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Das wilde Herz ItaliensGran Sasso

Durch die Abruzzen durch das Campo Imperatore bis Capestrano

7-Tages-Tour, August 2008

Text/Bilder: Thomas Rambauske

Campo
Dieses Fleckchen Erde, wo die geschwätzige Welt ihren Atem anhält, ist von berückender Schönheit.

Tag 5

Albergo Campo Imperatore (2135 m) – Sella della ScindarellaFossa di PaganicaSella di Monte CristoMontagna GrandeLago di BariscianoLago di PassanetaSanta Maria del MonteFonte di San ChristoforoFrendaCastel del Monte (1346 m)

HU Pfeil up ca. 500 m, pfeil down ca. 1300 m
GZ 6,5 Stunden

 

Campo

 

 

 

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Seen

Rast

Landschaft

Hotel

Weit, wild, kosmisch – nur einige der Attribute, die für das Campo Imperatore, das kaiserliche Feld, passen. Von der Anmut, von der endlosen Weite, von der sanften Wildheit des Hügellandes geht eine unfassbare Wirkung aus, selbst abgebrühten Landschaftskennern wie mir verschlug es hier die Sprache. Kalkfelsen, Karstmulden, sanft gerundete Hügelkuppen und flache Weiden schaffen ein Bild, das es vielleicht nur noch in den Hochebenen Anatoliens oder in den Anden. Den krönenden Abschluss dieser etwas anderen Tour bildet das malerische Bergdorf Castel del Monte, eines der schönsten Bergdörfer der Abruzzen. Das Campo Imperatore – die wilde Mitte Italiens und sicher der Prunksaal des Gran Sasso Nationalparks!

Wir lassen uns Zeit, schultern erst Mitte Vormittag den Rucksack. Zunächst rechts vom Sessellift hinter dem Hotel in südöstlicher Richtung bergab in eine Senke. Zwei tote Kühe und darüber kreisende Adler verstärken den Eindruck von der Wildheit dieser Landschaft. Kurz bergan in der selben Richtung bis zur Höhe des Hotels, dann am Fuß des Monte della Scindarella über hübsche Wiesenflächen eben dahin gen Südosten, schließlich sanft absteigend über schöne Wiesen, dann etwas steiler bis zu einer Forststraße. Auf dieser zu den Ruinen eines gescheiterten Liftprojekts, des Campo Nevada in der Fossa di Paganica. Der letzte grausliche Anblick dieses Tages. Kurz bergauf bis zur Straße Assergi – Campo Imperatore am Sella di Monte Cristo. Diese übersetzend gleich wieder hinab zu zwei Tränkseen in der sog. Fossetta.
Dahinter die Spuren eines Forstweges – unser Weg. In leichtem Linksbogen in südöstlicher Richtung endgültig aufs kaiserliche Feld, wo schon Stauferkaiser Friedrich II im 13. Jhd. gejagt haben soll. Die Landschaft weitet sich zu einer endlosen Naturbühne, grazil geschwungene Grasberge, auf denen nur hin und wieder einsam ein Baum steht, wenig Flora, alles beherrschend die Farbe Grün des Grases und die Farbe Blau des Himmels. Die lebendige Leere dieser Landschaft fasziniert. "Manch einen mag die karge, eintönige Weite des Campo Imperatore erschrecken. Sanfte Bodenwellen, dolinenartige Mulden und von versiegten Wasserläufen hinterlassene Furchen fügen sich ein in die Monotonie der Fläche, der das auseinandergefaltete Gebirge als Folie dient. Wie unwirtlich, wie lebensfeindlich, so wird man denken. Und doch ist dieses Fleckchen Erde, wo die geschwätzige Welt ihren Atem anhält, von berückender Schönheit", fasst Georg Jung in seinem Buch "Wanderungen in den Abruzzen" die Eindrücke zusammen. "Wo die geschwätzige Welt ihren Atem anhält ...", recht hat er. Hier geht’s um Panorama vs. Meditation, Aussichten vs. Einsichten, innere vs. äußerde Perspektiven. Welch lebendiger Gegenpol zur mineralischen Welt der Steine und Felsen von gestern! Aber auch zur farbenprächtigen Welt von vorgestern! Was vorherrscht, ist die Farbe Grün – diese aber in all ihren Schattierungen und Nuancen.

Campo

Von Hirtenhunden und Schäfern bewachte Schafherden sind die enzigen Lebewesen, denen man hier begegnet. Ein Hirte mit einem Radio um den Hals steht am Weg, will mit uns plaudern, wir verstehen jedoch kein Wort.

