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Corti-Drama

Daniel Anker, Rainer Rettner

Corti-Drama

Tod und Rettung am Eiger 1957–1961

ISBN 978-3-909111-33-6, 160 Seiten, 102 Abbildungen

Verlagsinformation:

Das Eigerdrama von 1957 – Tragik und Faszination

Unmittelbar nach dem Ende des Dramas begann das Rauschen im Blätterwald der internationalen Presse. Vergleichbar nur mit der Tragödie am Frêney-Zentralpfeiler am Mont Blanc (1961), dem Tod von Günter Messner im Jahre 1970 am Nanga Parbat oder der von Jon Krakauer in seinem Bestseller "In eisige Höhen" beschriebenen Katastrophe am Mount Everest (1996), war die Eigertragödie ein gefundenes Fressen für Tagespresse, Zeitschriften und Buchautoren. Grund war die perfekte Dynamik der Story: Eine Viererseilschaft, die zu langsam in der riesigen Fels- und Eisarena des Eigers vordringt, bis schließlich die beiden Italiener Claudio Corti und Stefano Longhi erschöpft und verletzt nicht mehr weiterklettern können und kurz darauf die beiden jungen Deutschen, Günter Nothdurft und Franz Mayer, spurlos verschwinden. Eine spontan und zu Beginn etwas unglücklich organisierte Rettungsaktion von Bergsteigern aus sechs Nationen, die vom sturmumtosten Eigergipfel einzig Claudio Corti mit dem Stahlseil aus der Eigerwand lebend bergen können. Zögerliche einheimische Bergführer, die dafür von der internationalen Presse harsch kritisiert werden. Kantige Funktionäre, die sich darüber öffentlich zerstreiten. An all diese dramatischen Ereignisse erinnerte zwei Jahre lang die Leiche von Longhi, die sichtbar für Einheimische wie Touristen hoch oben in der Nordwand baumelte. Mit der Bergung des "Schandflecks" bemühten sich die einheimischen Bergführer um Wiedergutmachung. Und im Jahre 1961 endlich das Auffinden der beiden toten Deutschen in der Eiger-Westflanke – sie hatten die Retter nur um Stunden verfehlt.
Der neue Bild- und Textband des AS Verlags erinnert 50 Jahre danach an die bewegten Tage im August 1957


Kommentar von Uli Auffermann:

