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Johann Stüdl__________________________________________________________

Der Glocknerkönig

Von Gerhard Schirmer (Text und Bilder)                                            Zur Übersicht

Johann StüdlJohann Stüdl fühlte sich bis zu seinem Tod aufs Engste mit dem Großglockner verbunden. Ihm und seinem Pioniergeist verdanken wir die Erschließung des Glockners von der Kalserseite aus. Die von ihm initiierte Stüdlhütte dient jenen, die über den prachtvollen Stüdlgrat zum höchsten Berg Österreichs aufsteigen wollen, noch immer als unentbehrlicher Stützpunkt.

Der neue Kalser Weg

Jahrzehntelang galt der Weg der Erstersteiger von Heiligenblut auf den Großglockner als einzige Möglichkeit, den Gipfel zu erreichen. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hatten die Glocknerbesteigungen derart zugenommen, dass sich die Bewohner von Heiligenblut zufrieden die Hände reiben konnten, denn an den Touristen ließ Der Glockner von der Kalser Seitesich gut verdienen. Dass dagegen in Kals das Geschäft nicht so gut lief, erbitterte dieTiroler auf der anderen Seite des Berges und sie beschlossen deshalb, einen eigenen Glockneranstieg zu erkunden. Ihr Blick fiel auf den markanten Südwestgrat dieses Berges, der einen direkten und noch dazu gletscherfreien Weg bis auf den Gipfel hinauf verhieß. Immer wieder steckten die Kalser Bergführer abends beim "Glocknerwirt" die Köpfe zusammen und überlegten die weitere Vorgangsweise. Zunächst musste der Grat auf seine Ersteigbarkeit überprüft werden, und als diese schließlich trotz großer Schwierigkeiten am 10. September 1864 unter Beweis gestellt wurde, war sofort klar, dass dieser Anstieg erst "hergerichtet" werden musste, ehe man ihn - er wurde fortan als "Neuer Kalser Weg" bezeichnet - touristisch vermarkten konnte.

Zwei Wanderer - Johann und Franz Stüdl

1865 stiegen die Führer Michel Groder und Joseph Kerer mit dem Lienzer Ingenieur Egyd Pegger über den neuen Weg zum Großglockner hinauf. Der Techniker war von diesem neuen Anstieg hellauf begeistert und erklärte sich spontan bereit, bei der Errichtung eines Klettersteiges nach besten Kräften mitzuwirken. Zwar machte die Planung rasche Fortschritte, doch trotz verschiedener großzügiger Spenden reichten die finanziellen Mittel kaum für den Ankauf des Baumaterials.
Im Sommer 1867 kamen zwei Wanderer nach Heiligenblut: die Kaufleute Johann und Franz Stüdl aus Prag. Sie wurden von den inzwischen recht hochnäsig gewordenen Bewohnern dieses schönen Ortes nicht gerade herzlich aufgenommen, und so beschlossen die beiden Brüder, Kals zum Ausgangsort ihrer Glocknerbesteigung zu machen. Wie anders gestaltete sich hier der Empfang. Vom Glocknerwirt Johann Groder überaus freundlich begrüßt, kamen die beiden auch bald mit den Tiroler Bergführern zusammen, die sogleich auch die Rede auf den "Neuen Kalser Weg" brachten. Überwältigt von der Freundlichkeit, die man ihm entgegenbrachte, versprach Johann Stüdl spontan, das Vorhaben zu unterstützen. Und der reiche Kaufmann aus Prag hielt Wort.

Die Anfänge der Stüdlhütte

Zugleich erkannte er aber auch, dass die Errichtung einer Schutzhütte unumgänglich war. Bereits am 15. September 1868 konnte in 2800 m Seehöhe eine kleine Unterkunft eröffnet werden, die zwar bloß aus einer Küche und einem Schlafraum bestand, doch die Begeisterung war damals riesengroß. Wir heutigen, durch großzügige Schutzhausbauten verwöhnten Bergsteiger können diese Freude kaum mehr nachempfinden, doch Stüdl, der auch beim Hüttenbau die finanzielle Hauptlast getragen hatte, war überglücklich.
Auch die Arbeiten am Südwestgrat schritten zügig voran. Er wurde mit zahlreichen Eisenstiften und Drahtseilen versehen und konnte schließlich am 5. August 1869 fertig gestellt werden. Leider hat dieser Gratweg die hohen Erwartungen der Kalser nur zu einem geringen Teil erfüllen können, zu anspruchsvoll war er trotz aller eiserner Hilfsmittel für den Durchschnittstouristen. Und so kam es, dass im Laufe der Jahre und Jahrzehnte die Sicherungen des "Stüdlgrates", wie er schon bald genannt wurde, immer mehr verfielen. Heute zählt dieser Anstieg trotz einiger fragmentarischer Sicherungsreste zu den schönsten in der gesamten Glocknergruppe, die Schwierigkeiten erreichen allerdings an mehreren Stellen den 3. Grad, und bei Schneefall oder Vereisung ist er vielen Bergsteigern schon zum Verhängnis geworden.

