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Ost-West-Gipfel

Klaus Friedrichs - Carsten Propp

Ost-West-Gipfel

Ein deutsches Bergsteigerleben

2006, Eigenverlag, 175 Seiten

Klappentext:

Ein Mann will in der DDR ganz nach oben - ohne Parteibuch, aber mit zuverlässigen "Seilschaften". Denn eines Tages hat er im mausgrauen DDR-Alltag entdeckt, welch ein Genuss Freiheit, Selbstbestimmung und Risikobereitschaft sein können: Er besteigt am 27. Februar 1966 seinen ersten Gipfel in der Sächsischen Schweiz. Von diesem Tag an dreht sich für ihn alles ums Bergsteigen: Er nimmt an Expeditionen ins Rila-Gebirge (Bulgarien), in den Kaukasus und im Pamir (ehemalige Sowjetunion) teil. In knapp 7000 Metern Höhe ereilt seine Seilschaft dann 1975 am Pik Lenin ein schwerer Schicksalsschlag. Trotzdem packt ihn wieder das Gipfelfieber, und die Sehnsucht nach Freiheit wächst. 1986 stellt er einen Ausreiseantrag. Schikanen und berufliche Nachteile sind die Folge. Fast zeitgleich mit dem Fall der Mauer 1989 erhält die Familie die Ausreisegenehmigung. Jetzt kann Klaus Friedrichs die Westgipfel erobern, die zuvor für einen DDR-Bürger so unerreichbar waren wie der Mond.


Kommentar:

Aus dem Käfig auf die Gipfel der Welt

Zugegeben, man geht etwas argwöhnisch an die Memoiren eines Mannes, den man nicht kennt. Schließlich hat man ja schon zig elendslangweilige Biografien großer Bergsteiger-VIPs über sich ergehen lassen, die vor Selbstdarstellung und Egomanie überquellen und wo die Grenzen zwischen Dichtung und Wahrheit ineinander verfließen. Dann liegt also eines Tages das Buch "Ost-West-Gipfel" eines Herrn Klaus Friedrichs im Postkastl, nie von ihm gehört, die Erinnerungen eines Unbekannten, eines Ostdeutschen. Aber man nimmt es brav zur Hand, schließlich hat man sich die Mühe gemacht, es mir zuzuschicken, und beginnt zu lesen ... und liest es in einem Zug aus! Schon das ein Qualitätsmerkmal für eine Biografie.
Tatsächlich schmökern sich die 175 Seiten ausgesprochen flüssig, zügig und fesselnder als die meisten Promi-Vitas. Und auch in einem zweiten Punkt unterscheidet sich "Ost-West-Gipfel" von vielen anderen Werken desselben Genres: Friedrichs stellt sich nicht auf ein Podest, verzichtet auf jede Selbstüberhöhung, sondern erzählt ehrlich und munter drauf los, dass es ein Spaß ist, ihn aus der muffigen Enge der DDR auf den Elbrus, den Aconcagua, den Kilimanjaro, in die kanadischen Rocky Mountains, durch die Wüste Sinais bis zum Nordpol zu begleiten.

Hochinteressant der Blick hinter die Mauern der historischen DDR, die einem Bergfex wie der Käfig eines Wellensittichs vorgekommen sein müssen. Friedrichs lässt auch nichts unversucht, über die Gitterstäbe hinweg in ferne Länder zu gelangen – was weiß Gott schwierig genug ist. So gesehen wird ihm die Freiheit auf den Bergen sprichwörtlich: "Im mausgrauen DDR-Alltag fanden wir beim Klettern eine Nische, die ein wenig Freiheit und selbst bestimmte Risikobereitschaft zuließen." Die Fluchtburg Berg gewinnt für Friedrichs existentielle, wenn nicht lebensnotwendige Bedeutung. Was uns Westeuropäern immer schon selbstverständlich war und ist, sich nämlich bei einer Reiseagentur anzumelden und loszufliegen, ist für einen DDR-Bürger beinahe ein Ding der Unmöglichkeit: Bürokratische Hürdenläufe, ideologische Verrenkungen, Schikanen, Kniefälle, Angst um Arbeitsplatz und Familie waren nicht die einzigen Hürden auf dem Weg zu den Gipfeln der Welt. Meist reichte das kaum vorhandene Geld nicht, sodass etwa Steigeisen selbst hergestellt werden mussten. Und schaffte man es schließlich endlich doch an den Fuß des Traumberges, konnte noch immer der lange Arm der DDR-Big Brothers einen Gipfelgang durchkreuzen. Die Hauptspannung in Friedrichs Erinnerungen entsteht weniger um die Frage, ob er den Gipfel erreicht, sondern ob er überhaupt in den Schatten seiner Traumgipfel gelangt. So gesehen machen Friedrichs Erinnerungen auch betroffen: Wenn ihm am Elbrus von "Kontrolloren" der Gipfel verwehrt wird, wenn er Gefahr läuft, für seine Leidenschaft seinen Arbeitsplatz zu verlieren, wenn ihm am Pik Lenin ein folgenschwerer Schicksalsschlag ereilt, wenn er immer wieder fällt, jedoch genauso oft wieder aufsteht, nie aufgibt.

Als packend geschriebenes, aufrichtiges und ungeschminktes Zeitzeugnis ist "Ost-West-Gipfel" absolut zu empfehlen.


Zu den Autoren:

Klaus Friedrichs wurde 1939 in Sommerfeld (Niederlausitz) geboren. Bis zur Ausreise arbeitete er als Dilpom-Ingenieur in Heidenau und Dresden. Heute ist er Rentner und lebt in Weinheim an der Bergstraße.
Carsten Propp, geboren 1964 in Mannheim, ist Lokalredakteur bei einer Tageszeitung. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. 2004 ist sein erstes Buch, die Biographie "Fred Knorre - kleiner Kellner, weite Welt", erschienen.


Bezugsadresse:

Klaus Friedrichs, Karlsberg 7, 69469 Weinheim; E-Mail: klaus.friedrichs@web.de
Preis: 11,80 + Versandspresen = 15,- Euro