Etappe 1: Schwechat – Donauinsel – Kaisermühlen
Pilgern auf der Donauinsel
Die Donauinsel und die Alte Donau haben im Dezember ihren eigenen Zauber. Es herrscht Stille auf diesen sonst so belebten Brennpunkten des Wiener Freizeitlebens. Flora und Fauna scheinen zu schlafen. Die Sonne geht früh unter und taucht den Fluss und die angrenzenden Naturschutzgebiete in ein pastellfarbenes Abendkleid. Ein Muss für Nachtwanderer!
Der Jakobsweg Wien schließt direkt an den Jakobsweg Wolfsthal-Schwechat an, auf den wir allerdings erst kurz nach dem Startpunkt in Schwechat treffen werden. Offiziell beginnt der Jakobsweg Wien bei der Jakobskirche in Schwechat (Bild links). Dieses sakrale Bauwerk mit dem markanten rosa-weiß gefärbten Barockturm entstand in der Mitte des 18. Jahrhunderts an jener Stelle, an der es vorher eine romanische und später eine gotische Vorgängerkirche stand. Im September 1773 wirkte hier Wolfgang Amadeus Mozart bei einer Festmesse mit, wie eine Tafel am Eingang der Kirche kundtut.
Entlang der Schwechat bis zur Donau
Gegenüber der Kirche erkennen wir auf der anderen Straßenseite einen Häuserdurchgang. Durch diesen gelangen wir auf eine Brücke über den Kalten Gang und zum modernen Rathaus von Schwechat. An diesem vorbei geht’s geradewegs durch den Rathauspark ans Ufer der Schwechat. Ihr folgen wir nun nach rechts in deren Laufrichtung. Etwas eintönig marschieren wir auf Asphalt immer mehr oder weniger nah am Ufer. Nur schnatternde und plantschende Enten beleben das Bild. Rechts von uns erkennen wir die Raffinerie Schwechat. Leider ist es hier weder still, noch ist die Luft sauber. Es riecht nach Öl. Zumindest müssen wir uns den Weg nicht mit Radlern teilen, die hier im Sommer massenweise unterwegs sind. Es wird noch lauter, weil wir zwei Autobahnbrücken unterwandern. Kurz darauf gelangen wir zu einer kleinen Brücke, die uns über die Schwechat führt. Hier mündet der Jakobsweg Römerland Carnuntum (Wolfsthal-Schwechat) in den Jakobsweg Wien. Wir wenden uns nach links und beginnen nun den langweiligsten Wegabschnitt dieser 1. Etappe, nämlich den rund 2,5 km langen Straßen-Marsch (Auf der Ried) auf die riesigen Getreidesilos des Albener Hafens zu. Wir kommen an der "Hafenkneipe" vorbei und schwenken in die Albener Hafenzufahrtsstraße ein. Auch hier lassen Romantik und Naturstille zu wünschen übrig. Nach weiteren fast zwei Straßenkilometern kommen wir zur Autobushaltestelle "Neu Albern" des 76A. Gleich danach, aber noch VOR einer Eisenbahnbrücke biegen wir nach rechts auf einen Asphaltweg ab. Er führt uns längs der Eisbahnbrücke an einem Rastplatz vorbei und kurz danach unter der Brücke hindurch auf einen Treppelweg, der uns entlang des Donaukanals zur nächsten, der Freudenauer Hafenbrücke, leitet (200 m). Über einen Treppenaufgang steigen wir hinauf, wenden uns nach rechts und überqueren den Donaukanal. Weiter die Straße entlang bis zu einer Unterführung. Durch diese hindurch und links. Um uns herum ragen schon die beeindruckenden Bauwerke des Hafens Freudenau in den Himmel. Sie versprechen den nun interessantesten Teil der Etappe. Gleich nach der Unterführung sehen wir vor uns einen einen Treppenaufgang, über den wir auf die Schleusenbrücke des Kraftwerks Freudenau steigen. Diese Brücke führt uns über die wichtigste Stromfabrik Wiens und die Donau.
Am rechten Ende der Staumauer liegen die beiden 275 Meter langen und 24 Meter breiten Schiffsschleusen. Es ist interessant zuzusehen, wie die Donauschiffe die riesigen Schleusen passieren, indem diese entweder mit Wasser gefüllt oder entleert werden, je nachdem in welche Richtung die Schiffe fahren. Gar nicht so weit weg winken der Kahlen- und Leopoldsberg herüber.
