Im
Oktober 2005 ging folgende Meldung um die Welt: "Mount Everest
nach chinesischen Angaben nicht so hoch wie angenommen! Nach den Daten
einer Expedition vom Mai betrage die Höhe über dem Meeresspiegel
8.844,43 Meter, so der Chef des chinesischen Vermessungsamts.
Eine US-Messung hatte 1999 eine Höhe von 8.850 Metern ergeben, eine
chinesische 1975 eine Höhe von 8.848,13 Metern.
Was
nun? Fast im Jahrestakt neue "Höhen" des Everest, neue
Erkenntnisse, neue Verwirrung. Wie hoch ist nun der Everest tatsächlich?
Und wie misst man seine Höhe?
Faktoren
für die Berechnung von Berghöhen
Welche Faktoren
sind nun wichtig zur Vermessung und Berechnung von Berghöhen? Zum
ersten natürlich die Meereshöhe, weiters die Genauigkeit
und Auflösung des Mess-Equipments und des Mareographen,
auf den die Messung referenziert wird, und schließlich die Schneehöhe
am Gipfel eines Berges, die sich im Laufe eines Jahres oft ändert.
- Mareographen
Jede
Höhenmessung bezieht sich auf eine definierte Referenzfläche,
den langjährig gemittelten Pegelstand des Meeresspiegels. Für
Westeuropa ist dies meist Normalnull (NN), der Pegel von Amsterdam.
Andere traditionelle Referenzflächen sind u. a. die Pegel von Genua,
Königsberg (Kaliningrad), Kronstadt (Russland) und Marseille.
Der Unterschied zwischen "Normalnull" und "Meter über
Adria" beträgt je nach Lage im regionalen Höhennetz
bis zu 30 cm. Mareographen zeichnen rund um die Uhr die Meereshöhe
auf. Die Alpenvermessung der Italiener bezieht sich auf den Mareograph
in Genua, die Österreichische auf Triest und die Schweizer Geodäten
referenzieren auf ein Mittel zwischen Genua und Bordeaux. Auch hier
unterscheiden sich die Messungen von Italienern und Schweizern um bis
zu 20 cm.
Daher kann man sich jetzt vorstellen, warum die Messungen der Chinesen
(Mareograph in Quingtao) mit denen der Nepalesen (Karachi - Indischer
Ozean) kaum übereinstimmen können, wenn etwa 6000 km zwischen
den beiden Referenzpunkten liegen!
- Ellipsoid
und Geoid
Die Differenzen zwischen den Meereshöhen resultieren aus der Tatsache,
dass die Masse im Erdinneren nicht gleichmäßig verteilt ist.
Das Wasser passt sich natürlich an und ist im Gleichgewicht. Denkt
man sich die Meeresoberflächen zueinander verbunden, so entsteht
ein Geoid. Die entstehende Oberfläche ist völlig unregelmäßig.
Für GPS wird ein vereinfachtes Modell - das Ellipsoid - verwendet
(Äquatorachse, Polachse und ein Faktor für die Erdabplattung).
Der Unterschied ist die Normale zwischen Ellipsoid und Geoid und dieser
kann mehrere Meter betragen.
1992
wurden von der chinesischen Seite 25,14 Meter für den Everest berechnet.
Nach etlichen Korrekturen werden heute üblicherweise 28,74 Meter
angenommen. Sowohl das elliptische Modell als auch das Geoid sind mittlerweile
sehr exakt anzugeben.
- Würde
man den heute üblichen Wert heranziehen, so würde die Höhe
des Everest nach der chinesisch-italienischen Vermessung (1992) 8852,25
Meter betragen. 1999 wurde die Angabe auf 8850 Meter korrigiert. Heute
weiß man, dass diese Differenz mit unterschiedlichen Schneehöhen
begründet werden kann.
Daher muss
bei der Höhenvermessung die Felsoberfläche mit einbezogen werden.
Zusammenfassung:
- Um
die Höhe eines Berges zu bestimmen, braucht man den Nullpunkt (Meereshöhe).
Verbindet man die über lange Jahre gemittelten Nullpunkte auf der
ganzen Welt, ergibt sich ein unförmiges Ei - das Geoid.
- GPS basiert
aber auf einem idealisierten mathematischen Modell, dem Ellipsoid. Das
Geoid kann vom Rotationsellipsoid bis zu ±100 Meter abweichen.
Hat man also mittels GPS einen Höhenwert ermittelt, muss man die
Differenz zwischen Geoid und Ellipsoid berücksichtigen,
um eine exakte Angabe machen zu können.
- Schneelage:
Einen reproduzierbaren Wert kann man nur dann angeben, wenn man die
Schneehöhe mitberücksichtigt bzw. die Höhe des Felsen
misst.
Wie
hoch ist der Everest?
Die unterschiedlichen
Werte bei der Vermessung des Everest in den 90er Jahren rühren daher
einerseits aus der Bestimmung des Geoids und andererseits aus den unterschiedlichen
Schneelagen her.
Everest
- Mai 2004
Für
die Messung im Mai 2004 wurde ein GPR (Ground Penetrating Radar)
mit einem GPS (Global Positioning System) gekoppelt (Das Gerät
wiegt etwa 4 kg inklusive Batterien, wobei deren Lebensdauer bei ungefähr
7 Stunden liegt). Am
Gipfel wurden 8 Radarprofile mit Abständen zwischen 2 und 4 Metern
aufgenommen, wobei die Profile 1,2 und 3 in unmittelbarer Nähe des
Gipfels lagen.
Claudio Bastrentaz
beim Messen mit dem GPR
Radar-Profile
am Gipfel
Aus diesen
Profilen wurden Computermodelle der Schnee- und Felsoberfläche generiert,
wobei die Schneehöhe zwischen 285 und 370 cm angegeben werden konnte.
Felsprofil
Die
Ergebnisse der Everestvermessung 2004
1) Der absolut
höchste Punkt wurde mit 8852,12+-0,12 Metern ermittelt. An dieser
Stelle war der Fels darunter 8848,40 Meter hoch, Schneehöhe daher
3,7 Meter.
2) Die höchste
Felspunkt lag 8848,82+-0,23 Meter und etwa 1,15 Meter nördlich vom
oben genannten Punkt.
Die größte
Ungenauigkeit fällt dem Radargerät zu, da die Ausbreitungs-geschwindigkeit
der Radarstrahlen im Schnee an Ort und Stelle kalibiriert werden müsste.
Hier wird ein möglicher Fehler von bis zu 20 cm angegeben. Die Fehler
der GPS-Daten liegen im Bereich von wenigen Zentimetern; auch eine Berechnungsungenauigkeit
bei der Auswertung der Radardaten wurde berücksichtigt.
An dieser
Stelle möchten wir Herrn Giorgio Poretti von der Universität
in Triest herzlich danken. Er hat uns eine Menge Infos zukommen lassen
und die Bilder zur Verfügung gestellt.
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