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Gletscher im Treibhaus

Wolfgang Zängl, Sylvia Hamberger

Gletscher im Treibhaus

Eine fotografische Zeitreise in die alpine Eiswelt

2004, Tecklenborg Verlag, ISBN 3-934427-41-3, 272 Seiten

Klappentext:

Dieses Buch stellt eine totografische Zeitreise in die alpine Welt dar. Die Gletscher der Alpen schwinden. In welch alarmierendem Tempo, das zeigen die Aufnahmen in diesem Buch.
Postkarten und Fotografien vom Anfang des letzten Jahrhunderts stellt die Gesellschaft für Ökologische Forschung e.V. aktuellen, aus der gleichen Perspektive fotografierten Bildern gegenüber. Der Vergleich zwischen damals und heute ist erschütternd. Doch das Buch illustriert den Gletscherschwund nicht nur, es informiert auch über Ursachen und Folgen. Schmelzende Gletscher sind das sichtbarste Zeichen einer globalen Klimaerwärmung. Mit den Eiskappen verschwindet nicht nur ein Teil der Schönheit der Alpen, ihr Schrumpfen bringt auch Murenabgänge, Erdrutsche und Gerölllawinen mit sich, ein wichtiger Wasserspeicher geht verloren, neue Gletscherseen bedrohen Ortschaften. Mit umfangreichem historischem und aktuellem Bildmaterial sowie informativen und spannenden Textbeiträgen legt das Buch "Gletscher im Treibhaus" Zeugnis ab über eine schwindende Landschaftsform.


Kommentar:

Das Buch des Jahres

"Gletscher im Treibhaus" ist nicht nur für mich eindeutig das Buch des Jahres, wurde es doch mit großem Aufwand, Engagement, aber auch Mut und Geduld hergestellt. Zudem haben es Wolfgang Zängl und Sylvia Hamberger geschafft, ihre Botschaft glasklar in Bild zu setzen: Gletscher sind die "Fieberthermometer der globalen Klimaerwärmung", als Indikatoren sind sie gleichsam natürlich prädestiniert" (siehe Einleitung S.8). Wie in vielen Beiträgen des Buches gezeigt wird, "bedeuten eine globale Erwärmung und ihre Folgen langfristig nicht nur das Ende der Gletscher, sondern auch eine dramatische Änderungen der Lebensbedingungen für die Menschen". Klarer kann die Botschaft, die aus den Aufnahmen spricht, nicht sein.

Wolfgang Zängl und Sylvia Hamberger haben 5000 alte Abbildungen (Postkarten, Zeichnungen, Drucke) zusammengetragen und sich jahrelang auf die Suche nach den Standorten jener Fotografen und Maler gemacht, die von der Jahrhundertwende bis zur Nachkriegszeit staunend die prächtigen Gletscher der Alpen auf Zelluloid bzw. Leinwand bannten. Von diesen Standorten wurden nun aus derselben Perspektive aktuelle Fotos aufgenommen. Probleme, Strapazen und Wagnisse waren dabei quasi vorprogrammiert - Wetterbedingungen, schwere Zugänglichkeit der Standorte, Detektivarbeit bei der Auffindung der Standorte gehörten zum Alltag der Foto-Teams.

Gletscher im Vergleich

Das Ergebnis ist eine beeindruckende Zeitreise, die nicht nur den Wandel der Eiswelt zeigt, sondern auch die Entwicklung des Menschen, der Technik, des Umgangs mit der Natur usw.
Beispiel Gletscher: Von der Imposanz einer Pasterze oder eines Aletschgletschers z.B. ist wenig geblieben, von vielen mächtigen und überquellenden Eisflüssen blieben harmlose Bäche oder glatt geschliffene Felsen, die auf den Bildern wie Stein gewordene Eisfossile aussehen.
Beispiel Berghütten: Manche zeigen sich heute unverändert als jene urige Almhütten, die man auf den alten Bildern sieht, manche erlebten Zu- und Ausbauten, manche verschwanden oder wurden durch neue ersetzt. Alle aber sind ein großes Stück von den Gletschern abgerückt, oder besser: die Gletscher von den Hütten.
Zum Umgang mit der Natur: Wo auf den alten Bildern noch Idylle pur zu sehen ist, durchziehen nun Straßen, Lifte und Pisten die Landschaft. Aus Wegen sind Hochstraßen, aus Dörfern Ansammlungen von Hotels, aus Labestationen Parkhäuser mit Kiosken und Restaurants (siehe Stilfser Joch) geworden. Zeugnisse der Leichtfertigkeit, mit der der Mensch seit jeher mit der Natur umgeht.
Eine unterschwellig philosophische Dimension bekommen die Aufnahmen, wenn auf den alten Bildern Menschen zu sehen sind, wie sie entlang der Gletscher flanieren, wie sie Kühe und Schafe hüten, wie sie sich elegant gekleidet über Eisschollen tasten - und am aktuellen Bild plötzlich verschwunden sind. Dann gleicht die Abfolge der Bilder einem Film, dem man ein Stück herausgeschnitten hat und wo man sich zwangsläufig fragt: Wer waren diese Menschen? Wo sind sie hin? Was ist mit ihnen passiert?
Dann die Kleidung der alten Wanderer, Touristen, Senner und Hirten! Die Gamshüte, die Kniebundhosen, die Dirndln! Und erst die Gefährte! Absolutes Highlight, wo auf einer Straße am Rhonegletscher ein Oldtimer mit staunend innehaltender Besatzung zu sehen ist, und wo hundert Jahre später eilig eine Harley Davidson samt Easy Ridern mit fliegenden Schals zu Tal rauscht. Das so gesehen hochhistorische Buch dokumentiert nebenbei auch den Untergang einer Zeit, die Zeit unserer Urgroßeltern, der Senner, Hirten und Bergpioniere.

Den dicken Bildband wird man nicht bloß durchblättern, man wird Aufnahme für Aufnahme vergleichen, wird manchen Gletscher, manchen Weg, manche Hütte wieder erkennen und Erinnerungen an sie knüpfen. Der junge Betrachter wird staunen, der ältere wird wehmütig in Zeiten zurückversetzt, als man von der Hüttentür noch direkt auf den Gletscher steigen konnte, die Hütten noch Hütten waren und keine Berghotels und als die Berge noch Rückzugsgebiet und kein Disneyland waren.

So gesehen ist "Gletscher im Treibhaus" ein zu bewahrender Schatz, denn auch die Bilder von 2000 werden bald Geschichte sein. Dieser herrliche Bildband ist ein Zeitzeugnis mit Ewigkeitswert, denn sterben die Gletscher weiter so rasant, wird nichts anderes von ihnen bleiben - als Bilder.


Zu den Autoren:

Sylvia Hamberger, Diplom-Biologin, ökologische Arbeitsschwerpunkte: Wald und Alpen, Langzeit-Fotodokumentationen, Gründungsmitglied der Gesellschaft für ökologische Forschung (GÖF), Mitautorin der Ausstellungen und Kataloge der GÖF, zuletzt Schöne neue Alpen.
Wolfgang Zängl, Dr. rer.pol., Arbeitsschwerpunkte Energie und Verkehr. Gründungsmitglied der Gesellschaft für ökologische Forschung (GÖF). Mitherausgeber von Schöne neue Alpen (1998) und Autor vieler ökologischer Bücher und Ausstellungen. Verfing sich immer mehr in den Faszination des Gletscherprojekts.