Wem es darum geht, relativ flott und knieschonend ins alpine Gebirge zu gelangen, dem sei die Bergwelt um Obertauern in den Radstädter Tauern (Salzburger Land) empfohlen. Abseits der Wintersportanlagen gibt es eine Reihe lohnender, sehr naturbelassener 2.000er, die dank hoch gelegener Ausgangspunkte mit relativ wenig Aufwand zu erreichen sind. Wir haben die einsamsten unter ihnen ausgesucht – echte Schmankerln für Gipfelsammler und Naturwanderer!
Von Thomas Rambauske (Text und Bilder)
Der Talwächter von Tweng: Die Treberlingspitze (2.083 m)
Als Einstimmung für unsere Bergtage auf der Dachterrasse der Radstädter Tauern bietet sich die Treberlingspitze über dem Twenger Lantschfeld an. Eine sehr beschauliche, stille Tour mit allem, was man von einer zünftigen Bergfahrt erwartet: einem See, einer urigen Hütte samt Alm drumherum und einem zackigen Gipfel knapp über der 2000er-Marke.
Tweng – Metzgerhütte
Startpunkt ist der Talort Tweng (1.233 m) nahe Obertauern an der Südseite der Radstädter Tauern. Vom Zentrum aus wandern wir der Straße entlang, bis uns beim Ortsende ein Wegweiser Richtung Metzgeralm und Treberling nach links auf den Lantschfeldweg leitet. Bald erreichen wir einen großen Holzlagerplatz, der auch als Parkplatz dient. Ab hier ist die Straße ins Lantschfeldtal durch einen Schranken gesperrt. Verkehrsfrei wandern wir auf einer Forststraße teils durch Kuhweiden, teils durch Lärchenwälder und almartige Lichtungen bergauf. Bei Wegkreuzungen bzw. Gabelungen weist uns das Schild "Treberling" den richtigen Weg. Die letzten Kilometer vor der Baumgrenze steilt sich unser Weg etwas auf, sodass wir erstmals unseren Geländegang zuschalten müssen. Nach gut 1,5 Stunden stehen wir vor der alten Metzgerhütte auf der gleichnamigen Alm, einer Kuhalm wie aus dem Bilderbuch. Die herzhafte Almjause mit selbstgemachten Produkten schmeckt hier traumhaft gut. Dieser Gastlichkeit nicht genug, kann man hier, selbst wenn die Hütte bereits geschlossen hat, eine kleine Jausenpause einlegen und sich mit einem Bier laben, das naturgekühlt in einer Holzwanne lagert (siehe Bild rechts). Wenn man den Kopf hebt, erkennt man die Treberlingspitze, oder den "Treberlinger Spitz", wie unser Zielgipfel hierorts auch genannt wird, links hinter der Hütte, und das Große Gurpitscheck etwas weiter weg auf der anderen Talseite deutlich erkennen. Letzteren werden wir morgen einen Besuch abstatten.
Die malerisch gelegene Metzgeralm mit der dahinter liegenden Treberlingspitze
Metzgerhütte – Treberlingspitze
Von der Metzgerhütte aus führt ein anfangs gut markierter Wanderweg über Almwiesen und kleine Wälder bergauf. Ringsum öffnet sich ein immer eindrucksvollerer Fernblick, aber auch die Nahsicht kann was, vor allem wenn der wunderschöne Wildalmsee vor uns ins Blickfeld rückt. Der Weg wird nun zusehens schmäler und schlängelt sich – manchmal schlecht erkennbar – durch eine wellige Almlandschaft, über Bäche und an vielen kleinen Sumpflöchern vorbei empor. Immer wieder treffen wir dabei auf selten gewordenes Wollgras, Sumpf-Läusekraut und Heidelbeerstauden. Man merkt, die Natur ist hier noch in Ordnung und darf ungestört gedeihen.
Im Wildalmsee spiegelt sich der Himmel. Im Hintergrund die Treberlingspitze mit dem plattigen Gipfelbereich.
