüttenwirtin

 

2.Tag: Zunigalm - Kleiner Zunig  (2443m)

Da das vernebelte Wetter den Übergang zur nächsten Hütte verbietet, begnügen wir uns mit einem Spaziergang durch eine ausgedehnte Heide mit Alpenrosen und Lärchen zum Zunigsee (45 Minuten), in dem sich bei klarem Wetter der Großglockner spiegeln soll, auf den Kleinen Zunig (40 Minuten; der Große Zunig bleibt uns wegen zu dichten Nebels verwehrt), hinab zum Dolomitenblick, von wo man die Dolomiten sehen soll, und retour zur Hütte auf die Zunigalm, wo wir einen gemütlichen Hüttentag voller Jux und Tollerei verbringen.

3.Tag: Zunigalm - Zupalpseehütte

 

 

 

Zupalpseehütte

 

 

 

 

Nun heißt es leider doch Abschied nehmen von der lieben Frau Rainer. Solltest du einmal bei ihr vorbeikommen, grüße sie von uns!

Wir schultern die Rucksäcke und brechen auf in Richtung Arnitzalm. Unterwegs schließt sich uns eine Kuh an - eine Wanderkuh? - , die zu überholen uns wegen der Enge des Weges unmöglich ist, also lassen wir uns eine Zeit lang von ihr führen, kennt sie doch bestens den Weg und zeigt uns, was Trittsicherheit bedeutet, folgen dann dem Arnitzbach zu den einsamen Hütten der Arnitzalm und kehren in eine urige Jausenstation ein.

Von dem hinter einem Moränenriegel liegenden Arnitzsee wird berichtet, dass sich auf dessen Grund einst eine blühende Alm befunden hätte. Das frevelhafte Verhalten der Senner hätte jedoch ein furchtbares Unwetter heraufbeschworen, das die Alm verwüstet und alles Leben im Bergtrog ertränkt hätte. Heute noch soll manchmal das Seebeben zu hören sein, das sog. "Seebidn", wie die Einheimischen sagen.

So weit so gut, wir setzen unseren Weg fort über die Stefferalm, die Hellerhöhe, über das Legerle (2527m) bis zur Zupalpseehütte (2350m; 4 St., 900 Hm), wo uns zum Lohn für diesen langen, anstrengenden Tag die Sonne empfängt. Kathi und Franzi lassen es sich nicht nehmen, diese Tatsache mit einem Bad im kalten Hüttensee zu feiern.

4.Tag: Zupalpseehütte - Lasörling Hütte

 

 

 

 

 

Lasörlinghütte

"Gipfel-Hüpfen" ist angesagt! Wir verlassen die nette, aber teure Zupalpseehütte und treten zu einer der schönsten Tagesetappen an. Zuerst geht es auf den Zupalpkogel (2720m, 1 St.), von dort den aussichtsreichen Gratweg entlang zum Sackelpicker (2705m) - pardon - diesen Namen wirst du auf keiner Karte und in keinem Wörterbuch finden, weil er von uns stammt und diesen namenlosen Gipfel so benannt haben (Definition "Sackelpicker": Mischung aus Kose- und Schimpfwort, beinhaltet Lob, Tadel, Liebesbezeugung, je nach Situation) - , weiter auf den Donnerstein (2725m) und den Speikboden (2653m) - "Gipfel-Hüpfen" in Vollendung. Nun rasten wir, bestaunen ehrfürchtig unser morgiges Ziel: den Lasörling. Wie hoch und steil er alle anderen Gipfel überragt! Und diesen Berg sollen wir schaffen? Na ja ...

Nach 2 1/2 St. Netto- und 6 1/2 St. Brutto-Gehzeit (jeder Gipfel verlangt eben nach einer ausgiebigen Rast) erreichen wir die in einem Meer von blühenden Alpenrosen schwimmende Lasörling Hütte. Die verbleibende Zeit dieses traumhaften Tages nützen wir für Abseil- und Kletterübungen an einem nahegelegenen Felsen - eine gaudige Übung für den Ernstfall - in Wahrheit hat sich nie jemand "abgeseilt", d.h. vor schwierigen Aufgaben gedrückt.

