Die
Rottenmanner Tauern in der Obersteiermark bilden die nordöstlichste
Hochgebirgsgruppe der Niederen Tauern. Wer sie in ihrer landschaftlichen
Schönheit und Ganzheit erleben will, sei die Überschreitung
von der Edelrautehütte über den Bösenstein, die Sonntagskarspitze,
Hochhaide bis zur Rottenmanner Hütte empfohlen. Diese allerdings
lange Tour von 7-9 Stunden besteht aus drei Vierteln Gehgelände,
zwischen Großem Bösenstein und Sonntagskarspitze sind kurze
Stellen im Schwierigkeitsgrad I-II und mehrere drahtseilgesicherte Felsaufschwünge
zu meistern. Sonst aber: Prädikat "Must do" ...
1.
Tag: Aufstieg
Trieben
(708 m) – Edelrautehütte (1706 m)
HU
ca. 1000 m / GZ 3 ½ Stunden
(Zugabe:
Großer Hengst, 2159 m) HU
400 m / GZ 1 ¼ Stunden)
Hohentauern
Am Großen Hengst
Wer
sich den folgend beschriebenen Marsch über 1000 Höhenmeter ersparen
will, fährt mit dem PKW von Trieben oder Hohentauern bis zum Parkplatz
am Ende der Mautstraße 10 Minuten vor der Edelrautehütte.
Nachdem
wir jedoch gemäß dem Motto "Wenn schon, dann ordentlich"
eine 2-tägige Überschreitung planen mit Ausgangs- und Endpunkt
in Rottenmann, lassen wir das Gefährt am Bahnhof von Rottenmann
stehen, setzen mit dem Zug nach Trieben über und
marschieren von dort etwa 3 Stunden zur Edelraute Hütte hoch. Die
Strecke ist zwar nicht unbedingt das Gelbe vom alpinen Ei, aber wenigstens
haben wir vor dem morgigen Marathon schon eine Aufwärmrunde in
den Beinen. Anfangs über Straßen durch Trieben, dann an Hohentauern
vorbei bis zu einer Sommerrodelbahn und einer kleinen Siedlung, von
dort auch wieder vorwiegend durch Wald bis zur offenen Fläche bei
der Edelrautehütte. Die liegt allerdings großartig
in einer aus den Bösenstein und Hengst gebildeten alpinen Arena,
die sich nur dem Toten Gebirge zu öffnet.
Wer noch
Zeit und Kondition hat, sollte sich den unschwierigen Aufstieg zum Großen
Hengst (2159 m)nicht entgehen lassen. Die Abendstimmung von diesem
westlichsten Pfeiler der Rottenmanner Tauern ist schon was Feines. Der
Weg von der Hütte weg ergibt sich gleichsam von selbst. Dem Wegweiser
nach über die Wiese und den markierten Sommerweg auf den Südostrücken
unseres Zieles. Anschließend über die immer steiler werdende
Gipfelrampe und durch Latschengassen über die Ostflanke zum Gipfel.
Traumhafter Blick auf Bösenstein, Hochhaide, aber auch zu den Scheibelseen
um die Edelrautehütte. Gehzeit 1 ¼ Stunden.
Blick zur Edelrautehütte und dem
Großen Scheibelsee
Almidylle
um die Edelraute Hütte
2.
Tag: Die Überschreitung
Edelrautehütte
(1706 m) – Großer Bösenstein (2448 m, 2 Stunden)
– Sonntagskarspitze (2.350 m, 1,5-3 Stunden) – Dreistecken
(2.382 m, ½ Stunde) – Hochhaide (2.363 m, 1 Stunde)
– Rottenmanner Hütte (1,5 Stunden) – Rottenmann (1,5
Stunden) (Alternativ zur Rottenmanner Hütte über
Moserspitz, Diewaldgupf und Seegupf; 2 Stunden)
HU
ca. 1000 m / GZ 7-9 Stunden
An den Scheibelseen vorbei
Geschafft! Gipfelankunft an der Sonntagskarspitze
Gemächlich dem Dreistecken entgegen
Auf der Hochhaide
Der
Große Bösenstein, der höchste Gipfel der Rottenmanner
Tauern, zählt zum bevorzugten Ziel der Region.
Apropos Bösenstein: Die längst übliche Schreibweise
ist nicht ganz korrekt, handelt es sich doch nicht um einen "bösen
Stein", vielmehr haben der südlich gelegene Pölsenbach
und das gleichnamige Tal dem Berg einst seinen Namen gegeben. Deswegen
eigentlich: Großer Pölsenstein.
Auf geht’s zur Königstour der Rottenmanner Tauern! Zunächst
von der Edelrautehütte weg am Großen Scheibelsee
vorbei in eine Grasmulde. Schräg bergauf in eine große,
flache Bergstufe und gerade empor an einer Quelle vorbei zum Ansatz
des O-Grates in 1970 m Höhe. Von hier könnte man in 5 Minuten
auf dem flachen Rücken ostwärts zum Gipfelkreuz des Hausecks,
1982 m, marschieren.
Wir sparen aber Energie und triften an der linken Gratflanke schräg
links über die sog. "Rote Rinne" aufwärts.
