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Mit dem Kanu durch die Donau-Au
Flussmuscheln & Biberspaghetti

Paddeltour durch die Stopfenreuther Au

Juni 2010, Nationalpark Donau-Auen

Text/Bilder: Thomas Rambauske

Intro

Die Donau-Auen, konkret die Donau-Seitenarme bei Stopfenreuth südöstlich von Wien, gehören wohl zu den wertvollsten Naturkostbarkeiten Österreichs. Wie aber diesen undurchdringlichen Dschungel und seine Flusslandschaft erkunden? Am besten mit dem Kanu. Denn nur im sanften Dahingleiten ist es möglich, die Dynamik des Flusses und das Auf und Ab der Wasserstände, die den Lebensrhythmus der Au bestimmen, zu erfahren.

"Bitte alle auf mein Kommando hören und leise paddeln!", instruiert uns die Nationalpark-Rangerin vom Bug des Riesenkanus her. "Leise paddeln deswegen, damit die Fauna um und unter uns nicht allzusehr gestört wird und wir sie auch zu sehen bekommen!"
10 Mann/Frau/Kind haben im Boot Platz gefunden. Die Kleinsten mit Schwimmwesten, jeder Matrose ein Paddel in der Hand, mit dem er das seine zur Fahrt durch die Hainburger Au im wahrsten Sinne des Wortes beisteuern muss. Der richtige Umgang mit dem Gerät ist schnell erlernt: eine Hand am Knauf, die andere etwa in der Mitte, mit einem kräftigen Ruck wird die Schaufel ganz ins Wasser getaucht und durchgezogen. Im Gleichtakt der Paddelschläge erreicht das Boot eine ordentliche Geschwindigkeit. Dennoch schlägt es nur wenig Wellen und ist das leise Gurgeln, wenn die Paddel ins Wasser tauchen, kaum zu hören. Selten auch habe ich unsere an sich so redseligen Kids derart maulstat erlebt. Denn alles um uns ist so anders, so neuartig, so fantastisch.

Paddeln

Ausgehend vom Auen-Informations-Zentrum beim Hochwasserschutzdammin Stopfenreuth gleiten wir also neugierig durch eine der kostbarsten Naturgüter, die Wien hat: die Hainburger Au.

Die Flussau, auch nur Au genannt, ist eine vom wechselnden Hoch- und Niedrigwasser geprägte Niederung entlang eines Baches oder Flusses. Auen stehen als Teil der Flusslandschaft in permanentem Austausch mit dem Fluss selbst und seinem Einzugsgebiet. Die Oberflächenstrukturen und Lebensraumbedingungen werden vorrangig vom Fluss bestimmt. Durch den Wechsel von Überflutung und Trockenfallen sind Auen sehr dynamische Lebensräume mit unterschiedlichsten Standortbedingungen, die mosaikartig untereinander verzahnt sind. Auenökosysteme beherbergen eine große Vielfalt von Pflanzen und Tieren auf engstem Raum.
wikipedia.de

Was uns zuerst auffällt, sind bis zu ihrer Mitte mit Schlamm bedeckte Bäume und Ufersträucher. "Bis fast zwei Meter hoch reichte das Hochwasser der vergangenen Regentage", erklärt uns die Rangerin, "nun ist der Wasserpegel wieder auf normal gesunken". Der ständige Wechsel des Flusspegels gehöre hier zur Tagesordnung und mache eben eine Au aus, deren Wesen vom Wesen eines Flusses bestimmt wird.
Es riecht nach feuchter Erde und brackigem Wasser, nach dem Parfume de la Au sozusagen. Mitunter mischt sich Moschus-Duft dazu, den Biber zur Markierung ihres Reviers einsetzen.
Dem braungrünen Wasser lässt sich nicht bis auf den Grund blicken. Hin und wieder gleiten wir an Teichrosen-Blätter vorbei. "Achtung! Paddel einziehen!", lautet plötzlich das Kommando. Die Rangerin umfährt mit wenigen gekonnten Handgriffen einen vom Wind oder von Bibern gefällten, weit in den Fluss reichenden Baum. Auch er gehört zu den wichtigen Ingredienzien dieses Biotops und dient Fauna und Flora als Lebensraum.
Der dschungelartige, undurchdringliche Auwald um uns macht sich durch seltsame Geräusche, Laute und Rufe bemerkbar. Viele seltene Vogel- und Froscharten lebten hier, mit etwas Geduld könne man Enten, Reiher, Eisvogel und abends Rotwild sehen und hören, erklärt uns die Rangerin. Die Stimmen aus dem Backstage-Bereich des Auwaldes ergeben eine fast gespenstische Hintergrundmusik.