Nach dem letzten Wegschild wird es steil, sehr steil. Zuerst müssen wir durch einen sehr abschüssigen Latschenhang (Vorsicht bei Nässe), dann über den Südrücken der Treberlingspitze, wobei einige luftige Platten umgangen werden. Weiter am Grat, bis wir vor einem schuhbreiten und brüchigen Schrofenband stehen. Hier brauchen wir Trittsicherheit und Schwindelfreiheit! Wenn die Stelle überwunden ist, stehen wir kurz danach auf dem Gipfel (Kreuz und Buch), der auf einer Seite hin senkrecht in die Tiefe abbricht. Auch hier ist also Vorsicht geboten. Die Aussicht reicht von der Seekarspitze bis hin zum Gurpitscheck, dem wir uns morgen annähern wollen. Als Zugabe für erfahrene und konditionsstarke Bergsteiger bietet sich noch das Weißeneck (2.563 m, + 2 Std.) an. Als Abstiegsweg wählen wir mangels Alternativen den Aufstiegsweg.
Heidelbeerstauden "glühen" in der Sonne.
Über eine Himmelsleiter zum
Gr. Gurpitscheck (2.526 m)
Wir wundern uns, warum das Große Gurpitscheck kaum über die Grenzen der Radstädter Tauern bekannt ist, weist er doch alle Attribute auf, die man von einem großen Berg erwartet: zwei großartige Gipfel weit in der alpinen Zone, eine zünftige Berghütte, weite, von einer grandiosen Felsszenerie eingefasste grüne Almmatten, ein wenig Kletterei, viel Einsamkeit, Stille und ein Fernblick bis zum Anschlag. Durch den relativ hohen Ausgangspunkt ist auch das Gurpitscheck mit relativ "wenig" Aufwand zu erreichen.
Schaidberg – Twengeralm
Den Rucksack schultern wir beim Jugendgästehaus Schaidberg unterhalb von Obertauern. Von hier aus marschieren wir auf einer Forststraße konsequent bergauf. Am Weg famose Blicke über das Tal zum Weißeneck und zur Treblingspitze, aber auch kleine Rinnsale und ein kleiner Wasserfall. Nach einem Weidegatter ändert sich die Kulisse auf eindrucksvolle Weise: Von Wald zu Alm, von geschlossen zu offen, von sanfter Kulturlandschaft zu wildschöner Bergszenerie. Von nun marschieren wir über fünf Stunden lang über Almböden bis hinauf in die hochalpine Felszone und erleben dabei all das, was des Bergwanderers Herz erfreut. Vor uns taucht schon bald die Gollitschspitze auf, dem wir heute auch noch die Aufwartung machen werden. Dann schon die Ernstalm (45 min) mit der gleichnamigen, bewirtschafteten Hütte (1.869 m) und einem feinen Panorama mit Platten- und Gamskarlspitze. Weiter unter der Steinkar- und Tauernhöhe bis zur Twengeralm (1.900 m). Über ihr mächtig aufragend die Gollitschspitze, der wir heute auch noch die Aufwartung machen werden. Die Almhütte ist traditionell mit Pinzgauer Milchkühen und Tauernschecken Ziegen bewirtschaftet. Es versteht sich von selbst, dass auch hier vor allem Produkte aus eigener Herstellung auf den Teller kommen. Das gefällt und schmeckt.
Die gastliche Twengeralm bietet Produkte aus eigener Erzeugung an.
Twenger Almsee
Weiter auf schmalem Almpfad steil bergauf, wobei langsam auch schon das Gurpitscheck ins Blickfeld rückt. Die Glocken der weidenden Kühe und das Rauschen des Twengbaches, dem wir bergauf folgen, bilden die hiesige Hintergrundmusik. Je lauter der Bach, desto näher kommen wir dem Twenger Almsee (2.120 m, ca. 1,5–2 Stunden), einem selten idyllischen Ort. Malerisch und kunstvoll, wie es nur die Natur zu gestalten vermag, liegt er in einer Senke zwischen Gollitschspitze und Gurpitscheck. Es ist genau der Platz, an dem man länger verweilen möchte. Seine grün-blaue Farbe verfließt mit der Umgebung aus Felsen, Almwiesen und Himmel. An seinem Ufer plantschen Kinder. Und wir? Ja, natürlich! Im Sommer muss man hinein – was will man meer (sic!).
