Verlagsinformation:
Von
Bombay über Agra und Kalkutta nach Burma und wieder nach Westen über
Nordwestnepal nach Tibet zum Heiligen Berg Kailas führte den erst
23-jährigen Herbert Tichy seine abenteuerliche Reise, die er teils
auf dem Motorrad, teils zu Fuß zurücklegte. Mehr als 70 Jahre
liegt diese zweite ausgedehnte Expedition nach Asien zurück - die
erste hatte der junge Geologiestudent zwei Jahre zuvor, 1933, mit Max
Reisch, ebenfalls auf dem Motorrad absolviert.
„Zum Heiligsten
Berg der Welt“ erscheint 1937 zum ersten Mal und ist der Beginn der reichen
und erfolgreichen Tätigkeit Herbert Tichys als Schriftsteller. Die
besondere Fähigkeit, in ganz unspektakulärer Weise seine großen
Abenteuer zu erzählen und sich dabei selbst auch immer mit einer
Portion Selbstironie zu betrachten, ist von Anfang an da. Faszinierend
erscheint Tichys Reise, die er in „Zum heiligsten Berg der Welt“ erzählt,
nicht nur hinsichtlich des Wagnisses zu dieser Zeit mit einem Motorrad
und zu Fuß durch unbekannte Gegenden zu reisen, sondern auch aus
der Sicht der aktuellen weltpolitischen Situation. Während Tibet
heute durch die chinesische Eingliederung viel leichter zugänglich
ist – erst kürzlich wurde Llhasa mit dem chinesischen „Mutter“land
durch eine mehr als 1100 Kilometer lange Eisenbahnstrecke verbunden –
sind Afghanistan und Irak derzeit für Reisende bezüglich Sicherheit
nicht besonders empfehlenswert – viel weniger noch als zu Tichys Zeiten.
So ist dieses erste Buch von Herbert Tichy also nicht nur ein fesselnder
Bericht einer abenteuerlichen Reise, sondern auch ein spannendes Zeugnis
der Kulturgeschichte.
Als 2. Projekt
der Edition Sonnenaufgang liegt diese Reisebeschreibung nun genau 70 Jahre
nach der Ersterscheinung wieder auf. Wie schon die „Cho Oyu“-Neuauflage
ist auch diese um aktuelle Beiträge erweitert, sowie mit Illustrationen
von Herwig Zens zu einigen der Originalphotos bereichert. Eine kleine
österreichische Bergsteigergruppe hat 2004 - teilweise auf gleicher
Route wie Tichy - durch Nordwestnepal und nach Tibet zum Kailas eine Tour
unternommen und berichtet mit aktuellem Photomaterial – das sich gar nicht
sehr von den historischen Aufnahmen unterscheidet.
Martin
Grabner, Der Standard, Österreich:
Mitte der Dreißigerjahre des vergangenen Jahrhunderts mit dem Motorrad
durch Indien, Burma, Afghanistan und auf dem Landweg wieder zurück
nach Europa zu reisen war ein ordentliches Abenteuer. Der damals 23-jährige
Wiener Herbert Tichy wagte dieses Unternehmen und noch einiges mehr. Als
indischer Pilger verkleidet, erreichte und umrundete er zu Fuß mit
ein paar einheimischen Gefährten den heiligen Berg Kailash in Tibet.
Für Europäer war diese Reise damals noch streng verboten - und
gefährlich. Wurde man erwischt, drohte Folter und Tod. Der über
6000 Meter hohe Eisriese ist für Buddhisten und Hindus der Sitz der
Götter, der Mittelpunkt der Welt. Seine Umrundung bringt für
beide Glaubensgemeinschaften Reinigung von den Sünden, Erleuchtung
und ist somit ein wichtiger Schritt ins Nirwana.
Zurück
in Österreich, veröffentlichte Tichy mit seinem ersten Buch
"Zum heiligsten Berg der Welt" einen umfassenden Bericht über
diese abenteuerliche Reise. 1937 hatten die Menschen zwar andere Sorgen,
trotzdem ließen sie sich von Herbert Tichy in die fremden, unbekannten
Welten Asiens entführen. Das Buch wurde ein Erfolg und war für
ihn gleichzeitig der Beginn seiner langjährigen Tätigkeit als
Reiseschriftsteller. Über 25 Bücher hat er veröffentlicht,
heute sind sie alle vergriffen oder nur beschränkt antiquarisch erhältlich.
Mit
"Zum heiligsten Berg der Welt" wurde heuer anlässlich der
siebzigjährigen Ersterscheinung ein zweiter Schritt gesetzt, und
tatsächlich haben die spannenden Geschichten der Kailash-Umrundung
oder der Reisen durch Indien und Afghanistan bis heute nichts von ihrer
Faszination verloren.