Paddeln

Auwälder sind azonale Waldgesellschaften, die von Überschwemmungen und hohen Grundwasserpegeln stark beeinflusst werden.
Auenökosysteme beherbergen eine große Vielfalt von Pflanzen und Tieren auf engstem Raum.
Die Wälder an der Donau werden in zwei Grundtypen unterschieden: Weiche Au und Harte Au. Diese Begriffe stehen für Weich -und Hartholzarten, die auf Grund ihrer Ansprüche verschiedene Lebensräume besiedeln. Weiden, Pappeln, und Erlen zählen zu den Charakterarten der Weichen Au, die mehrmals im Jahr überschwemmt wird. Eiche, Ahorn, Esche und Linde bilden die Harte Au. Hier sind die Überschwemmungen seltener.
wikipedia.de

Wir gleiten an gefährdeten Baumarten vorbei wie Silberweiden und Schwarzpappeln. "Die Altbaumbestände haben große Bedeutung für die Vogelwelt", erklärt uns die Kapitänin, "vor allem Spechtarten wie Schwarzspechte haben hier ihre helle Freude!". Ob die Au tatsächlich sich selbst überlassen bleibt, fragt die kleine Lena. "Ja, sie bleibt, wie sie ist. Wir greifen nur zum Zweck der Renaturierung ein. Damit sollen durch die Forstwirtschaft vergangener Zeiten eingebrachte Exoten, wie die Robinie und Hybridpappeln, wieder zurückgedrängt werden. Der einzige Baumfäller, der bleiben darf, ist der Biber", lautet die Antwort der Rangerin.
Dessen Spuren sind hier reichlich zu sehen. Gefällte Bäume überall, Rutschbahnen ins Wasser, kleine Dämme. Die Rangerin fischt uns "Biber-Spaghetti" aus dem Wasser – fein säuberlich abgenagte Zweige. Interessant auch die Geschichten von den hier heimischen giftigen Ölkäfern, von jenen Bäumen, an die sich die Au-Besetzer anno 1984 gekettet hatten, um durchzusetzen, dass dieses Natur-Juwel erhalten bleibt, und von jener alten römischen Brücke, deren Mauerreste noch immer am Boden des Donauarms liegen.

Die linksufrig gelegenen Seitenarme der Donau stellen fast ausnahmslos Gewässer des so genannten Verlandungstyps dar. Sie waren einst von der Donau durchströmt. Durch die Verlegung des Hauptstromes und Eingriffe der Donauregulierung sind sie zu Stillgewässern mit üppigem Pflanzenwuchs geworden. Hier finden sich heute die artenreichsten Wasser- und Sumpfpflanzengesellschaften Europas.
Für Wasserinsekten, Amphibien, Sumpfschildkröten und Schlangen sind sie ebenso Lebensraum, wie für eine Vielzahl von Fischarten und diverse Wasservögel wie Rohrdommel und Rohrsänger. Typisch sind weite Schilfbereiche, Teichrosenfelder und verkrautete Verlandungsflächen, die nur zeitweise unter Wasser stehen. Die Ablagerung von Feinsedimenten am Grund der Gewässer trägt zur Verlandung bei.
www.donauauen.at

Landurlaub, bevor der Seitenarm in die "echte" große Donau einmündet! In ihren Strom dürfen wir nicht gelangen, da ein Rudern gegen ihn ein denkbar mühsames, vielleicht sogar unmögliches Unterfangen wäre. An Land stapfen wir betongewöhntes Stadtvolk durch fragiles Schwemmgut aus Holz, Gras und Morast, sodass wir uns vorkommen wie die ersten Menschen auf einem fremden Planeten. Im Sumpf versteckt Flussmuscheln. Muscheln! Und das wenige Kilometer von Wien entfernt! Außen braun, innen aber mit glänzendem Perlmutt tapeziert ziehen sie unsere Kleinsten magisch an. Emsig suchend stapfen sie durch den Morast des Tümpelufers und sammeln, was das Zeug bzw. das Sackerl hält.

