Technik
und Natur auf harmonische Weise verbinden - mit der Semmeringbahn wurde
diese Utopie Wirklichkeit. Sanft und unauffällig schmiegt sich
noch heute die alte Bahn in die Gebirgslandschaft der Wiener Hausberge.
Die
Semmeringbahn wurde schon zu ihrer Zeit als "harmonische Kombination
von Technologie und Natur" angesehen. Bedächtig schlängelt
sie sich entlang steiler Felswände hoch, überquert Brücken
und Viadukte, verschwindet immer wieder in einem der 15 Tunnels und
bietet wunderschöne Ausblicke auf das Semmeringgebiet. Mit der
Erfindung der Eisenbahn war es zum ersten Mal möglich, Strecken,
für die vorher Tagesreisen erforderlich waren, in kurzer Zeit zurückzulegen.
Eines konnte die Eisenbahn aber nicht überwinden das Gebirge!
Erst Erzherzog Johann hatte die Idee, eine Bahnlinie von Wien
nach Triest über den Semmering und nicht über Ungarn zu führen.
1841 erteilte der damalige Staatsminister Karl Friedrich Kübeck
den Auftrag zur Errichtung einer Bahnlinie nach Triest.
Der
Geniestreich Carl von Ghegas
Um
das Problem, wie der Semmering zu überwinden sei, kam es zu einem
heftigen Expertenstreit. Hier schlug die Stunde des technischen Genies
Carl von Ghegas. Der geborene Venezianer konzipierte nach einer
Studienreise in die Vereinigten Staaten die Überschienung des Semmerings
als Adhäsionsbahn, die mit einer wohl durchdachten Linienführung
den Gebirgssattel überqueren sollte. 1848 wurden die Baupläne
für die Semmeringstrecke genehmigt, Carl Ghega bekam die Bauleitung
übertragen. In einer Rekordzeit von nur sechs Jahren wurde
die Semmeringstrecke als die erste vollspurige Bergbahn Europas errichtet.
Schwierige geologische Bedingungen, Schluchten und Bergrücken erschwerten
die Verlegung der Schienenstränge, sodass die zusätzliche
Konstruktion von Tunnels, Viadukten und Brücken unumgänglich
war. Bis zu 20.000 Arbeiter waren mit dem Bau beschäftigt,
ausgestattet mit nur wenigen Baumaschinen und Schwarzpulver von geringer
Sprengkraft.

Etwa
1.000 Menschen verloren durch Unfälle, insbesondere aber
durch Typhus und Cholera, ihr Leben.
Welche
Lok schafft 457 Höhenmeter?
Nun
galt es aber auch noch ein anderes Problem zu lösen, nämlich
eine Dampflokomotive zu finden, die die enorme Steigung über den
Semmering zu überwinden vermochte. Ein Wettbewerb für Gebirgslokomotiven
ließ findige Köpfe vier Lokomotiven (Bavaria, Vindobona,
Wr. Neustadt und Seraing) erfinden, die alle die Anforderungen für
die Semmeringtrasse erfüllten. Wilhelm von Engerth erhielt
den Auftrag, die Pläne der vier Konkurrenz-Lokomotiven aufeinander
abzustimmen. Aus diesen Plänen ging die Serie der für lange
Zeit typischen Semmering-Lokomotiven hervor. Am 23. Oktober 1853
fuhr zum ersten Mal eine Lokomotive über die gesamte Strecke. Am
16. Mai 1854 befuhren der Kaiser und die Kaiserin die Bahnstrecke,
am 17. Juli 1854 konnte die Bahn feierlich eröffnet
und dem allgemeinen Personenverkehr übergeben werden. Bis zum heutigen
Tag hat sich an der Streckenführung nicht viel geändert, nur
der längste Tunnel, der Semmeringtunnel, musste neu gebaut werden.
Durch Wassereinbrüche waren Teile des Tunnels einsturzgefährdet
und so wurde im Jahr 1952 der neue Tunnel mit einer Länge von 1511,5
m eröffnet.

Die
Semmeringbahn überwindet eine, für damalige Verhältnisse
unwahrscheinliche Höhendifferenz von 457 m, der höchste
Punkt liegt auf 896 m. Die Strecke umfasst rund 41 km, 16 Viadukte (davon
mehrere zweistöckig), 15 Tunnels und 100 gemauerte Bogenbrücken
beziehungsweise Eisenbahnbrücken. Auf den Einsatz von Stahl und
Eisen wurde vom Erbauer vollkommen verzichtet.
UNESCO-Welterbe
1998
wurde die Semmeringbahn vom UNESCO-Welterbe-Komitee zum Weltkulturerbe
erklärt, mit der Begründung, dass sie "eine herausragende
technische Lösung eines großen physikalischen Problems in der
Konstruktion früherer Eisenbahnen repräsentiere". Zum
Gedenken an das Genie der Baukunst des Carl Ritter von Ghega steht ein
Denkmal am Bahnhof Semmering. Dieses ist gleichzeitig auch Ausgangspunkt
des Bahnwanderweges.