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"Nur sanft Gebirg'?"

Ottakring - Wilhelminenberg

Stadtwanderweg 4a, September 2007

 

Ottakring - Wilhelminenberg

Text/Bilder: Thomas Rambauske

Intro

"Nur sanft Gebirg'?", fragt der "Ur-Ottakringer" Josef Weinheber, wenn er an den heutigen 16. Wiener Gemeindebezirk denkt. Nein, nicht nur Gebirge, sondern auch uralte Weinhauerhäuser, idyllische Winkel, "ausg'steckte" Heurige und enge Gasseln. Das ist Alt-Ottakring, ein Stadtjuwel mit dem Flair längst vergangener Zeiten. Der Stadtwanderweg 4a verbindet dieses alte Ottakring mit einem Stück Wienerwald, der ebenso zur Wiener Identität gehört wie der Kleingarten, der zelebrierte Müßiggang und der Wein. Wer letzterem besonders zugetan ist, wird übrigens in den populären Vorstadt-Gasthäusern ebenso bedient wie der Kunstliebhaber mit der Otto Wagner-Kirche auf den Steinhofgründen und der Naturfan in den kleinen, aber feinen Biotopen im Ottakringer Gemeindewald. Eine Wanderung also durch jenes Wien, das nicht nur der Autor dieser Zeilen so liebt.

Anfahrt & Aufstieg

Endstelle U3 in Ottakring - Thaliastraße - Gallitzinstraße - Katharinenruhe - Funkengerngasse - Johann Staud-Gasse - Kuffner Sternwarte - (Option: Steinhofgründe, Otto Wagner Kirche St. Leopold) -Jubiläumswarte - Pelzer Rennweg - Kreuzeichenwiese - (Heuberg, 449 m) - Andergasse (Siedlung Heuberg) - Eselstiege - Villa Aurora - Schloss Wilhelminenberg - Heuriger Leitner - Sprengersteig - Paulinensteig - Wilhelminenstraße - Wohnpark Sandleiten - Ottakringer Straße - 10er Marie - Weinheimergasse - Endstelle U3

HU ca. 250 m, GZ 2 ½ - 3 Stunden (+ 45 Minuten zur Otto Wagner-Kirche auf den Steinhofgründen, + 20 Minuten auf den Heuberg)

 



Ein Blick in einen der vielen Kleingärten
Ein Blick in einen der vielen Kleingärten

 


"Weingerank unterm Giebelrand" der 10er Marie

"Von den Hügeln schlicht kam der Hauer Sang ..." am Sprengersteig
"Buschen grün davor lädt wie einst zum Trunk" - der Heurige Leitner


Die Kuffner Sternwarte

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jubi-Warte
Bei klarem Wetter unbedingt auf die Jubiläumswarte, denn ...

Blick von der Jubi-Warte
... dann zeigen sich sowohl Stephansdom als auch Ötscher ...

Waldidylle

Picknick beim Schloss Wilhelminenberg
Ein Picknick beim Schloss Wilhelminenberg mit fulminantem Weitblick ...

 

Der bloß mit einer Herbstjacke befüllte Rucksack wird im – urbanen – Herzen Ottakrings geschultert, nämlich bei der Endstelle der U3 (Haltestellen der Straßenbahnlinien J und 46). Von hier auf der Thaliastraße über den Stillfriedplatz und die Maroltingerstraße bis zu Plachuttas "Grünspan", nach eigenen Angaben "Wiens schönstes Wirtshaus mit Biergarten", zudem "Lieblingswirtshaus vieler Wiener". Mag sein - im großen Gastgarten wird ein lauer Nachsommerabend sicher zum Fest, die Speisenauswahl bietet einen Querschnitt durch die österreichische und speziell die Wiener Küche.