NationalparkrangerinMuschelsuchen

Die Flussmuschel kann sich mit Hilfe ihres kräftigen Fußes, ähnlich den Schnecken, erstaunlich schnell fortbewegen oder sich an einer günstigeren Stelle wieder eingraben. Ihren hellen Weichkörper schützen zwei aufklappbare Schalenhälften, die sich mit einem Muskel sehr fest verschließen können. Die elliptisch bis eiförmige Schale kann bis zu 10 cm lang sein und ist nicht ganz doppelt so lang wie hoch. Flussmuscheln sind in ganz Mitteleuropa, mit Ausnahme der Britischen Inseln verbreitet. Im Nationalpark Donau-Auen sind die Große Flussmuschel und die Malermuschel nachgewiesen. Flussmuscheln ernähren sich vor allem von Plankton und feinsten organischen Schwebstoffen, die sie in ihren Kiemen auffangen. Dazu pumpen sie bis zu 20 Liter Wasser pro Stunde durch ihren Körper. Durch die große Biomasse, in großen Flüssen bis zu zwei Drittel, sorgen sie in ihren Wohngewässern für merkbar klareres Wasser. Als sehr langlebige Art kann Unio crassus über 20 Jahre alt werden. Das Frühjahr bis Anfang des Sommers ist die Fortpflanzungszeit für mindestens 4 Jahre alte Tiere. Die Männchen geben Spermien ins Wasser ab, sie werden von den Weibchen mit den Kiemen aufgenommen. Ein erwachsenes Weibchen gibt dann bis zu 50.000 Glochidien (Muschellarven) in das Gewässer ab. Mit etwas Glück werden einige wenige Glochidien über das Atemwasser der Wirtsfische eingesogen, sodass sie sich in den Kiemen festsetzen können; Das gelingt ihnen durch einen Dorn an jeder Seite. Nach einer sechswöchigen Zeit als Parasit in den Wirtsfischen, z.B. Groppe, Döbel, Hasel, wandeln sie sich zu Jungmuscheln um und verkriechen sich im Bodensediment. Diese Phase kann bis zu mehreren Jahren dauern.
www.donauauen.at

Zurück in den Booten sinkt die Nachmittagssonne hinter die Baumkronen und wirft kühlende Schatten über das Wasser. Im letzten Licht des Tages erscheinen die vielen Grünschattierungen des Au-Dschungels noch satter. Wenn der Uferwald mit seinem Spiegelbild im ruhigen Auwasser verfließt, ergibt das ein Gemälde von unbeschreiblicher Schönheit:

Spiegelbild

Müdigkeit macht sich breit. Unsere Jüngsten lehnen sich zurück, lassen die anderen tun. Macht nichts. Geht auch so.
Nach 3-stündiger Fahrt heißt es: Land in Sicht! Wir kehren zurück zum Ausgangspunkt, steigen mit wackeligen Beinen, aber auch erfüllt von Eindrücken, Bildern und Geräuschen aus dem Boot. Wir waren im Urwald! Wem wir das erzählen, wird es nicht glauben. Also muss er sich selbst auf den Weg machen in die Au, in dieses phantastische Märchenland aus Geräuschen, Farben und Gerüchen.


Ausgangspunkt:
Größere Kartenansicht
Ausrüstung:
witterungsangepasste Kleidung wie Regen- oder Sonnenschutz, Gummistiefel, Gelsenschutz sowie ausreichend Getränke
Dauer:
3 Stunden
Kontakt:
SchlossORTH Nationalpark-Zentrum: Schloss Orth, 2304 Orth/Donau, schlossorth@donauauen.at
Internet:
www.donauauen.at

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