Am Twenger Almsee – was will man meer (sic)!
Himmelsleiter zum Großen Gurpitscheck
Weiter Richtung Gurpitscheck! Nun den Twenger Almsee an seinem Südufer umrundet und etwas steiler in einen Sattel auf den Verbindungsrücken Gurpitscheck-Gollitschspitze. Hier eröffnet sich eine herrliche Rundsicht in die Lungauer Bergwelt, hinunter zum Twenger Almsee und in nördlicher Richtung zum Oberen und Unteren Schönalmsee. Von hier geht es nun fast eine Stunde über den Nordostgrat des Großen Gurpitschecks – eine Himmelsleiter der besonderen Art. Meist steigen wir über wunderschöne Wiesenkämme, breite Felsgrate und aussichtsreiche Plattformen auf gutem Gehweg dahin, und das alles vom Gepfeife der Murmeltiere begleitet. Der Gipfelaufbau selbst unterteilt sich in mehrere, kühn aussehende Zacken – eine Geduldsprobe auch: Glaubt man, auf dem einen den Gipfel vorzufinden, baut sich dahinter schon der nächste auf. Aufpassen müssen wir nur bei einer Felsplatte, wo etwas "Hand"- und "Fußarbeit" verlangt ist. Eine kurze Seilversicherung verleiht Sicherheit. Kurz vor dem Gipfel folgt noch eine weitere, etwas anspruchsvollere, versicherte Platte, die mit wenigen Spreizschritten und Hangelzügen schnell überwunden ist. Der Gipfel selbst zeigt sich erst im letzten Moment.
Nach einer kurzen versicherten Kletterstelle (kleines Bild oben) stehen wir am Gipfel des Gr. Gurpitschecks.
Nach 1,5 Stunden vom Twenger Almsee aus stehen wir auf dem Großen Gurpitscheck und lassen eine wunderschöne Aussicht auf die zahlreichen Gipfel der Lungauer Bergwelt, auf die Ankogelgruppe bis hin zum Großglockner, den Dachstein und die Kalkspitzen auf uns wirken. Ja, wirklich, das Große Gurpitscheck gehört eindeutig zu den Superstars der Radstädter Bergwelt!
Famoser Blick auf den Twenger Almsee, die Gollitschspitze (links) und die Kalkspitzen
Nachschlag: Gollitschspitze
Den Weg zurück genießen wir besonders. Während man beim Aufstieg ja vor allem den Weg an sich und den Gipfel im Sinn und Blick hat, dürfen die Augen beim Abstieg entspannt in die Ferne schweifen. Und sich am traumhaften Panorama sattsehen: am nahen Twengeralmsee, der wie ein riesiges blaues Auge zu uns heraufsieht, an der nahen Bergwelt Obertauerns und der fernen des Dachsteins. Zurück in den Satttel zwischen Oberem Schönalmsee und Twengeralm See bzw. zwischen Gurpitscheck-Gollitschspitze marschieren wir auf einen unbezeichneten Weg am Rücken bleibend über zwei kurze Anstiege auf die Gollitschspitze (2.247 m, Gipfelkreuz). Hier eröffnet sich ein toller Blick auf die Tauernhöhe und Obertauern hinunter.
Wer die Gollitschspitze mitnimmt, wird mit einem gransiosen Ausblick belohnt: hinten der Twenger Almsee und das Gr. Gurpitscheck.
Nun vom Gipfel direkt zum Twenger Almsee hinunter, den wir nun nochmals genießen dürfen. Der Rückweg ins Tal erfolgt auf der gleichen Strecke wie beim Aufstieg.
Ganz hinten und ganz still: Glöcknerin (2.433 m)
Ganz weit "hinten" und deswegen sehr einsam liegt die Glöcknerin auf der Pongauer Seite des Radstädter Tauerns. Vor allem das felsige Kar rund um den Wildsee zwischen der Großwandspitze und den Teufelshörnern bildet einen unvergesslichen landschaftlichen Rahmen. Der Weg lässt an Abwechslung kaum was zu wünschen übrig, da sich die Ausblicke, der Untergrund und die Umgebung ständig ändern. Los also!