5.Tag: Lasörling (3098m) - Bergerseehütte

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Höhepunkt in wörtlichem Sinne. Für viele von uns der erste 3000er! Ein Tag auch, der mir bewusst macht, welche Zähigkeit in unseren Kindern steckt! 8 Stunden werden wir unterwegs sein, fast 1200 Höhenmeter überwinden - und kein einziger Raunzer, selbst unser Jüngster, Andi, dessen Rucksack größer scheint als er selbst, kämpft sich mit unglaublicher Verbissenheit auf diesen Schuttberg.

Aber der Reihe nach: Da uns der Wirt von der Überschreitung des Lasörlings abrät (zu viele steile Firnfelder), beschließen wir, den höchsten Gipfel der Lasörling-Gruppe mit Tagesgepäck anzugehen. Ein Steig durchläuft nordwestlich das uralte Bergbaugelände im Glauret. Langsam wandern wir auf nur schwach geneigten Rasenböden und entlang flacher Rücken in den obersten Glauretwinkel, wo wir uns rechts der großen Südhalde des Lasörlings zuwenden. In Kehren bewältigen wir das Moränengeschiebe, ehe wir bei mittlerer Steilheit in der mit Blöcken übersäten Halde höher kommen. In der Lasörlingscharte, ca. 2950m, rasten wir ausgiebig, um fit zu sein für die letzten 120 Höhenmeter und ein paar Blöcke, die erklettert werden müssen. Dann sind wir oben, auf 3098m, dürfen uns von jetzt an "Hochalpinisten" nennen, gratulieren einander stolz, müssen aber auch die sich verdichtenden Wolken beachten. Schnell wieder den Schutthang hinab und zur Lasörling-Hütte zurück. Geschafft. Geschafft? Nein, als sich nach einem kurzen Wolkenbruch der Himmel aufklart und ein ausgiebiges Mittagessen die Kräfte zurückkehren lässt, regt sich der Wunsch, weiterzugehen zur Bergerseehütte, da dort ja ein schöner See wartet. Wir stimmen ab: Weitermarsch. Wieder fast 500 Meter hoch, ins sog. Berger Törl, dort bringen Maggi und Franzi sogar noch die Energie auf, die "Säule" zu besteigen, über einige Schneefelder hinabgerutscht und müde, aber stolz erhobenen Hauptes nach 3 3/4 Stunden bei der Bergersee Hütte angelangt.

Wir alle haben heute nicht nur eine Grenze, sondern mehrere überschritten, und wir fühlen eine tiefe Zufriedenheit, ja ein sprühendes Glücksgefühl, nach dem man süchtig wird.

6.Tag: Rasttag !?

 

 

 

 

Gösleswand

Rasttag! Rasttag? Um 4 Uhr früh stehen sie vor meinem Bett - Max, Franzi, Berni, Stefan und Maggi - und wollen sich am Gipfel des Berger Kogels den Sonnenaufgang anschauen. Klar nach meinem Motto "Gib nur die Richtung vor, aber lass die Kinder das Programm bestimmen" raffe ich mich schlaftrunken auf und schleiche den Kindern nach ins Morgengrauen - "Woher nehmen die bloß die Energien?", geht es mir durch den Kopf - am Berger Kogel, 2565m, sehen wir - nichts. Statt der Sonne gehen bloß Wolken auf. Also zurück ins Bett, eingenickt, nach einer halben Stunde klatscht mir ein Patzen Schnee ins Gesicht - der Einsatz einer verlorenen Wette. Rasttag! Dass ich nicht lache.

