Unter
Erfrierung versteht man lokale Kälteschäden des Gewebes, z.B.
an den Händen, den Füßen oder den Ohren, die durch ein
einmaliges, intensives Kältetrauma zustande kommen.
Durch extreme Kälte kommt es zur Schädigung der Gefäßwände,
besonders an den Hautgefäßen. Das wieder führt zu einer
"Eindickung" des Blutes und in weiterer Folge zur Kreislaufzentralisation,
also dem Zusammenziehen der kleineren Blutgefäße zugunsten
der Aufrechterhaltung eines notwendigen Blutdruckes für die lebenswichtigen
Organe. Die gefährliche Konsequenz ist eine stark verminderte Durchblutung
der äußeren Körpergebiete, insbesondere der Extremitäten.
Bei Erfrierungen werden drei Schweregrade unterschieden:
- Grad
1:
Durch die Kälteeinwirkung treten Schmerzen, Hautblässe und
scheinbare "Gefühllosigkeit" auf. Die Haut wird weiß,
fallweise kann ein paradoxes Wärmegefühl auftreten, nach Tagen
verfärbt sich die Haut bräunlich und bilden sich evtl. Blasen.
Bei Wiedererwärmung kommt es zur Hautrötung, Juckreiz und
einer folgenlosen Wiederherstellung des Körperteils.
Maßnahmen: Gliedmaßen so schnell wie möglich
wieder erwärmen.
- Grad
2:
Dieser Grad wird erst nach der Wiedererwärmung sichtbar, wenn Blasen
und teilweise Gewebeblutungen auftreten; Rötung, Schwellungen,
Blasenbildung an den Extremitäten durch Schäden in tiefer
gelegenen Gewebeschichten.
- Grad
3:
Durch die Kälteeinwirkung kommt es zu irreparabler Gewebszerstörung
(= "Gewebstod"). Die erfrorenen Gewebeanteile verfärben
sich schwarz-blau, werden hart und "sterben ab". Ob der gesamte
Körperteil erhalten werden kann, hängt vom Ausmaß des
Gewebeschadens ab. Erst nach Wochen ist dieses Ausmaß sicher beurteilbar,
wenn sich eine deutliche Abgrenzung zu lebendem Gewebe (= Demarkation)
herausstellt.
Maßnahmen
bei Grad 2 und 3: So schnell wie möglich zum Arzt oder ins
Krankenhaus. Steht keine schnelle medizinische Hilfe zur Verfügung,
muss vorrangig die Körperkerntemperatur auf über 34° C erhöht
werden, um eine weitere Unterkühlung des gesamten Körpers zu
verhindern. Danach sollte der "erfrorene" Körperteil durch
ein Wasserbad (ca. 37° - 40° C) vorsichtig und langsam erwärmt
werden. Die Einnahme von Schmerzmitteln kann unter Umständen nötig
sein.
Sofortmaßnahmen gegen Erfrierungen vor
Ort (für
Laien):
- Zuerst
allgemeine Wiedererwärmung erfrorener Extremitäten
durch heiße Getränke etc., allerdings auch NUR, wenn eine
neuerliche Erfrierungsgefahr SICHER ausgeschlossen werden kann. Besser
mit Erfrierungen in den Schuhen bleiben und absteigen, als zwischendurch
mit dem "Auftauen" zu beginnen, da man sonst nicht mehr in
die Bergschuhe hineinkäme!
- Vermeidung
weiterer Kälteeinwirkung (trockene Kleidung, Aludecke)
- Nicht
mit Schnee einreiben, nicht massieren, sehr langsam und behutsam
erwärmen. Sehr
stark unterkühlte Personen möglichst überhaupt nicht
bewegen bzw. transportieren. Kaltes Blut gerät in den Kreislauf,
der sich meist schon um die lebenswichtigen Organe zentralisiert hat
(nur mehr absolut lebenswichtige Organe werden durchblutet, siehe auch
Einleitung) und kann zum Multiorganversagen (Herzstillstand, Leber-
und Nierenversagen) führen - "Bergetod".