Obertauern – Wildsee
Der Startpunkt befindet sich diesmal in Obertauern selbst, wo gegenüber der Info-Stelle der Weg 702 Richtung Wildsee und Südwienerhütte ansetzt. Wir marschieren über Weideböden und durch Zirbenwälder am Fuß der Gamsleitenspitze zuerst flach, dann quer über einen Hang, schließlich steil durch eine felsdurchsetzte Rinne bergauf. Ein mühsamer Auftakt, der aber reich belohnt wird, sobald wir die Rinne auf die Brettsteinalm verlassen. Dann nämlich betreten wir eine baumfreie, alpine Szenerie, in der das Gamsspitzl und die Zehnerkarspitze die Hauptrolle spielen. Wir verschnaufen, staunen und sehen uns erst einmal satt an der herrlichen Bergwelt. Der Markierung folgend flanieren wir nun in sanftem Auf und Ab den Fuß des Gamsspitzels entlang. Zu unseren Füßen der steinige Bergweg, vor uns das Taurachtal und der Geißstein, über uns der Himmel – Wanderer, was willst du mehr? Wildromantisch wird die Kulisse, wenn wir in einen Geröllkessel steigen, den wir uns mit Murmeltieren teilen. Nach und nach tauchen die Granden des stillen Tals auf: der Pleißingkeil, die Großwandspitze und unsere Glöcknerin. Nach gut zwei Stunden erreichen wir eine Wegkreuzung, die wir uns merken sollten: links der Wildsee, rechts ein Kreuz und der Weg hinunter zur Bödenalm (Felseralm), über die wir absteigen werden.
Wildsee – Glöcknerin
1.925 Meter hoch liegt der Wildsee eingebettet zwischen Vorderer und Hinterer Großwandspitze, Glöcknerin und den Teufelshörnern. Ein malerisches Bild, wie es nur die Natur zustande bringt. Weiter am Weg 702 Richtung Südwienerhütte an einer Sennerhütte vorbei, bis sich abermals die Wege trennen. Diesmal wenden wir uns nach links und steigen am Weg 23 über eine Alm bergauf. Über uns ragt mächtig die Glöcknerin in den Himmel, unser Ziel. Rechts davon die Vordere und Hintere Großwandspitze. Es folgen nun mehrere steile Felsstufen, wo es mitunter Hand anlegen und den Fuß mit Bedacht setzen heißt. Ein herausfordernder Weg für Bergwanderer. Dazwischen aber immer wieder auch flachere Passagen zum Ausrasten. Auf einem Sattel ist es fast geschafft. Hier wenden wir uns nach Osten und steigen auf leichtem Weg über die steile, schrofige Westflanke der Glöcknerein bis zum Gipfelkreuz (siehe Bild). Zu sehen gäbe es – so nicht Wolken um den Gipfel ziehen – genug, etwa die Hohen Tauern, die Lungauer Berge und sogar der Dachstein. Aber auch zu hören bekommen wir einiges: nämlich die Pfiffe der Gämsen, die hier oben gerne ihr Frühstück einzunehmen pflegen.
Über die Bödenalm retour
Nun zurück in den Sattel (30 Minuten zum Pleißlinngkeil) und zur besagten Wegkreuzung über dem Wildsee, der lange Zeit den Mittelpunkt des Panoramas bildet. Um die steile Rinne unter der Gamsleitenspitze zu vermeiden, wählen wir einen anderen Abstiegsweg. Zwar auch steil, aber nicht so rutschig, steigen wir über Almböden hinab, bis wir Wald erreichen und durch diesen bis zur Bödenalm wandern. Hier folgen wir dem Wegweiser des Salzburger Almenwegs (Hirschwandsteig) nach rechts Richtung Obertauern und wandern über die Neuhofalm, das Jugendhotel Tauernhof und die Weninger Alm bis Obertauern zurück. |