Das
Tote Gebirge bildet die steinerne Grenze zwischen der Steiermark und
Oberösterreich und formt zugleich einen wesentlichen Bestandteil
des Steirischen Salzkammerguts. Der Name "Totes" Gebirge erscheint
oberflächlich gesehen eigentlich als Widerspruch zum lebendigen,
blühenden Gesicht dieses Bergzuges, besser wäre "weites"
Gebirge. Aus geologischer Sicht allerdings trifft die Bezeichnung doch
zu: Die Landschaft wird nämlich auch von weiten, kargen, vegationslosen
Karstwüsten mit steilen Randabstürzen, Dolinen und Kalkschuttfelder
bestimmt. Auch die durch Eiszeitgletscher aus dem steinigen Boden geschürften
Seen prägen die Landschaft. Die folgend beschriebene, extrem lange
Wanderung verbindet all diese Landschaftselemente: Vom größten
See der Steiermark, dem Grundlsee, führt sie mitten in das Tote
Gebirge mit seinem größten Naturjuwel, dem märchenhaft
gelegenen Vorderen Lahngangsee, über weite Kartstplateaus auf einige
der "weitsichtigsten" Kalkgipfel.
An
sich kann diese Tour de force auch in mehreren Abschnitten absolviert
werden. Die Gehzeiten sind als relativ zu sehen, steckenweise musste
ich doch ein zügigeres Tempo hinlegen, um die Tour vor Tagesende
abschließen zu können.
1. Etappe
Grundlsee-Gößl
(720 m) - Drausengatterl (1380 m) - Vorderer Lahngangsee
(1494 m) - Hinterer Lahngangsee - Elmgrube (1622 m) - Abblasbühel
- Wildgößl (2062 m)
HU
ca.
1350 m / GZ 4-4 ½ Stunden
Unter
uns: Gößl-Grundlsee
Vorderer
Lahngang See
Start
direkt von Gößl (Kirche) am Ostufer des Grundlsees.
Anfangs Richtung Toplitzsee, bis ein Wegweiser "Lahngang Seen"
und "Pühringer Hütte" nach links hinauf leiten.
Durch Laubwald bergauf, kleine Lichtungen eröffnen immer wieder
grandiose Tiefblicke zum Grundl- und Toplitzsee hinab.
Beim
sog. Gößler Schwaiber zweigt links ein Weg zur Gößler
Alm und durch das Längtal Richtung Salzofen ab.
Ein beliebtes Ausflugsziel und empfehlenswerter Abstiegsweg, wenn man
sich mit dem Wildgößl zufrieden gibt. Wir aber Richtung
Pühringer Hütte weiter durch flacheres Gelände.
Ab dem Drausengatterl (1380 m, 1,5 Stunden), einem kleinen Felsjoch,
ist das Tote Gebirge, wie es charakteristischer nicht sein kann: Weit,
felsig, kontrastreich und vor allem erfrischend, kommt doch schon bald
der Vordere Lahngangsee in Sicht. Ein Saumsteig führt bis
unter die steil aufstrebende Graswand, zwischen kleine Dolinen, an Karrenfeldern
vorbei und empor zur Geländerampe des Schafbühels mit
seiner lotrechten Wand. Hier über Karrenfelsen eben weiter und
durch die Mulde zwischen Schafbühel und Graswand
abwärts zum Vorderen Lahngangsee (1494 m). Smaragdgrün,
still und wirklich unberührt liegt er da unter der steilen Graswand-Wand.
Familien mit Kindern tummeln sich juchzend an seinem einst von Gletschern
zugeschliffenen und von Zirben und Lärchen bewachsenen Ufern. Manch
Wasserratte wagt den Sprung ins kühle Bergwasser, einige feiern
hier ein wahres Badefest!
Für Tagesausflüge eignet sich an heißen Augusttagen
dieser sicher schönste Gebirgssee der Steiermark tatsächlich
sehr gut, wenn sich an Grundlsee & Co. die Badegäste gegenseitig
auf die Zehen steigen. Durch
die Steilabstürze gegen jede Erschließung und durch die felsig-steinigen
Ufer gegen Verlandung und Veralgung geschützt, wird das Ufer auch
lange so wildromantisch bleiben.
Wir
müssen aber weiter, so Leid es uns tut. Vom Nordende des Sees führt
ein Pfad in nordöstlicher Richtung an einer Quelle vorbei über
die unbewirtschaftete Lahngangalm zum Hinteren Lahngangsee,
der allerdings unerreichbar weit und steil unter uns liegt.