Hirte

Ach ja, noch ein Klang, der uns in Erinnerung bleiben wird: das Summen der Fliegen, dies scheint die Musik des Campo Imperatore zu sein, denn sonst herrscht bloß betörende, inspirierende Stille, wie überhaupt diese Landschaft ansteckt mit ihrer Ruhe und Sanftheit. Tatsächlich lenkt nichts von den reinen Formen der klar gegliederten Landschaft ab, alles wirkt monumental, eine einzigartige Szenerie, die mit dem Wort "kaiserlich" gut bezeichnet ist.
Schluss mit der Schwärmere, wir müssen weiter. Flach auf gut erkennbarem und markiertem Weg lange, lange und gemächlich dahin. Wieder werden zwei erdfarbene Lacken (leider keine Badeseen) passiert, der Lago di Barisciano und der Lago die Passaneta, ehe die Ruine des Zisterzienserklosters Santa Maria del Monte wieder menschliche Spuren bezeugen. Danach eine Weggabelung, bei der man sich rechts (geradeaus) und nicht links hält. Etwas bergan, über eine Straße und durch die Senke nördlich des Sella S. Cristoforo. Nun wird’s kompliziert. Sobald eine nach rechts hochziehende gute Forststraße erreicht wird, auf dieser zwischen Cristoforo und Cima di M. Bolza hoch bis zu einem Wasserreservoir und einer Brunnenanlage. Dort dem markierten Weg nach links, kurz über eine Wiese, dann wieder Forststraße. Auf dieser bleiben wir nun stur, selbst dann, wenn ein Pfeil dorthin nach rechts ablenken will, wo kein Weg sichtbar ist. Unterhalb des Cima di M. Bolza immer wieder bergauf, bergab durch die wilde, schöne Landschaft des Frenda weiter. Kornfelder verraten uns, dass wir der Zivilisation näher kommen. Weit rechts thront die alte Burg Rocca Calascio auf einem Felsen. Am letzten Sattel, nach gut 6,5 Stunden Gehzeit, tauchen die ersten Häuser und eine der vielen Kirchen Castel del Montes unter uns auf. Als wir, aus der einsamen Wildnis heraustretend, näher kommen, läuten die Glocken zum Willkomm, und als wir die Kirche erreichen, klingt von innen Kirchengesang durch das offene Tor. Wir fühlen uns auf Anhieb wohl in diesem Bilderbuch-Bergdorf mit seinen Geschäften, seinen Krichen und seinem geruhsamen Leben, wissen, wir werden hier einen Tag länger bleiben als geplant.
Müde von der doch langen Tour genehmigen wir uns in der nächstbesten Bar ein Bierchen und beziehen das bisher sicher schönste Quartier im Hotel Parco Gran Sasso. Der deutschsprachige (!) Hotelmanager hat uns ein Appartement (!) zum Preis eines Doppelzimmers zugewiesen, da das Hotel mit einem Kinderlager gefüllt ist. Auch das ein glücklicher Zufall, wie wir ihn hier nicht zum ersten Mal erlebt haben. Die Abruzzen lieben uns – und wir sie. Den Abend beschließt eine tolle Pizza und ein noch tollerer Wein in der Pizzeria del Lupo. Bevor wir ins Bett sinken, wandern wir noch durch die zauberhafte Altstadt, durch ihre engen Gassen und Treppenwege mit den alten Häusern, dunklen Winkeln und ihrer Stille.

castel del monte
Castel del Monte

Tag 6

Ruhetag in Castel del Monte

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Castel del Monte

Es empfiehlt sich unbegingt einen Ruhetag in Castel del Monte einzulegen. Wenn man dazu das Glück hat, dass dieser auf einen Samstag fällt, erlebt man auch den Markt mit seinen Spezialitäten wie Wein, Salami und Schinken aus heimischer Produktion. Die Frauen besuchen die Kirche, die Männer treffen sich am Hauptplatz zum Plausch. Vom Ort geht eine unglaubliche Magie aus, die Touristen fallen nicht auf, keine Plakate, keine neuen, modernen Gebäude, keine Satellitenanlagen und Antennen, keine Autos – hier lässt sich's leben! Als Ausflugziel empfiehlt sich die Burgruine Rocca Calascio, die höchstgelegene Festung der Abruzzen. Rocca Calascio war schon in der Broncezeit besiedelt, wurde um das Jahr 1000 errichtet und in der Renaissance ausgebaut. Auch Castel del Monte blickt auf eine wechselhafte Geschichte zurück. Anfangs zählte die Stadt zu den Zentren der Schafzucht in den Abruzzen, jedes Jahr zogen Zehntausende von Tieren und Hunderte von Schäfern von hier in die Ebenen Apuliens auf die Winterweiden. Von 1460 bis 1739 stand Castel del Monte wie auch seine benachbarten ortschaften Ofena, Capestrano und Calascio unter toskanischer Herrschaft. Der historische Ortskern mit seinen engen Gassen, Stiegen und uralten Häusern ist sehr gut erhalten, ihn vor allem abends zu durchstreifen, macht Schweigen und Staunen vor Ehrfurcht. Das Dorf, das wirklich wie eine Trutzburg über das Valle del Cornacchiolo wacht, fügt sich, wie auch seine Nachbarorte, harmonisch in die Berglandschaft ein. Wer Zeit hat, sollte es umwandern, aber auch in die Kirchen schauen und es sich schmecken lassen in den guten Restaurants mit ihrer landestypischen Küche.

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In den nächtlichen Straßen und Treppengängen von Castel del Monte

Schwierigkeiten:
Bis auf die mangelhafte Markierung keinerlei Schwierigkeiten. Der Weg ist allerdings immer gut sichtbar und klar vorgegeben. Allein bei einigen Gabelungen sind Karte und Kompass hervorzukramen. Ein weiteres Problem: aggressive Hirtenhunde. Da diese Hunde auf den Schutz ihrer anvertrauten Schafe getrimmt sind, betrachten sie den Wanderer klarerweise als Feind, fletschen die Zähne und bellen Furcht erregend. Dann einfach ruhig und selbstbewusst weitergehen und die Hunderln ignorieren.
Gesamthöhenmeter:
Pfeil up ca. 500 m, pfeil down ca. 1300 m
Gesamtgehzeit:
6,5 Stunden
Beste Jahreszeit:
Die beste Jahreszeit für die Abruzzen ist sicher der kühle, von der blühenden Flora gefärbte Spätfrühling; wer wie wir im Hochsommer unterwegs ist, muss mit Hitze rechnen, die wir aber nicht als quälend empfunden haben.
Ausrüstung:
Einkehrmöglichkeiten:
Unbedingt Proviant mitnehmen! Bis Castel del Monte gibt es keine Einkehrmöglichkeiten.
Karte: