1903
wurde unter der Leitung von Dr. Willi Rickmer-Rickmers eine Kaukasus-Expedition
ausgerüstet, an der auch die sehr gewandte Bergsteigerin Cenzi
von
Ficker teilnahm. Das wichtigste Ziel dieser Kundfahrt war die erste
Ersteigung des Uschba-Südgipfels, der eine Seehöhe von 4698
m aufweist.
Der Kaukasus hatte die Bergsteiger schon sehr früh fasziniert.
So konnten beispielsweise bereits 1888 Engländer in der Besengi-Gruppe
den Schchara ersteigen, 1890 stand der Italiener Vittorio Sella auf
dem Zichwarga-Ostgipfel (Laboda- und Sugan-Gruppe) und 1891 erreichten
Gottfried Merzbacher und Ludwig Purtscheller den höchsten Punkt
des Sullukol-Basch in der Dschailük-Gruppe. Der Uschba-Nordgipfel
fiel bereits 1888, der wilde und schwierige Südgipfel war jedoch
noch bis 1903 Neuland.
Der
geschenkte Berg
Rickmers
Expedition wurde jedoch zunächst vom Pech verfolgt. Am 21. Juli
stürzte A. Schulze in der Uschba-Schlusswand als Führender
einige Meter ins Seil. Er zog sich einige Verletzungen zu und musste
abgeseilt werden. Cenzi von Ficker versorgte den Verunglückten,
dann stieg man ins Standlager ab. Doch der zähe Schulze gab sich
nicht so leicht geschlagen, bereits am 26. Juli stand er gemeinsam
mit Helbling, Reichert, Schuster und Weber auf dem Gipfel; die Cenzi
war allerdings nicht dabei. Nur 18 Tage danach gelang dann der Seilschaft
Georg Leuchs, Hans Pfann und Ludwig Distel die erste vollständige
Uschba-Überschreitung von Norden nach Süden. Und dann geschah
etwas Seltsames, in der Chronik des Bergsteigens vollkommen Einmaliges:
Fürst Tatarchan Dadeschkeliani von Swanetien, der vom Können
und vom Mut Cenzi von Fickers tief beeindruckt war, schenkte ihr den
Berg Uschba! (Die Schenkungsurkunde bekam später das alpine Museum
in München.) Ganz ohne Gipfelsieg fuhr die Cenzi damals aber
nicht nach Hause, sie nahm an der ersten Ersteigung des Schtawler
(3976 m) und eines bis dahin namenlosen Gipfels (3860 m) teil, der
ihr als "Tsentsi-Tau" zum ewigen Denkmal wurde.
Cenzi von Ficker, die in eine Innsbrucker Gelehrtenfamilie hineingeboren
wurde, kam durch ihren Bruder Heinz schon früh mit dem Bergsteigen
in Berührung. Über ihn lernte sie zahlreiche Vertreter der
damaligen alpinen Elite wie etwa Anton Schönbichler, Otto Ampferer
oder Karl Berger kennen, die die ebenso hübsche wie talentierte
Cenzi stets gerne auf schwierige Bergtouren im Karwendel und Wetterstein
mitnahmen. 1908 heiratete sie den Wiener Rechtsanwalt Dr. Hannes Sild,
einen gleichfalls sehr bekannten Bergsteiger, der ihren Bruder Heinz
in dessen "führenden" Rolle ablöste.
Der Weltkrieg machte vorerst alle privaten Pläne zunichte. Hannes
Sild kämpfte als Offizier bei den Kaiserjägern erst in Galizien,
dann an der Dolomitenfront, wo er schließlich 1917 so schwer
verwundet wurde, dass er aus dem Kampfgeschehen ausscheiden musste.
Schicksalsschläge
Nach
Kriegsende - Hannes war inzwischen glücklicherweise wieder genesen
- meisterte das Ehepaar die schweren wirtschaftlichen Folgen, die
der Zusammenbruch der Monarchie nach sich zog, und brachte es rasch
zu beruflichem Erfolg und privatem Wohlstand. Die beiden gingen wieder
in die Berge und nahmen dabei auch ihre drei Söhne mit, aus denen
bald ebenfalls tüchtige Bergsteiger wurden.
1937 brach über die bisher so glückliche Familie Sild das
Unglück herein. Im Hochschwab-Gebiet verunglückte der Sohn
Uli tödlich, und wenige Monate später starb der bereits
todkranke Vater Hannes. Im Zweiten Weltkrieg fielen die beiden jüngeren
Söhne Henning und Meinhart, und damit war die Familie Sild -
bis auf die Mutter - ausgelöscht.
In den Folgejahren versuchte Cenzi Sild verzweifelt, der Einsamkeit
zu entfliehen. Noch erfreute sie sich bester Gesundheit, und so zog
sie ins Karwendelhaus, wo sie den mit ihr eng verbundenen Bewirtschaftern
jahrelang eine wertvolle Hilfe war. 1956 erlebte sie urplötzlich
einen totalen Zusammenbruch ihrer Kräfte, von dem sie sich nicht
mehr erholen sollte. Die Familie Dr. Drexel, mit der sie eng befreundet
war, nahm die Schwerkranke auf Burg Stauf bei Nürnberg auf, wo
sie nur sechs Tage vor ihrem 78. Geburtstag friedlich entschlafen
ist.