Von der Elmgrube (Jagdhaus) wären es nun etwa 30 Minuten
zur Pühringer Hütte. Das Tagesprogramm erlaubt aber
(noch) keine Hütteneinkehr. Noch liegen etwa 4,5 Stunden zum Albert
Appel Hausvor uns (3,5 ohne Wildgößl). Durch
Latschen- und Almrosengassen zum Abblasbühel hinauf (Quelle!
Wichtige Tankstelle!), wo der Weg entweder direkt und flach zum Appel
Haus weiterführt oder eben etwas anstrengender über das
Wildgößl, unser erstes Gipfelziel heute. Ein Steig
kurvt über einen steilen Grashang hoch, eine anschließende,
flache Traverse (Wegweiser) auf das Wildgößl (Gipfelbuch,
2062 m). Einmaliger Ausblick auf den Dachstein und die Ausläufer
des Toten Gebirges - und wieder einmal wird klar, dass es besser "Weites"
Gebirge heißen sollte.
Blick
vom Wildgößl auf Dachstein und Totes Gebirge
2. Etappe
Wildgößl
- Redender Stein (1900 m) - Albert Appel Haus (1638 m)
HU
ca.
200 m,
550 m / GZ 3 ½ Stunden
Die
zwei Seiten des Redenden Steins ...
Vom Gipfel
des Wildgößl kurz den W-Grat entlang, bis die Bodenmarkierungen
(Achtung: genau schauen, die Steinmalereien sind nicht immer gut auszumachen!)
nach links hinunter leiten. Nun ständig auf und ab durch hochalpine
Wildnis. Gähnend tiefe Dolinen, "Schlünde",
mahnen zur Vorsicht. Bei der Wiesenlacke (heißt "Lacke",
sieht aus wie eine "Lacke" und ist auch eine.) ein Wegweiser.
Sobald man die ersten Kuhweiden betritt, fällt ein unbezwingbar
scheinenender Felsturm mit Gipfelkreuz auf: Der Redende Stein.
Dort hinauf soll ein Wanderweg führen? Kann sich nur um einen Scherz
der Kartenzeichner handeln. Also weiter und links liegen lassen. Aber
wie das so ist bei den Bergen: Selbst der nach außen hin unnahbar
Scheinende hat eine schwache Seite, so auch unser Redender Stein.
Alles nur Gehabe und Wichtigtuerei, eine potemkinscher Eiger-Nordwand
sozusagen, von Osten her führt nämlich ein gemütlicher
Weg durch Latschengassen hoch zum Gipfelkreuz (15 Minuten).
Weil ich
von Natur aus neugierig bin, höre ich genau hin, was der Redende
Stein so alles redet: "Schon wieder so ein Trottel, der
glaubt, ich sei unbesteigbar und könne reden ...".
Na
ja. Wieder hinunter und durch Wald- und Wiesengelände zum Appel
Haus (45 Minuten). Jetzt aber Pause. Ein Radler und eine herrliche
Gulaschsuppe soll die Gelenke schmieren für den langen Abstieg.
Albert
Appel Haus
3. Etappe
Albert
Appel Haus - Brunnwiesen Alm - Backenstein (1772 m) - Almbergweg
- Kesselbrunn - Grundlsee (708 m) - Nordufer-Hatscher nach Gößl
HU
ca.
150 m,
1000 m / GZ 4 Stunden
Blick
vom Backenstein auf den Grundlsee
Tiefsichtiger
Almbergweg
Abend
am Grundlsee
Der gemütlichste
Abschnitt der Tour folgt nun: Sanft geneigtes Almgelände, durch
das es sich meditativ schlendern lässt bis zu einem Almgatterl,
vor dem links ein Pfad zum Backenstein hochleitet. Diesen Gipfel
noch mitnehmen? Nach fast 1500 m Aufstieg noch etwa 150 drauflegen?
Auf den Backenstein müsse man wegen der Aussicht, heißt
es in den Broschüren, also hinauf, was soll's, schließlich
sind wir auf Urlaub und da wird berggestiegen und nicht gefaulenzt.
Der Pfad führt zuerst über einen steilen Schotterhang, dann
durch ein verwinkeltes Gasselwerk aus Latschen, Felsen und "Schlünden"
(= unentrinnbar tiefe Dolinen!) zur bekreuzten Aussichtskanzel des Backensteins.
Und die Broschüren versprechen nicht zu viel: Das Panorama reicht
vom Grundlsee über die Salzkammergut-Berge bis zu den Schladminger
und Niederen Tauern. So, jetzt reicht's ... noch immer nicht ...