Der bekannte "Grünspan"
Der bekannte "Grünspan"

Gleich daneben allerdings das nächste Traditionswirtshaus: die "Witwe Bolte", auch ein bekannter Ottakringer Heuriger, der eine Einkehr wert ist.
Die Gallitzinstraße führt nun aus der Alt-Ottakringer Vorstadt mit seinen verträumten Kleingärten und Weinhügeln in jenen Wienerwald, den so viele Dichter und Komponisten besungen haben. Der über die Grenzen hinaus bekannte Literat Josef Weinheber (* 9. März 1892 in Wien, † 8. April 1945), war so ein in seinen Bezirk verliebter Ottakringer, der seinen Wurzeln mit dem Gedicht "Alt-Ottakring" ein Denkmal gesetzt hat:

Alt-Ottakring

Was noch lebt, ist Traum.
Ach, wie war es schön!
Jüngre werden kaum
jene Zeit verstehn,
wo das Kirchlein stand
und die Häuser blank
unterm Giebelrand
hatten Weingerank.

Und im Herbste gar,
wenn der Maische Duft
hing im blauen Klar
der beschwingten Luft!
Von den Hügeln schlicht
kam der Hauer Sang,
da die Stadt noch nicht
grau ins Grüne drang.

Heut ein Steinbezirk
wie ein andrer auch,
und nur sanft Gebirg?
schickt wie einst den Hauch,
Hauch von Obst und Wein
in die Gassen aus,
und der Sonnenschein
liegt auf altem Haus.

Da und dort ein Tor
hat noch breiten Schwung,
Buschen grün davor
lädt wie einst zum Trunk,
und im Abend wird
längst Vergangnes nah
spielt ein Bursch gerührt
Ziehharmonika.

Bei der Katharinenruhe, einem winzigen Park mit überdachtem Rondo, links hinauf in die Funkengerngasse, dann wieder links in den Theodor Storm- und den Franz Eichert-Weg, der in die Johann Staud-Straße mündet. Hier die Kuffner Sternwarte (Infos siehe unten), ein historisches Observatorium und Planetarium, das auch Stern-Führungen anbietet. Nun am Rand kleiner Weingärten an der Starchanter Kirche und dem Gasthaus Starchant vorbei, wo der Weinheber'sche "Hauch von Obst und Wein" tatsächlich riech- und spürbar wird und sich langsam auch der Blick über Wien weitet. Halt bei der Feuerwache Ottakring! Wer zusätzliche 45 Minuten Zeit hat, sollte sich einen Sprung zur phantastischen Otto Wagner-Kirche (auch St. Leopold) auf den Steinhofgründen gönnen, dieses - nach eigenen Angaben - "Juwel des Jugendstils" beeindruckt ob seiner Pracht und kunstvollen Ausstattung.