Mit
einem von der Firma Puch zur Verfügung gestellten Motorrad schiffte
sich Tichy damals nach Bombay ein. In Österreich hatte er als "Österreichische
Zentralasien-Expedition" erfolgreich Sponsoren aufgetrieben und sogar
einen Vorschuss als Sonderberichterstatter einer Berliner Illustrierten
erhalten. Sein Doktorvater von der Wiener Universität ermöglichte
ihm außerdem, die Doktorarbeit in Geologie über Gesteinsarten
im Himalaja zu verfassen. 1937 promovierte Tichy dann auch erfolgreich.
Die
Reise mit dem Motorrad war für ihn nichts Neues, hatte er doch bereits
im Jahr 1933 als Sozius von Max Reisch Indien kennengelernt. Neu war diesmal
nur, dass er selbst fahren und kleine Reparaturen bewerkstelligen musste.
Kein leichtes Unterfangen für den 23-jährigen Geologie-Studenten.
So schrieb er später: "Es entsprach mehr der Güte der
Maschine als jener des Fahrers, dass wir schließlich wieder unversehrt
die Heimat erreichten." Mitten in der Monsunzeit erschwerten
aufgeweichte Straßen ein vernünftiges Weiterkommen. Immer mit
dabei sein Freund Chatter Kapur, ein junger indischer Student, der mächtig
stolz darauf war, auf der knatternden Maschine mitfahren zu dürfen.
Nach
Afghanistan musste Tichy dann aber allein, weil Kapur kein Visum bekam.
Immer wieder traf er dort auf grimmige afghanische Männer, die ihn,
ihre langen Flinten geschultert, misstrauisch musterten. Bald saßen
sie jedoch zusammen, um in Freundschaft eine Wasserpfeife zu rauchen und
Tee zu trinken.
Die
Einheimischen wunderten sich über den seltsamen Fremden mit dem "zweirädrigen
Auto" oder "stinkenden Teufel", wie sie das Motorrad nannten,
wenn sie ihm weniger wohlgesinnt waren. Seine Eindrücke von diesem
gefährlichen Land schildert er danach im Buch so: "Lebt wohl,
ihr wunderbaren Afghanen mit euren Gewehren und Festungen! Um wie vieles
ungefährlicher seid ihr mit euren kindlichen Herzen als die Politiker
und Rüstungsfachleute des Westens, die oft so schöne Reden halten!"
Anschließend
besuchte Tichy in Burma den Manpan-See, den "See des Lächelns",
mit den berühmten Bein-Ruderern. Er brachte es dort zu einer gewissen
Bekanntheit, vor allem wegen seiner ungeschickten Versuche, die Rudertechnik
der Fischer nachzuahmen. Dabei fiel er jedes Mal ins Wasser, was Tichy
im Buch mit einiger Selbstironie schildert.
Dann
aber der Höhepunkt der Reise zum heiligen Berg nach Tibet. Tichy
engagierte dafür zusätzlich den nepalesischen Träger Kitar,
einen bergerfahrenen Mann, der schon etliche Male bei englischen Mount-Everest-Expeditionen
dabei war. Freund Kapur und ein sechzehnjähriger Hindujunge bildeten
den Rest dieser Mini-Expedition.
Tichy
wollte zwar als indischer Pilger verkleidet das ganz normale, entbehrungsreiche
Leben dieser Menschen auf dem Fußmarsch führen, trotzdem schlug
aber der Europäer in ihm durch und somit der Forscherdrang und das
Bedürfnis, Herausforderungen suchen zu müssen. Der Pilgerweg
führte am 7730 Meter hohen Gurla Mandata vorbei. Den versuchte er
zusammen mit Kitar zu besteigen. Im Alpinstil als Zweierseilschaft, wie
so etwas Jahrzehnte später genannt werden wird. Sie schafften es
auch bis auf 7200 Meter, mussten aber völlig erschöpft und weil
sie sich am falschen Grat befanden, wieder umkehren. Ein neuerlicher Versuch
war unmöglich, da die Gefahr, entdeckt zu werden, zu groß war.
Fast enttarnt wurde er dann beim Fotografieren frommer Pilger, die ein
eindrucksvolles Bild vor der gewaltigen Kulisse des Kailash abgaben. Dem
Statthalter von Westtibet vorgeführt, wanden sich Tichy und seine
Freunde mit viel Witz und Charme aus der gefährlichen Situation,
indem sie statt des Fotoapparats ein Fernglas vorführten. Verzückt
schaute der Herrscher damit auf den Gipfel des heiligen Berges und fragte,
ob man damit die Götter sehen könnte: "Vielleicht ja,
wenn man sehr fromm und sehr geduldig ist."
