Die
hier vorgestellte, sehr lohnende Rundtour abseits touristischer Trampelpfade
bleibt ausschließlich Rax-Gourmets vorbehalten; kaum wird man
hier andere Lebewesen treffen als Gämsen und Rehe, die geheimnisvollen
Buchenwälder, die hellen Kalkfelsen und das weite Rax-Plateau -
die so sanften Gesichtszüge der Rax.
Einen
besonderen Reiz übt aber auch die stille Ecke zwischen Edlach,
Großau und Prein aus: Die Zeit scheint hier still
zu stehen, weite Felder, dichte Wälder, dazwischen einzelne Bauerngehöfte
und Siedlungen.
Diesem
Reiz ist auch Heimito von Doderer verfallen, der sich doch oft
und gern am Riegelhof in Prein aufhielt - das Raxmassiv und die
Preinerwand stets vor seinem Fenster. Eben dieser Wand setzte er in
der "Strudlhofstiege"
ein literarisches Denkmal.
Wir
wollen den Spuren folgen, die er dort hinterlassen hat, und zwei jungen
Paaren, die sich anschicken, den "mächtigen Felsen im Walde"
zu erklettern. Unvermutet werden wir dabei auch eine der schönsten
Liebesszenen der österreichischen Literatur erleben - und einen
Hauch Erotik ...
Großau
- Preinerwandsteig - Preinerwandkreuz
2
Stunden/HU: 1000m
Wir
beginnen unsere Tour kurz nach der Ortschaft Großau beim
Wegweiser "Holzknechtsteig", 708m (kleiner Parkplatz).
Von dort folgen wir der roten Markierung entlang dem Großau
Wasser mäßig steil bergauf, bis mehrmals Forststraßen
gekreuzt werden. Etwas deftiger durch Wald, bis wir nach etwa einer
Stunde beim Bachinger-Bründl zur Abzweigung Holzknechtsteig-Preinerwandsteig
gelangen. Wir wählen den rechten Weg, begegnen im folgenden,
mit manchen felsigen Steilstufen versetzten Waldstück keinem
anderen Lebewesen außer einer Gämse, die sich durch unsereins
in keiner Weise stören lässt.
'Man
hört ein Scharren, weil vier Personen einen mächtigen Felsen
im Walde zu erklettern versuchen ... Zwei kommen rasch vorwärts,
... zwei sind noch weit unten: die Pastré und René Stangeler.
Aber der Gymnasiast [alias H. v. Doderer] treibt sie hinauf, hilft
ihr, setzt, unter ihr stehend, ihre Füße, gibt ihr den
nächsten Griff für die
Hand an. Sie muß sich strecken und spreizen.'
(Die Strudlhofstiege, S. 205)
Bald erreichen wir die Baumgrenze, steigen über Schutthalden
höher, an einer ausgehöhlten Wand vorbei, zwischen ihr und
einem Felskopf hinauf, dann auf einen Schuttrücken zu den Felsen
der Preinerwand, wo wir den eigentlichen Beginn des Steiges
erreichen.
'Hier
ist's schon exponiert, gegen die Talseite zu gut fünfzig Meter.
Die Wipfel bleiben zurück. Das Gestein ist mitunter sehr brüchig.'
(S. 205)
Die
Preinerwand ragt imposant und abweisend über unsere Köpfe
hoch - alles Lug und Trug, wie vieles auf der Rax: Bis auf zwei mit
Drahtseilen und Trittstiften gesicherte Passagen gestaltet sich der
Weg relativ leicht (Nichtsdestotrotz sollte bei feuchten Witterungsverhältnissen
oder im Frühjahr, wenn manche Stellen noch schneebedeckt sein
können, aufgepasst werden!). Nach etwa 20 Minuten steilerem Bergauf
queren wir ein glattes, abtriftendes Band (Stahlstifte), die Schlüsselstelle
der Tour.
'Inzwischen
hat es die Pastrè aufgegeben. Sie sagt weich und leise: "Renè,
ich muß zurück. Halten Sie mich". "Ja",
sagt er. Denn auch er hat genug. Nicht vom Klettern und der Assistenz
dabei. Aber von dem immer mehr zunehmenden Beben, Fiebern und Vibrieren
seines eigenen Körpers. ... Er half ihr vorsichtig aus ihrer
Lage. Als sie frei gekommen war, stützte sie sich geradezu auf
ihn, hielt sich kaum mehr am Stein, den Arm um sein Genick, ausruhend,
wie geflüchtet und angelangt, aber aus weiteren Nöten, nicht
nur von dieser zackenreichen Felswand mit dem Grat oben. Dorthin warf
sie jetzt einen Blick. Sie lauscht Dann kam ihr Kopf um zwei Zentimeter
näher gegen ihn und lag nun an seinem Hals. Sie bleiben, wie
sie waren, eine halbe Minute vielleicht. Dann begann er sie zu küssen
und tat jetzt nichts situationsgemäß Verkehrtes, als er
ihr weißes Sporthemd entknöpfelte und mit der rechten Hand
unter ihre linke Brust glitt. Hinunter ließ sie sich beinahe
tragen, es war nicht ganz einfach, sie blieb dicht an ihm, doch glückten
diese ein-und-einhalb Meter bis zum Waldboden. - Sie schrie nur einmal
unterdrückt und kurz auf im Schmerz, dann umklammerte sie René
fest, und nicht nur mit den Armen.' (S. 206)
Haben
wir diese Stelle bewältigt und einen engen Kamin durchstiegen,
betreten wir zwischen Latschen das Hochplateau der Raxalpe.