Im Respekt vor dem Menschen
Das Corti-Drama

Die Eiger-Nordwand. Sie ist Inbegriff großer alpinhistorischer Dimensionen. Eine Wand, die die Menschen verändert! Die, die sie durchsteigen, und jene, die sie begreifen wollen! Ein Schauplatz bedeutender bergsteigerischer Taten und fürchterlicher Tragödien. Ein Spiegel charakterlicher Festigkeit wie schwächelnder Wertesysteme. Es wäre ungerecht, das einzigartige Charisma dieser Steilflucht nur auf die Unfalldramen zu reduzieren, die sich in ihr ereigneten. Und doch haben gerade sie verständlicherweise die Eigerwand oftmals in den Focus der Weltöffentlichkeit gerückt.
Daniel Anker und Rainer Rettner haben sich mit ihrem Buch eines Themas angenommen, das vor 50 Jahren die Eiger-Nordwand rund um den Globus in die Schlagzeilen brachte:
Im August 1957 steigen vier junge Alpinisten in die Nordwand ein, kommen kaum voran und verausgaben sich so, dass die beiden Italiener Claudio Corti und Stafano Longhi nicht weiter können – die Deutschen Franz Mayer und Günter Nothdurft sind bald danach in der Wand nicht mehr auszumachen. Durch einen spontan aufgestellten Rettungstrupp von Bergsteigern aus sechs Nationen kann per Stahlseil vom Gipfel aus nur noch Claudio Corti lebend geborgen werden.
Die tragischen Ereignisse, die in jenen Tagen drei Alpinisten mit ihrem Leben bezahlten, die wunderbare Rettung Claudio Cortis, Presserummel und Spekulationen, die dem Geretteten leidvolle Jahre bescherten – in besonderer Weise gelingt es den Autoren und dem Verlag, all das zu bündeln und in eindrucksvoller Weise aufzuarbeiten. Das Herzstück sind dabei die einzigartigen Aufnahmen des inzwischen verstorbenen Berner Fotografen Albert Winkler, die den Betrachter des großformatigen Text-Bildbandes sofort in den Bann ziehen. Winkler dokumentierte die umfangreiche Rettungsaktion Cortis mit großer Feinfühligkeit, jenseits voyeuristisch-reißerischer Ansätze. Die Fotos sind von einer solchen Aussagekraft, dass man hineingezogen wird in die dramatischen Tage und Stunden damals an der Eiger-Nordwand. Der Puls mag schneller werden, Ergriffenheit verdrängt Distanz, man ist plötzlich ganz dabei. Jetzt ist der Moment ideal, mit dem Lesen zu beginnen. Und schnell wird deutlich, dass das Buch mehr ist als eine Dokumentation. Gewiss, eine sachliche, beinahe lückenlose Chronik der Ereignisse, die Aussage von Zeugen des Geschehnisses, wie zum Beispiel Hermann Huber, ermöglichen eine bislang nie da gewesene Draufsicht auf die komplexen, in sich verzahnten Vorgänge, die damals genug Stoff für Anschuldigungen, Vorwürfe und Spekulationen gaben und Claudio Corti zum Opfer machten.
Das Buch geht weiter. Es zeigt auf, dass es jenseits aller selbst ernannter Kritiker und "Aufdecker" den Wert gab, sich für einen Menschen in Not einzusetzen. Ohne Wenn und Aber. Die klingendsten Namen der internationalen Bergsteigerelite fanden sich ein, um zu helfen. Und der selbstlose Wiggerl Gramminger, einer der wichtigsten Pioniere der Bergrettung, reiste mit einer Handvoll Alpinisten aus München und dem Allgäu an, bereit, sich für Claudio Corti einzusetzen. Gramminger, Freund und Seilpartner Anderl Heckmairs, auf dessen Route der Erstdurchsteigung sich 1957 nun der Italiener Corti in äußerster Not befand, eilte schon 1936 zur Eigerwand, um Toni Kurz beizustehen, kam aber knapp zu spät und konnte dadurch nichts mehr tun. Diesmal war es anders. In großartiger Gemeinschaftsleistung aller Helfer holten sie Claudio Corti zurück ins Leben.
Und hier setzt auch der womöglich wichtigste Teil des Buches an. Deutlich wird, wie Corti, der geschwächt und traumatisiert der Eigerwand entronnen, von außen rücksichtslos emotional überfordert wurde. Bedrängt und in Zweifel gezogen, lud man ihm "schweres Gepäck" auf, beraubte ihn sukzessive seines Rufes. So darf Cortis Schicksal und der demontierende Umgang mit seiner Person auch als Mahnung verstanden werden, gerade in einer Zeit des modernen Enthüllungsjournalismus, vorsichtiger zu sein, immer zuerst den Menschen zu sehen und voller Respekt seine Grenzen zu beachten. Aus dieser Perspektive mag man auch allen verzeihen, die sich damals falsch verhielten. Wenn auch die Funde der Leichen von Nothdurft und Mayer in der Westflanke vier Jahre später faktisch Claudio Corti rehabilitierten, die gefühlsmäßigen Wunden, die man ihm beigefügt hatte, könnten wohl allzeit geblieben sein. Das Buch hilft heilen, gibt Claudio Corti endgültig seine Würde zurück!


Zu den Autoren:

Daniel Anker: Geboren 1954, ist Historiker, freier Journalist und Autor von Bergbüchernund alpinen Führern. Im AS Verlag hat er von 1996 bis 2003 sieben Bergmonografien herausgegeben; die Reihe wird fortgesetzt. Außerdem ist er Verfasser mehrerer Skitouren-, Wander- und Radführer für die Gebiete Berner Oberland, Wallis, Tessin, Graubünden, Ost- und Zentralschweiz sowie Genfer See, Côte d’Azur und Kalifornien. In den Literaturwanderführern des Rotpunktverlages zum Tessin, Bernbiet und Graubünden schrieb er je ein Kapitel. Mitarbeit für in- und ausländische Zeitungen und Zeitschriften, wie zum Beispiel für "Die Alpen" des Schweizer Alpen-Clubs. Daniel Anker lebt in Bern.

Rainer Rettner: Geboren 1967, recherchiert seit Jahren zur Geschichte der Eiger-Nordwand und besitzt eines der größten Privatarchive zu dieser Thematik. Er lebt in der Nähe von Würzburg.