- Aufwärmen
unter der eigenen oder fremden Achsel, dem wärmsten Ort
des Körpers
- Erfrorene
Extremität aktiv bewegen, aktiv zittern, hüpfen, etc.;
in Bewegung bleiben und nicht einschlafen. Wer nicht mehr zittert, ist
in höchster Unterkühlungsgefahr!
- Sherpas
schwören auf die etwas unkonventionelle, aber doch immer mögliche
Methode der "goldenen Dusche". Wenn gar nichts geht,
drauf pinkeln geht immer ;-) ...
Maßnahmen in warmer Umgebung (Hütte, etc.):
- Heiße,
gezuckerte Getränke einnehmen
- Erfrorenen
Teil durch "Rapid Rewarming" in etwa 35° warmem
Wasser auftauen; dann solange heißes Wasser zugießen, bis
der betroffene Körperteil aufgetaut ist.
- Nötigenfalls
und rechtzeitig Schmerzmittel verabreichen, da die Wiedererwärmung
außerordentlich schmerzhaft sein kann!
- Blasen
- der beste Infektionsschutz! - sollten geschlossen bleiben,
nur sterilen, lockeren, nicht einschnürenden Verband anlegen
- Betroffene
Extremität hochlagern, aber aktiv bewegen
- Möglichst
passiver Abtransport
Was tun, um Erfrierungen zu vermeiden?
- Schwitzen
in der Kälte (Gipfelbereich, Kämme, Grate, windausgesetzte
Passagen) vermeiden, durchschwitzte, nasse Kleidung möglichst
rechtzeitig gegen trockene wechseln (genügend Wechselwäsche
mitnehmen!).
- Atmungsaktive,
winddichte Funktionsbekleidung wählen, die nach dem sog.
Zwiebelprinzip in Schichten angezogen ist.
- Auf ausreichende
Kopfbedeckung achten - bis zu 50 % der Körperwärme
wird über die Kopfregion abgegeben!
- Bei stärkerer
Kälteeinwirkung kann durch das Tragen von Fäustlingen
mehr Wärme der Finger und der Hand erhalten werden als durch das
Tragen von Fingerlingen.
- Schuhe
und Bekleidung sollten nicht zu eng sitzen, luftgefüllte
Zwischenräume isolieren gegen Kälte.
- Die Fußzehen
sollten in den Schuhen stets "spürbar" sein. Besteht
kein "Gefühl" mehr, sollten die Zehen sofort kontrolliert
werden.
- Das Gesicht
sollte besser am Abend als am Morgen gewaschen (natürliche
Fettschicht bleibt erhalten) und mit fetthaltigen Cremes
geschützt werden.
- Auf das
Tragen von metallischen Ohrringen, Piercing etc. sollte
bei längeren Touren abgesehen werden, um Erfrierungen zu vermeiden.
Finger- und Zehennägel sollten gekürzt sein.
- Möglichst
windgeschützte Rastplätze wählen
- In
Bewegung bleiben, kalte Finger und Zehen immer in Bewegung halten
- Wechselhandschuhe
und -mütze sowie Biwaksack für den Fall der Fälle
dabei haben
- Flüssigkeits-
und Energiehaushalt stets ausgleichen, genügend warme
Getränke mitführen
- Kein
Alkohol, kein Nikotin
- Partnercheck
in Risikosituationen (z.B. bei Erschöpfung, großer Kälte,
Sturm), um Erfrierungen rechtzeitig zu erkennen (weiße Haut)
- Gewissenhafte
Touren- und Ausrüstungsplanung: Wie lange dauert die Tour?
Besteht genügend Zeitspielraum? Führt sie über windausgesetzte,
exponierte Passagen? Nord- oder Südseitige Ausrichtung der Tour?
Bin ich für alle Eventualitäten perfekt ausgerüstet?
Wo sind die nächsten Berghütten? Wie wird sich das Wetter
entwickeln?
Und im Fall
des Falles ist es immer vernünftiger rechtzeitig umzukehren, als
dem Gipfel Finger oder Zehen zu opfern.
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