Trotzdem, den Tag über haben wir Erwachsenen unsere Ruhe, die Buben plantschen im See, die Mädchen kuscheln sich ins Bett, man lässt die Seele baumeln, ich freue mich auf einen ruhigen Abend - von wegen! - "Wollen uns den Sonnenuntergang am Muhskogel anschauen", klar nach meinem Motto ... zum Teufel damit, also wieder die Schuhe an, den Rucksack um, die Stirnlampe auf und 500 Hm hoch, auf den Muhskogel, dort aber tatsächlich die Sonne untergehen gesehen, ein tolles Erlebnis.

So also sieht ein Ruhetag der computer- und fernsehverwöhnten Fun-Generation aus: 3 Stunden Gehzeit, 900 Höhenmeter.

7.Tag: Gösleswand - Neue Reichenberger Hütte

 

Am nächsten Tag den gemütlichen Muhs Panoramaweg bis zur Michltal Scharte, von dort ein Schneefeld hinab und wieder hoch zur Roten Lenke und in wenigen Minuten auf den Gipfel der Gösleswand (2912m; famoser Rundblick bis zu den Dolomiten). Dann hinab zur Neuen Reichenberger Hütte und deren See, an dessen Ufer wir Steine plattelnd und Stege bauend den Rest des Tages verbringen. 4 1/4 Stunden; 1170 Hm

8.Tag: Neue Reichenberger Hütte - Pebell Alm - Umbalfälle - Ströden

 

 

 

 

 

Der krönende Abschluss einer unvergesslichen Bergwoche. Nachdem Kathi und Maggi noch den Sonnenaufgang auf dem nahen Hauskogel genossen haben, nehmen wir Abschied von der hochalpinen Zone der Lasörling Gruppe und steigen durch das Großbachtal in das Virgental ab und besuchen noch schnell den berühmten Wasserlehrpfad der Umbalfälle, bevor es schweren Herzens nach Hause geht.

Wie meinte doch Sir Berni: "Das war eine Booomben-Tour".

Ja, wir haben viel gelernt: gehen, schauen, genießen und auf das Wesentliche achten.

Hütten:

Zunigalm-Hütte: private Einkehrstation, Familie Rainer; geöffnet von 10.Juni bis Mitte Oktober, 8 Schlafplätze, Tel.: 04875/6240; 0663/059063. Großartiger Ausblick auf Großglockner- und Venedigergruppe sowie auf Virgen- und Tauerntal. Für den bekannten Heimatmaler Eichhorst die schönste Kulisse.

Zupalpseehütte: privat, Familie Tschoner; geöffnet ab Mitte Juni bis Mitte Oktober; Übernachtungsmöglichkeit für 35 Personen, Tel.: 04874/5227 (Hüttentaxi!)

Lasörling Hütte: privat, Familie Wurnitsch; Betten für 65 Personen, Tel.: 04874/5285

Bergerseehütte: privat, Hansjörg Unterwurzacher; Schlafplätze für 25 Personen; Tel.: 04877/5115

Neue Reichenberger Hütte: ÖAV, Pächter Johann Feldner; Schlafplätze für 60 Personen; Tel.: 04877/5119