Über die Donauinsel nach Kaisermühlen
Weiter auf unserem Jakobsweg Wien! Wir marschieren weiter auf der Schleusenbrücke, bis wir am andren Ufer der Donau nach links hinunter steigen und wir nun den schönsten, stillsten und beschaulichsten Teil der Etappe beginnen können, nämlich die Genusspromenade über die Donauinsel. Dieser beliebte Hausstrand der Wiener gehört im Sommer ganz den Müßiggängern, Sportlern und Genießern, die in diesem Freizeitparadies die Leichtigkeit des Seins zelebrieren. Im Winter allerdings gehört er allein uns Pilgern und Stillesuchern! Und das ist besonders segensreich. Die Donauinsel wurde im Zuge der Hochwasserregulierung der Donau in den Jahren 1972–1988 angelegt. Durch Aufschütten der Donauinsel wurde ein Gerinne parallel zur Donau geschaffen, das im Normalfall ein stehendes Gewässer ist, das aber bei Hochwasser geflutet wird und so Überschwemmungen vermeiden helfen soll. Die Insel selbst bleibt auch bei Hochwasser größtenteils wasserfrei. Neben dem Naherholungsgebiet stellt die Donauinsel auch ein Naturreservat dar, wo sich seltene Vogel und Fischarten, aber zum Teil auch Rehe und Hasen, angesiedelt haben. Das wird augenscheinlich und hörbar, sobald wir kurz nach einem Forsthaus das Naturschutzgebiet Toter Grund passieren. Dieses Feuchtbiotop wurde Heimat unzähliger Tier- und Pflanzenarten, nachdem die Donauinsel das ehemalige Überschwemmungsgebiet als Hochwasserschutz abgelöst hatte. 1986 wurde diese ökologische Nische unter das Wiener Naturschutzgesetz gestellt.
Bemerkenswert sind auch die kleinen, schmucken Hausboote am Ufer, die im Wellengang der Donau schaukeln. Alle sind mit Fischernetzen ausgerüstet, manche mit winzigen Terrassen und Hausgärten. Kleine – versperrte – Brücken führen an Bord. Alle Boote sind verlassen. Wie überhaupt die gesamte Insel.
Verlassene Fischerboote am Ufer der Donauinsel
Die erste Brücke, durch wir vor der Wiener Stadtgrenze passieren, ist eine Eisenbahnbrücke. Auch die nächste, die Praterbrücke, unterqueren wir, halten uns danach halb rechts und tauchen auch unter einer U-Bahnbrücke hindurch. Gleich danach wenden wir uns nach rechts, um am Wehr 1 über die Neue Donau zu marschieren. Beeindruckend der Blick auf die Skyline des "Neuen Wien" mit dem Donauturm, der UNO City, dem Vienna International Centre und der Donau City mit bis zu 220 m hohen Bürotürmen. Dahinter erkennen wir die Silhouette der Wiener Stadtberge, des Leopoldsbergs
und des Kahlenbergs.
An der Neuen Donau beeindruckt der Blick auf das Neue Wien; im Hintergrund der Kahlen- und Leopoldsberg.
Nach der Brücke führt der Weiterweg halbrechts über die Donauufer-Autobahn. Danach folgen wir dem Weg halblinks und sehen vor der "Alten Donau" das Pilgerdenkmal des hl. Koloman, des Stadt- und Stiftsheiligen von Melk sowie Stadtpatrons von Stockerau. Beim Denkmal wenden wir uns nach links und folgen dem Uferweg (Kaisermühlendamm) der Alten Donau. In ihr spiegelt sich die Skyline des Neuen Wiens. Für Jakobspilger, die zum ersten Mal nach Wien kommen, muss dieser Anblick so nah an der Bundeshauptstadt beeindruckend sein.
Traumpanorama am Kaisermühlendamm
Solche, die im Sommer unterwegs sind, finden am Weg auch einige Möglichkeiten, um schwimmen zu gehen oder einfach nur eine Rast einzulegen. Der Uferweg geht nach dem Wiener Ruderklub Pirat in den Schnitterweg über, der uns geradewegs zur Herz-Jesu-Kirche in Kaisermühlen führt, dem Ziel der ersten Etappe. Der Bau der prächtigen Basilika wurde 1885 nach den Plänen des jungen Architekten Alois von Erlach, einen Schüler des Ringstraßenarchitekten Heinrich von Ferstel, begonnen. Es sollte eine prunkvolle italienische Renaissancebasilika mit Unterkirche werden. Die Kosten lagen aber jenseits aller Möglichkeiten der Kaisermühlner Bevölkerung, weshalb auch der geplante Campanile nie erbaut wurde. Der heutige – freistehende – Turm wurde erst 1957 nach Plänen von Architekt Erwin Plevan errichtet und steht unter Denkmalschutz. |