Schon
in diesem ersten Reisebericht kommt Tichys spätere lebenslange Liebe
zu den asiatischen Ländern und besonders zum Himalaja immer wieder
heraus, genauso wie sein Sarkasmus und seine feine Selbstironie. So beschreibt
er trocken, dass er an manchen Tagen in Afghanistan bis zu 50 Schalen
Tee trinken musste, weil er dauernd irgendwohin eingeladen wurde, oder
dass er bei einem Dorffest der Kopfgeldjäger in den Bergen zwischen
Burma und Indien völlig betrunken vom einheimischen Reiswein alles
nur noch schemenhaft wahrnahm - aber diesen abzulehnen wäre eine
tödliche Beleidigung gewesen.
Wie
schon bei "Cho Oyu - Gnade der Götter" wurde das Buch zusätzlich
zu den Originalfotos der Erstausgabe mit Illustrationen des Wiener Akademieprofessors
Herwig Zens versehen. Ihr großzügiger, geschwungener Strich
lässt beim Leser manchmal eine ähnlich abenteuerliche, eigenartige
Stimmung entstehen, wie Tichy sie damals im Himalaja vorgefunden haben
muss. Im Buch schreibt er zum Beispiel über seine Eindrücke:
"Ich habe mit Kapur während der Zeit, die wir in Tibet verbrachten,
kaum zehn Worte täglich gewechselt. Wir beide waren erschüttert
von dieser Landschaft oder, richtiger gesagt, erschüttert von dem,
was diese Landschaft in uns auslöste."
Die abenteuerliche
Pilgerreise in Verkleidung zum verbotenen Kailash ist für den Leser
auch heute noch eine spannende Geschichte und Höhepunkt des Bandes.
Das Buch und dieser 70 Jahre alte Bericht entführt außerdem
- abseits aller manchmal durchaus Karl-May-haft anmutenden Anekdoten und
Episoden - in eine politisch völlig anders geordnete Welt. Indien
reichte bis zum Khaiberpass und war englisches Vizekönigreich, Pakistan
gab es noch nicht, und die ungeteilte Kaschmir-Region war eine Art autonomes
Gebiet. Afghanistan war kriegerisch und unabhängig, und das damals
unzugängliche Tibet wird erst heute von den Chinesen für den
Tourismus geöffnet. Angesichts der aktuellen weltpolitischen Situation
fasziniert das Buch durch diese Einblicke besonders.
Kommentar:
Bibel
der Reiseliteratur
Tichys
Reiseerzählung würde, erschiene sie erst heute, einen Bestseller
erster Güte landen. Nicht nur, weil Tichy fesselnd und authentisch
wie kein anderer zu erzählen weiß, weil er jenes Nomadentum
vorlebt, das heute unmöglich geworden ist, von dem aber viele von
uns träumen, sondern auch weil sein Buch absoluten weltkulturellen
Vorzeigecharakter hat: Wie er auf die Menschen aller Couleur zugeht, wie
er an deren Leben teilnimmt, ohne zu fordern oder über Gebühr
zu nehmen, wie er das Völker-, Kultur- und Religionsverbindende praktiziert
als wäre es das einfachste der Welt, mit welcher Toleranz er Andersdenkenden
gegenübertritt - all das reiht Tichy in die Reihe der großen
Humanisten und Weltbürger.
Tichys "Zum heiligsten Berg der Welt" ist eine der zeitlosen
Bibeln der Reise- und Abenteuerliteratur, das in jeder Bibliothek stehen
sollte.
Zum
Autor:
Geboren
1912 in Wien in gutbürgerlichen Verhältnissen studiert Herbert
Tichy Geologie und schreibt seine Dissertation über den Himalaya.
Damit findet er eine prächtige Gelegenheit längere Zeit in dieser
ihn so faszinierenden Weltgegend zu verbringen, Von seiner ersten großen
Reise mit Max Reisch nach Indien mit dem Motorrad 1933 bis zu seinem letzten
längeren Aufenthalt in Nepal bei dem österreichischen Architekten
Götz Hagmüller in Bakhtapur 1982 bereist er nicht nur Asien
sondern auch Afrika und Alaska, freundet sich überall mit Einheimischen
aber auch mit anderen Reisenden, fern der Heimat verstreuten Menschen
an, wie Pierre Teilhard de Chardin oder Charles Lindbergh. Herbert Tichy
stirbt 1987 kurz nach seinem 75. Geburtstag in Wien und ist am Waldfriedhof
in Kaltenleutgeben begraben. Er wäre heuer 95 Jahre alt geworden.
Sein Todestag jährt sich heuer zum 20. Mal.
Bezug:
|