Tipps/Schwierigkeiten
  • Ich wage nach dieser Tour zu behaupten, dass sie sehr wohl von Kindern ab 13 zu bewältigen ist, vorausgesetzt natürlich, man orientiert sich an deren Tempo, Verfassung, Wünschen und Bedürfnissen. Der Grundsatz muss lauten: Kinder gehen nicht mit den Erwachsenen, sondern die Erwachsenen mit den Kindern. Die Kinder bestimmen das Programm, wenn ein Kind nicht weitergehen will und kann, wird eben nicht weitergegangen. Von Zwang muss gänzlich abgesehen werden. Ich habe es mir angewöhnt, sehr auf den Zustand und die Kräftereserven der Jugendlichen zu achten und meine eigenen Ziele vollkommen zurückzunehmen. Im Vordergrund steht das beschwerdefreie Erlebnis der Kinder, ihre Zufriedenheit und nicht meine eigenen Gipfel-Ambitionen.
  • Vor allem das Tempo haben die Kinder vorgegeben. Bei schwierigen Passagen, bei Nebel oder auf Firnfeldern gingen wir geschlossen, auf Almwegen oder anderen gefahrlosen Steigen ließ ich jedem das Tempo gehen, das er wollte, unter der Voraussetzung, dass der erste mit dem letzten Sichtkontakt hat. Dem ersten und schnellsten oblag also die Pflicht, immer wieder zurückzuschauen und zu warten, sollte der letzte der Gruppe nicht mehr zu sehen sein. Diese Methode hat sich sehr bewährt, von Gänsemarsch-Taktik halte ich nichts, da jedem ein eigener Geh-Rhythmus eigen ist.
  • Viele Seen, Almen, Natur-Sehenswürdigkeiten und herrlich gelegene Rastplätze machen aus jeder Tagesetappe ein Abenteuer.
  • Der Rucksack der Jüngsten sollte nicht zu schwer sein, es gilt die Regel, dass 13 - 16-Jährigen ein Rucksackgewicht von max. 7 kg zuzumuten ist.
  • Ich habe die Marschzeiten sehr großzügig bemessen, um über genug Spiel-Raum für Rasten, Umwege oder gar einen Rückzug zu verfügen.
  • Die vorwiegend privaten Hütten bestechen durch hervorragendes Service und Engagement. Die Preise allerdings scheinen mir - gerade für Kinder - zu hoch angesetzt!
  • Außer einigen längeren Tagesetappen sind wir auf keinerlei Schwierigkeiten gestoßen. Einige Altschneefelder bedurften besonderer Aufmerksamkeit, die paar Meter Kraxelei auf den Lasörling bereiteten Spaß.

  • Wer eine ruhige, eindrucksvolle und nicht überlaufene Tour sucht, dem sei dieser Höhenweg wärmstens empfohlen!


Geschichte

Der Nationalpark Hohe Tauern, heißt es, zählt zu den letzten zusammenhängenden Urlandschaften der Alpen. Tatsächlich kann hier die Natur noch in der ursprünglichen Wildheit erlebt und bestaunt werden - auf traumhaften, aussichtsreichen Wegen, wie oben beschrieben. Am 21.Oktober 1971 wurde von den "Landesfürsten" Salzburgs, Kärntens und Tirols auf dem Dorfplatz von Heiligenblut, am Fuße des Großglockners die Vereinbarung zur Schaffung eines Nationalparks Hohe Tauern unterzeichnet. Am 1.Jänner 1992 wurde endlich auch der Tiroler Anteil dieses Parks gesetzlich verankert. Heute erstrecken sich die Hohen Tauern über 1786 Quadratkilometer. Die Kernzone besteht aus einer wilden Hochgebirgslandschaft, geprägt von Wasser, Fels und Eis. Hier dominiert die Natur, der Mensch ist lediglich als Gast geduldet.

Zu den spektakulärsten Naturschauspielen des Nationalparks Hohe Tauern zählen unbestreitbar die Krimmler Wasserfälle. Mit drei Kaskadenstufen über fast 400 Meter Sturzhöhe behaupten sie den ersten Platz in den Alpen und den fünften der Welt.

Erstbesteigung des Lasörlings: 1861 durch Karl von Sonklar nach mehreren Versuchen auf dem Nordgrat.


Literatur

Für diese Tour gibt es ein kostenloses Faltprospekt "Virgentaler Hüttenführer" für Lasörling und Großvenediger Höhenweg. Infos: Tourismusverband Virgen (04874/5210) oder TV Matrei (04875/6709)

Karte: ÖK 178 Hopfgarten in Osttirol und 177 St.Jakob im Defreggental. Freytag & Berndt Wk 12, Glockner- und Venedigergruppe.


Links

Hütten, Touren und Karte des Lasörling Höhenwegs


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