'Wie
von einem Rollen rings um den ganzen Horizont, einem lautlosen innren
Donner in den sonnigen Himmeln, so wurde in Melzer jeder Raum seiner
Eindrucksfähigkeit eingerannt und dicht gepackt ausgefüllt,
als er auf die Höhe und Plattform des Felsens gelangte, der gegen
die Talseite zu mit gut hundert Metern fast lotrechter Wände
abfiel:
hier
sah man's, worin man lebte, in einer Umgebung, die, an Schweigsamkeit
nicht zu überbieten, sich zugleich unaufhörlich mit Übergewalt
aussprach: Berg an Berg, ferner Fels, an den der Wald unten hinkroch
wie Moos, das Gestein im milchigen Sonnendunst, die Kanten gegen den
lackreinen Himmel in trillernder Schärfe des Lichts abbrechend.
Und Wälder, Wälder dazwischengeschüttet mit ihrer Ferne
und Tiefe, als wären sie nichts, nicht mehr als das gefallene
Tuch um die Füße enthüllten Standbilds.' (S. 206f.)
Nach
wenigen Minuten stehen wir am Gipfel der Preinerwand mit seinem
erst kürzlich errichteten neuen Kreuz, 1783m.
Rax-Plateau
- Jakobskogel - Otto Haus
45
Minuten
Nun
sicher der schönste und angenehmste Teil der Tour, die Schlenderei
über das Plateau der Raxalpe mit eindrucksvollem Panoramablick
über die Gutensteiner und Wiener Voralpen. In sanften
Auf und Ab, über Stock und Stein, vorbei am Weißen Kogel
und der Hohe Kanzel, durch Latschen, über Almwiesen
und mit ständigem Blick ins PreinerTal gelangen
wir zu einer Wegkreuzung. Wen der Hunger zur Hütte treibt, wählt
den rechten, wer noch den Jakobskogel "mitnehmen" will,
den linken.
In
wenigen Minuten haben wir den 1737m hohen Gipfel des Jakobskogels
und die Überreste einer Befestigungsanlage erreicht. Von hier gleich
bergab, vorbei an der fragil aussehenden Wilma-von-Haid-Aussichtsplattform
zum Erzherzog
Otto Haus, 1642m, mit einem Gedenkstein, der an Fritz Benesch
erinnert, einen Erschließer der Wiener Hausberge.
Otto
Haus - Törlweg - Großau
1,5
Stunden
Gleich
unter dem Otto
Haus durchschreiten wir ein hübsches Felstor (Drahtseil),
wovon auch der Name des Steiges herrührt, und schlängeln uns
in steileren und steinigen Serpentinen bergab, wobei man fast glauben
möchte, dass man ein und dieselbe Kurve immer und immer wieder
begeht, sieht doch eine wie die andere aus. So gesehen vermeint man,
sich keinen Schritt weiter zu bewegen. Erst ein Wegweiser "Kleinau-Großau"
bestätigt, dass man doch ein Stück weitergekommen ist.
Ab
hier heißt es aufmerksam zu sein, das Weggewirr kann sonst zu
einem Wegverirr führen. Zwar leiten die grünen Markierungen
gut nach Kleinau-Großau, die gelb markierte Abzweigung Richtung
Großau kurz vor einer Lichtung mit Forststraße kann
jedoch leicht übersehen werden - flugs landet man in Kleinau,
was einen ordentlichen Straßenhatscher zum Ausgangspunkt verursachen
kann. Das letzte Stück verläuft entlang gut gepflegter Felder.
Diese
Wanderung ist nur konditionsstarken, trittsicheren Bergsteigern vorbehalten,
kann aber auch Kindern ab 15 zugetraut werden. Vor allem die
Kletterei auf der Preinerwand, die mühelose Plateau-Wanderei
und das einladende Otto
Haus können diese Tour auch Kindern zum Erlebnis machen.
Die
Orientierung bei Nebel kann auf der Hochfläche äußerst
problematisch sein.
Im
Frühjahr können beim Übergang von der Wand auf das
Plateau noch Wächten vorhanden sein.
Steinschlaghelm
in der Preinerwand!
Wissenswertes:
Der
Törlweg wurde im Zuge der Errichtung des Otto
Hauses gebaut und war lange der klassische Anstieg auf die
Rax-Hochfläche.
Das
von der Sektion Reichenau betreute Otto
Haus wurde 1893 errichtet und gehört zu den meistfrequentierten
Hütten der Rax.
Rax
und Schneeberg waren in der Würm-Eiszeit (100.000-10.000
v.Chr.) voll vergletschert. Vom Schneeberg erstreckte sich
der Eisstrom durch die Breite und Krumme Ries und durch den Schneidergraben
in den Puchberger Talkessel Von der Rax stürzten die Eismassen
ins Große Höllental, ins Naßtal und
in die Prein hinab, wobei der Hölllentalgletscher
fast bis zur Schwarza hinabreichte.