Otto Wagner-Kirche

Zwar raubt einem schon das Äußere den Atem, will man jedoch das Innere besichtigen, muss man sich an die zeitlich begrenzten Führungszeiten halten. Am besten man kommt hier samstags zwischen 16 und 17 Uhr vorbei, wenn man die Kirche gratis beäugen darf (Infos Öffnungszeiten siehe unten).
Gegenüber der Feuerwache Ottakring markiert ein Denkmal zu Ehren Ferdinand Degens, eines Alpenvereinsfunktionärs, der sich um die Erhaltung des Wienerwaldes verdient gemacht hat, den Weiterweg. Der uns endlich auch durch Ottakrings "Gebirg'" führt. An einem Teich vorbei zu einem Parkplatz und einem Lager- sowie Fußballplatz. Die Johann Staud-Gasse übersetzt und noch immer durch hübschen Wienerwald an einem Karpfenteich vorbei bis zum Höhe-Punkt der Tour, der Jubiläumswarte. Die Warte hochzusteigen sollte man sich nicht entgehen lassen: Hat man über eine Spiraltreppe und 183 Stufen die Spitze der Warte erreicht, wird man mit einem 360°-Panoramablick vom Wiener Becken über die Hainburger Berge, das Leithagebirge, den Schneeberg bis zum Ötscher - und natürlich Wien selbst - belohnt. Neu an ihrem Fuß die Wiener Waldschule, die mit Schautafeln, Holzproben und ausgestopften Tieren einen Überblick über den Tier- und Baumreichtum des Wienerwaldes verschafft.
Weiter aber auf dem sog. Pelzer Rennweg in Richtung Kreuzeichenwiese, einer stillen kleinen Insel der Seligen, wo der Müßiggang regelrecht zelebriert wird. Picknick-Fans, spielende Kinder, Sonnenanbeter und Ruhe suchende Stadtflüchtige geben sich hier ein flüsterleises Stelldichein. Wer Zeit hat, marschiert etwa 10 Minuten auf den Heuberg (464 m), von wo man an besonders klaren Tagen bis zum Schneeberg sieht.
Weiter durch den sog. "Gemeindewald" zahlreichen Wegweisern nach hinab an den Rand der Siedlung Heuberg.
In der Andergasse und der anschließenden Franz-Glaser-Gasse gelangt man wieder in urbanes Gelände. Diese rechts bis zur vielstufigen Eselstiege. Am Predigtstuhl rechts die Savoyen-Straße weiter und an der Villa Aurora vorbei bis zum Schloss Wilhelminenberg (beide Restaurants bieten neben einem beeindruckenden Blick über die Bundeshauptstadt ausgezeichnetes Essen). Vor dem Schloss führt der Weg nach links an einem im neugotischen Stil erbauten Mausoleum vorbei, wo Moritz Fürst von Montléart, einer der ehemaligen Besitzer des Schlosses Wilhelminenberg, ruht. Nun hinab und am Rande eines Weinbergs mit herrlichem Ausblick über das südliche Wien zum Heurigen Leitner. Am Sprengersteig verlässt man leider endgültig die Botanik. An netten Kleingärten vorbei in den Paulinensteig, der wiederum zur Wilhelminenstraße führt. Dort wieder Gasslwerk, wie man es vom Anfang der Tour kennt: Beim Wohnpark Sandleiten rechts die Sandleitengasse entlang über den Musilplatz bis zur Ottakringer Straße, die zum letzten gastronomischen Highlight führt: dem originalen Heurigen "10er-Marie", daneben das Wirtshaus "Alt-Ottakring". Von dort noch ein kurzes Stück Ottakringer Straße bis zur Weinheimergasse, die zum Ausgangspunkt zurückleitet.

Wienerwald

Für die Wiener ist der Wienerwald DAS Ausflugs- und Erholungsgebiet schlechthin. Wanderer, Orientierungsläufer, Kletterer, Mountainbiker, Langläufer, Jogger - sie alle finden direkt vor der Haustüre ein überreiches Betätigungsfeld, etwas unschätzbar Einmaliges, um das uns eigentlich alle Hauptstädte dieser Welt beneiden müssten. Wo sonst steigt man aus der Straßenbahn aus und begegnet bald darauf einem Reh oder Fuchs? Die leichte Erreichbarkeit und die Möglichkeit, nahtlos von der grauen Alltagswelt in die grüne Freizeitwelt einzudringen, machen den Wienerwald zu einem Fluchtpunkt par excellence. Der Wienerwald ist Biosphärenpark und damit Teil von z. Z. 482 weltweit herausragenden Naturgebieten in 102 Staaten, die das Welt-Netzwerk Biosphärenreservate bilden.

Ottakringer Wald

Der 192 ha große Ottakringer Wald diente früher hauptsächlich als Brenn- und Bauholzlieferant für die Bürgerinnen und Bürger. Der Steinbruch an der Johann-Staud-Straße lieferte das Baumaterial für viele Ottakringer Bauwerke. Eine Besonderheit des Ottakringer Waldes sind die vielfältigen Standortverhältnisse: Trockene Eichenwälder am Südhang der Steinbruchwiese, frische Buchenwälder am westlichen und nördlichen Gallitzinberg, viele feuchte Kleinstandorte der Quellenbereiche und Bachgräben an den Hängen des Wolfsgrabens. Im Ottakringer Wald finden sich fast alle typischen Waldgesellschaften des Wienerwaldes: Rotbuchenwälder an kühlen und feuchten West- und Nordhängen oder an Gräben, Eichenwälder an sonnigen Kuppen und Rücken oder an südexponierten Hängen
Im Gebiet des Ottakringer Waldes finden sich artenreiche Wiesengesellschaften. Wie die Kreuzeichenwiese, die Vogeltennwiese, Teile der Steinbruchwiesen und die Wiesen rund um das Schloss Wilhelminenberg. Sie sind der Lebensraum zahlreicher Tiere (wie Mittelspecht, Seidenschwanz) und Pflanzen (wie Grüne Schneerose), der Ottakringer Wald weist die europaweit höchste Dichte an gefiederten Spechten auf. Auch die Quellenbereiche, Gräben und Tümpel beherbergen eine vielfältige Fauna und Flora. Ottakring bei Wikipedia >>>

