Klappentext:
Dieses
Buch stellt eine totografische Zeitreise in die alpine Welt dar. Die Gletscher
der Alpen schwinden. In welch alarmierendem Tempo, das zeigen die Aufnahmen
in diesem Buch.
Postkarten und Fotografien vom Anfang des letzten Jahrhunderts stellt
die Gesellschaft für Ökologische Forschung e.V. aktuellen, aus
der gleichen Perspektive fotografierten Bildern gegenüber. Der Vergleich
zwischen damals und heute ist erschütternd. Doch das Buch illustriert
den Gletscherschwund nicht nur, es informiert auch über Ursachen
und Folgen. Schmelzende Gletscher sind das sichtbarste Zeichen einer globalen
Klimaerwärmung. Mit den Eiskappen verschwindet nicht nur ein Teil
der Schönheit der Alpen, ihr Schrumpfen bringt auch Murenabgänge,
Erdrutsche und Gerölllawinen mit sich, ein wichtiger Wasserspeicher
geht verloren, neue Gletscherseen bedrohen Ortschaften. Mit umfangreichem
historischem und aktuellem Bildmaterial sowie informativen und spannenden
Textbeiträgen legt das Buch "Gletscher im Treibhaus"
Zeugnis ab über eine schwindende Landschaftsform.
Kommentar:
Das
Buch des Jahres
"Gletscher im Treibhaus" ist nicht
nur für mich eindeutig das Buch des Jahres, wurde es doch mit großem
Aufwand, Engagement, aber auch Mut und Geduld hergestellt. Zudem haben
es Wolfgang Zängl und Sylvia Hamberger geschafft, ihre Botschaft
glasklar in Bild zu setzen: Gletscher sind die "Fieberthermometer
der globalen Klimaerwärmung", als Indikatoren sind sie gleichsam
natürlich prädestiniert" (siehe Einleitung S.8). Wie in
vielen Beiträgen des Buches gezeigt wird, "bedeuten eine
globale Erwärmung und ihre Folgen langfristig nicht nur das Ende
der Gletscher, sondern auch eine dramatische Änderungen der Lebensbedingungen
für die Menschen". Klarer kann die Botschaft, die aus den
Aufnahmen spricht, nicht sein.
Wolfgang
Zängl und Sylvia Hamberger haben 5000 alte Abbildungen
(Postkarten, Zeichnungen, Drucke) zusammengetragen und sich jahrelang
auf die Suche nach den Standorten jener Fotografen und Maler gemacht,
die von der Jahrhundertwende bis zur Nachkriegszeit staunend die prächtigen
Gletscher der Alpen auf Zelluloid bzw. Leinwand bannten. Von diesen Standorten
wurden nun aus derselben Perspektive aktuelle Fotos aufgenommen. Probleme,
Strapazen und Wagnisse waren dabei quasi vorprogrammiert - Wetterbedingungen,
schwere Zugänglichkeit der Standorte, Detektivarbeit bei der Auffindung
der Standorte gehörten zum Alltag der Foto-Teams.

Das
Ergebnis ist eine beeindruckende Zeitreise, die nicht nur den Wandel
der Eiswelt zeigt, sondern auch die Entwicklung des Menschen, der Technik,
des Umgangs mit der Natur usw.
Beispiel Gletscher: Von der Imposanz einer Pasterze oder eines
Aletschgletschers z.B. ist wenig geblieben, von vielen mächtigen
und überquellenden Eisflüssen blieben harmlose Bäche oder
glatt geschliffene Felsen, die auf den Bildern wie Stein gewordene Eisfossile
aussehen.
Beispiel Berghütten: Manche zeigen sich heute unverändert
als jene urige Almhütten, die man auf den alten Bildern sieht, manche
erlebten Zu- und Ausbauten, manche verschwanden oder wurden durch neue
ersetzt. Alle aber sind ein großes Stück von den Gletschern
abgerückt, oder besser: die Gletscher von den Hütten.
Zum Umgang mit der Natur: Wo auf den alten Bildern noch Idylle
pur zu sehen ist, durchziehen nun Straßen, Lifte und Pisten die
Landschaft. Aus Wegen sind Hochstraßen, aus Dörfern Ansammlungen
von Hotels, aus Labestationen Parkhäuser mit Kiosken und Restaurants
(siehe Stilfser Joch) geworden. Zeugnisse der Leichtfertigkeit, mit der
der Mensch seit jeher mit der Natur umgeht.
Eine unterschwellig philosophische Dimension bekommen die Aufnahmen, wenn
auf den alten Bildern Menschen zu sehen sind, wie sie entlang der Gletscher
flanieren, wie sie Kühe und Schafe hüten, wie sie sich elegant
gekleidet über Eisschollen tasten - und am aktuellen Bild plötzlich
verschwunden sind. Dann gleicht die Abfolge der Bilder einem Film, dem
man ein Stück herausgeschnitten hat und wo man sich zwangsläufig
fragt: Wer waren diese Menschen? Wo sind sie hin? Was ist mit ihnen passiert?
Dann die Kleidung der alten Wanderer, Touristen, Senner und Hirten!
Die Gamshüte, die Kniebundhosen, die Dirndln! Und erst die Gefährte!
Absolutes Highlight, wo auf einer Straße am Rhonegletscher ein Oldtimer
mit staunend innehaltender Besatzung zu sehen ist, und wo hundert Jahre
später eilig eine Harley Davidson samt Easy Ridern mit fliegenden
Schals zu Tal rauscht. Das so gesehen hochhistorische Buch dokumentiert
nebenbei auch den Untergang einer Zeit, die Zeit unserer Urgroßeltern,
der Senner, Hirten und Bergpioniere.
Den
dicken Bildband wird man nicht bloß durchblättern, man wird
Aufnahme für Aufnahme vergleichen, wird manchen Gletscher, manchen
Weg, manche Hütte wieder erkennen und Erinnerungen an sie knüpfen.
Der junge Betrachter wird staunen, der ältere wird wehmütig
in Zeiten zurückversetzt, als man von der Hüttentür noch
direkt auf den Gletscher steigen konnte, die Hütten noch Hütten
waren und keine Berghotels und als die Berge noch Rückzugsgebiet
und kein Disneyland waren.
So
gesehen ist "Gletscher im Treibhaus" ein zu bewahrender
Schatz, denn auch die Bilder von 2000 werden bald Geschichte sein. Dieser
herrliche Bildband ist ein Zeitzeugnis mit Ewigkeitswert, denn sterben
die Gletscher weiter so rasant, wird nichts anderes von ihnen bleiben
- als Bilder.
Zu
den Autoren:
Sylvia Hamberger, Diplom-Biologin, ökologische Arbeitsschwerpunkte:
Wald und Alpen, Langzeit-Fotodokumentationen, Gründungsmitglied der
Gesellschaft für ökologische Forschung (GÖF), Mitautorin
der Ausstellungen und Kataloge der GÖF, zuletzt Schöne neue
Alpen.
Wolfgang Zängl, Dr. rer.pol., Arbeitsschwerpunkte Energie
und Verkehr. Gründungsmitglied der Gesellschaft für ökologische
Forschung (GÖF). Mitherausgeber von Schöne neue Alpen
(1998) und Autor vieler ökologischer Bücher und Ausstellungen.
Verfing sich immer mehr in den Faszination des Gletscherprojekts.
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