Über einen Höhenkilometer müssen wir noch hinunter -
ein Fest für die Kniegelenke! Vorerst lenkt die imposante Anlage
des Almbergwegs von den beginnenden Kolbenreibern ab. Immerzu
den Grundlsee tief unter sich, eine von Höhlen und dem riesigen
Almbergloch durchsetzte Steilwand vor sich geht's auf schottriger
Rutschbahn bergab bis zu einem Marterl in einer romantisch-stillen Felsecke.
Dann einer Forststraße geduldig nach und einem Wegweiser folgend
an einer Quelle (auf dieser Tour gibt es wahrlich kein Problem mit Frischwasser-Nachschub)
vorbei durch Wald nach Grundlsee hinab. Schnauf.
Wenn hier kein Auto steht, was tun? Bus fährt ab 18 Uhr keiner
mehr und per Autostopp? Unter der Würde eines Extrem-Wanderers.
Also zu Fuß das Nordufer des Grundlsees entlang nach Gößl
zurück latschen? Wie lange denn so Fußmarsch dauere, frage
ich eine Seewirtin: "Jo mei, zwa, zwaraholb Stundn, je noch
dem ...". "Je nach was?" "Je noch
dem, wia schnöll 's bist - hi, hi ..." Sehr lustig. Ich
benötige eine Stunde nach Gößl, aber auch nur,
weil es eher eine schnell zu bewältigende Plage denn eine Lust
ist, ein vollkommen verbautes Ufer über einen betonierten Straßengehweg
in die beginnende Nacht zu latschen. Für den etwas abseits gelegenen,
schöneren Via Artis Grundlsee, dem Künstler- und Promenadenweg,
der die Kultur und Landschaft dieser Region zum Thema hat, ist's schon
zu spät und dunkel.
Was außer Blasen und schmerzenden Knie-Scharnieren bleibt, ist
die Genugtuung, einen perfekten Kreis ergangen, sich über 12 Stunden
und 1700 Höhenmeter richtig ausgetobt und ein herrliches Stück
"Totes", oder besser: "Weites" Gebirge erlebt zu
haben.
Salzkammergut
Der
Name "Salzkammergut" geht auf die schon in der Eisenzeit ensetzende
Salzgewinnung zurück. Da diese Region während der Habsburger
Kaiserzeit der Hofkammer unterstellt war, also "Kammergebiet"
war, ist die Bezeichnung "Salzkammergut" zum historischen
Begriff geworden. Heute dient diese Bezeichnung als geografische Definition
des Raumes, der sich von den Kalkstöcken des Dachsteins, Grimmings
und Toten Gebirges im Süden bis in das offene Alpenvorland erstreckt.
Grundlsee
Der
klare, ungefähr 6 km lange See bietet alle Möglichkeiten,
den Urlaub in erfrischeender Weise zu verbringen. Segler, Taucher, Fischer,
Surfer finden hier alles, was Wassersportlers Herz begehrt.
Wenig
abseits der unberührte Toplitz- und Kammersee. All diese Seen bildeten
den Hintergrund der bekannten Romanze um den volkstümlichen Erzherzog
Johann und seine spätere Gemahlin, die Postmeistertochter Anna
Plochl aus Aussee.
Dolinen
Dolinen
sind kreisrunde Bodenvertiefungen, die wie ein Versickerungstrichter
das Oberflächenwasser ableiten. Diese Schlünde können
mehr oder weniger tief sein, sind also auf jeden Fall zu meiden.
Karre
Als
Karre bezeichnet man die etwa parallel zueinander verlaufenden Steinrinnen,
die aussehen, als ob sie aus den glatten Felsplatten herausgefräst
worden wären.
Schwierigkeiten:
Teilt
man diese Tour auf zwei Tage auf, keinerlei Schwierigkeiten. In einem
absolviert, verlangt diese "Extrem-Wanderung" natürlich
Kondition und Stehvermögen.
Höhenmeter:
Etwa
1700 in Auf- und Abstieg
Gesamtgehzeit:
ca.
11,5-12 Stunden (bei zügiger Gehweise!)
Beste
Jahreszeit:
Juli
bis Mitte Oktober
Kinder:
Für
gehfreudige kleine Wassernixen optimal geeignet der Wegabschnitt bis
zum Vorderen Lahngangsee. Hin- und Rückweg etwa 4-4,5 Stunden.
Vor allem
an heißen August-Tagen ist auch dieser See durchaus schwimmbar.