Die Stüdlhütte 1868
Die Stüdlhütte 1986
Die Stüdlhütte heute
Die Stüdlhütte: ganz oben - 1868, links - 1986, rechts - die Stüdlhütte heute

Der Glocknerherr

Johann Stüdl fühlte sich bis zu seinem Tod aufs Engste mit dem Großglockner verbunden. Besonders die nach ihm benannte Hütte beobachtete er ständig, schlug immer wieder Verbesserungen vor, und es ist letztendlich ihm zu verdanken, dass sich heute an Stelle des ersten kleinen, bescheidenen Hüttchens ein großzügiger Schutzhausbau erhebt, der vor allem jenen, die über den prachtvollen Stüdlgrat zum höchsten Berg unserer Heimat aufsteigen wollen, zum unentbehrlichen Stützpunkt geworden ist. Als "Glocknerherr", wie Stüdl von den Einheimischen bald respektvoll genannt wurde, hat dieser Mann nicht nur die alpine Geschichte entscheidend mitgestaltet, sondern auch durch die Reorganisation des Führerwesens dem Fremdenverkehr dieser Region wichtige Impulse gegeben.

Steckbrief

Johann Stüdl, geboren am 27. Juni 1839 in Prag, gestorben am 29. Jänner 1925 in Salzburg. Sein Grab befindet sich auf dem Salzburger Stadtfriedhof (auf dem auch Ludwig Purtscheller bestattet wurde).
Beruf: Kaufmann

Obwohl Johann Stüdl sehr alt geworden ist, nahm seine bergsteigerische Tätigkeit bloß einen kleinen Teil seines Lebens in Anspruch. "In diesem kurzen Zeitraum erwarb er sich den Kranz des Pioniers, der nicht welken wird, solange die Geschichte die Taten der Bergsteiger verzeichnet", heißt es in einem Nachruf, der 1925 in der Österreichischen Alpenzeitung veröffentlicht wurde. 1867 kam Stüdl erstmals nach Kals und erstieg den Großglockner. Mehrmals versuchte er vergeblich, von der Adlersruhe zur Pasterze abzusteigen. Die Lösung dieser Aufgabe gelang schließlich Carl Hofmann, einem jungen Studenten aus München, mit dem ihn bald eine innige Freundschaft verband. Als Hofmann 1870 im deutsch-französischen Krieg getötet wurde, war Stüdl zutiefst erschüttert. Mit den Führern Thomas Groder und Johann Schnell gelang Stüdl die erste Überschreitung der Unteren Ödwinkelscharte, später stand er als erster Mensch auf dem Schneewinkelkopf, auf der Hohen Riffel, dem Hinteren Bratschenkopf, der Glockerin und dem Großen Bärenkopf. Mit der Ersteigung des Rainerhorns in der Rieserfernergruppe auf neuem Weg beschloss er seine alpine Laufbahn. Er konzentrierte sich fortan in hohem Maß auf seine publizistischen Tätigkeiten, stellte sich aber auch in selbstloser Weise "seiner" Alpenvereinssektion Prag im Bereich der Hütten- und Wegekommission zur Verfügung. "In Johann Stüdl hatten das innerste Wesen, Geist und Physis des Alpinismus in einer persönlichen Erscheinung sich geoffenbart; er war schlechthin das Urbild eines wahrhaften Alpinisten geworden ...", lesen wir in der 1930 erschienenen Festschrift der Sektion Prag des DuÖAV.
An Johann Stüdl, den "Glocknerherrn", erinnern bis heute die hoch über Kals gelegene Stüdlhütte und der Stüdlgrat, der - seit er zu Beginn der sechziger Jahre in die "100 Genussklettereien" von Walter Pause aufgenommen wurde - heute zu den beliebtesten Kletterwegen der Ostalpen zählt.

Der Stüdlgrat
Der Stüdlgrat