Jubiläumswarte

Ihr Anfang bestand in einer Warte, die der "Ottakringer Verschönerungsverein" zum 50-jährigen Regierungsjubiläum von Kaiser Franz Joseph I. errichten ließ. Am 4. Dezember 1898 fand die symbolische Grundsteinlegung statt, am 6. Juli 1899 wurde die "Kaiser Jubiläumswarte in Ottakring" feierlich eröffnet. Nach dem 2. Weltkrieg war die Warte bereits dermaßen von Rost zerfressen, dass sie 1952 baupolizeilich gesperrt werden musste.
Mit dem Neubau der Jubiläumswarte, die mit 13 Stiegenabsätzen, 183 Stufen und einer Aussichtsterrasse in 31 m Höhe konzipiert war, wurde am 15. August 1955 begonnen. Am 7. September 1956 erfolgte durch Vizebürgermeister Karl Honay und Stadtrat Leopold Thaller die feierliche Eröffnung der neuen Jubiläumswarte.

Otto Wagner-Kirche (St. Leopold am Steinhof) bei Wikipedia >>>

Besichtigung: (Eintritt € 2,–) Samstag 16–17 Uhr, Sonntag 12–16 Uhr

Führungen: (€ 8,–/€ 6,–), 1 Stunde, ganzjährig, Samstag 15 Uhr und Sonntag 16 Uhr

Jugendstilführung (April bis Oktober): Montag 14 Uhr, Mittwoch 14 Uhr, Treffpunkt Foyer des Direktionsgebäudes.

Alle Informationen zum kulturellen Angebot des Otto-Wagner-Spitals unter www.wienkav.at/ows/kultur

Schloss Wilhelminenberg bei Wikipedia >>>

Kuffner Sternwarte bei Wikipedia >>>
Veranstaltungen, Events und Serviceangebote unter www.kuffner.ac.at.

Josef Weinheber

Einer der berühmtesten Ottakringer ist Josef Weinheber (*9. März 1892 in Wien, † 8. April 1945 in Kirchstetten/Niederösterreich; durch Freitod), ein österreichischer Lyriker, Erzähler und Essayist. Weinheber war vor seiner Schriftstellerlaufbahn Gelegenheitsarbeiter und von 1911 bis 1932 Postbediensteter. 1920 erschien sein erster Lyrikband "Der einsame Mensch".
Weinheber stand zunächst unter dem literarischen Einfluss von Rainer Maria Rilke, Anton Wildgans und Karl Kraus. Besonders beliebt war der Band "Wien wörtlich", der teilweise im Wiener Dialekt geschrieben ist. Daraus stammt auch das oben zitierte Gedicht "Alt-Ottakring".

Schwierigkeiten:
In der Stadt gibt es keine Markierungen oder Schilder - Stadtplan mitnehmen! Erst ab der Feuerwehrwache am Eingang zu den Steinhofgründen bestens beschildert.
Höhenmeter: Etwa 250 in Auf- und Abstieg
Gesamtgehzeit: ca. 2 ½ - 3 Stunden
Beste Jahreszeit: Jederzeit
Kinder: Absolut zu empfehlen. Kinder ab 7 schaffen den Weg locker, zumal es genug Einkehrmöglichkeiten und mit den Steinhofgründen, der Jubiläumswarte, Teichen, Wäldern, Lichtungen etc. unschlagbare Höhepunkte gibt.
Hund und Katz': Sehr gut geeignet (nur auf den Steinhofgründen gilt: No dogs!)
Ausrüstung: Pack-Checkliste
Einkehrmöglichkeiten:

Plachuttas "Grünspan", 10er Marie, Wirthaus Altottakring, Witwe Bolte, Gasthaus Starchant, Schloss Wilhelminenberg, Villa Aurora, Heuriger Leitner

Karte: Freytag & berndt "Wanderatlas Wienerwald"