Von hier in einen flachen Sattel und auf breitem Rücken schräg
rechts auf einen großen Gratabsatz. Nun auf dem schmäler
und steiler werdenden, felsigen Kamm in ein Schartl, 2370 m. An der
Gratflanke dann schräg links weiter, über eine Rippe und
in kurzer Rinne zum Ausstieg nahe rechts vom Gipfelkreuz des Großen
Bösensteins. Der gesamte Weg 946 und R1 ist markiert und
leicht zu bewältigen. (2.448 m, 2 Stunden)
Jetzt folgt
der wohl abenteuerlichste und selektivste Abschnitt der Überschreitung,
nämlich der trotz Sicherungen nicht unschwierige Grat zur Sonntagskarspitze.
Vom Gipfel erst am Grat, dann in der linken Flanke über Schrofen
hinab, über leichte Platten turnend schräg westlich, schließlich
im Zickzack absteigend und drahtseilgesichert bis unter die Höhe
der Jägerscharte. Es folgt ein waagrechter Quergang über
Leisten in die von der Jägerscharte steil herabziehende
Schuttrinne. Bis hierher sollte der glatte, felsige Boden nicht feucht
oder mit Schnee bedeckt sein. Manche Stellen sind so abschüssig,
dass ein Ausrutscher fatal enden kann.
Nun durch
die Rinne auf den Südostgrat der Sonntagskarspitze. Jetzt auf den
ersten Turm und linkerhand eine steile Platte rund fünf Meter wieder
bergab zur ersten, tiefen Kerbe des Grates. Die folgenden Zacken und
Türme werden knapp unter der Grathöhe südlich umgangen,
bis ein steiler Grataufschwung erreicht wird. Dieser wird unmittelbar
an der Kante erstiegen. Nun die Schlüsselstelle: ein steiler, plattiger
Riss. Mit Hilfe eines Drahtseils auf einen Rasenpolster, der schon Gehgelände
verspricht. Der Weiterweg verläuft von hier aus der Schneide entlang,
und weicht in kaum noch nennenswerter Kletterei einmal kurz in die Nordseite
aus. Wir haben es geschafft, nach angestrengten, aber nicht flotten
2,5 Stunden stehen wir am zweiten Gipfel des heutigen Tages.
Der Blick zurück macht Eindruck: Diesen Furcht erregenden Grat
sind wir gegangen? Wo bitte verläuft in diesem Labyrinth aus Türmchen,
Scharten und Graten der Weg?
Das Kriterium
der Tour liegt hinter uns. Locker und entspannt weiter zum nächsten
Ziel: der markanten, dreigipfeligen Gestalt der Dreistecken.
Gemütlicher, aber dennoch leicht gepfeffert über endloses
Auf und Ab. Auf einem Rasen und Schuttkamm bergab in die Scharte oberhalb
des Gefrorenen Sees. Hier könnten wir noch abbrechen und absteigen,
ein Steig biegt rechts zum Gefrorenen See hinab und führt in gut
1,5 Stunden zur Edelrautehütte. Noch lassen wir uns jedoch nicht
abschütteln und erreichen bald den ersten Gipfelzacken, dann den
zweiten, schließlich die mit 2.382 m höchste Erhebung des
Dreigestirns (1/2 Stunden von der Sonntagskarspitze).
Noch aber
ist die Tour nicht zu Ende. 250 schwer verdiente Höhenmeter hinab
zur Moserscharte, ehe es wie auf einer Hochschaubahn rauf und runter über
einen Rasenkamm auf den Gipfel der 2.363 m hohen Hochhaide geht
(1 Stunde). Mit dieser Erhebung ist der nördliche Eckpfeiler des
eigentlichen Dreistreckengrats erreicht. Für den Weiterweg nach Rottenmann
hinunter bieten sich nun zwei Varianten an: Die deutlich längere Variante
1 führt über den nordwestlichen Ausläufer des
Bösensteinzugs weiter über die Erhebungen Moserspitz
(2.330 m), Diewaldgupf (2.125 m) und Seegupf (2.011 m) zur
Rottenmanner Hütte. Wie der sehr lange Strich unter dem i-Punkt droht
dort noch ein elendslangweiliger Straßenhatscher nach Rottenmann
hinab (2-3 Stunden). Variante 2 ist die kürzere: Nach
dem Abstieg über die Westabdachung des Berges hält man sich
rechts und marschiert über die saftigen Wiesen der Singsdorfer-
und Einödalm zur Rottenmanner Hütte oder aber steigt
nach Überquerung des Hirschriedels direkt nach Rottenmann
ab. Nachdem uns schwarze Wolken vom Grat treiben, müssen wir unfreiwillig
Variante 2 einschlagen, womit die Überschreitung unvollendet bleibt.
Aber was soll’s – 9 Stunden Hatscherei sind denn doch genug.
Der
Blick zurück auf die Königstour der Rottenmanner
Die
Edelrautehütte
Ein paar Worte zum Schmuckkastl der Rottenmanner Tauern, der Edelrautehütte
zwischen Großem Bösenstein und Großem Hengst. Einen
besonderen Reiz bieten die nahe gelegenen Scheibelseen. Leider ist die
Hütte über eine Mautstraße auch für Reisebusse
leicht erreichbar, sodass tagsüber nicht unbedingt bergselige Ruhe
herrscht. Dennoch bewältigt das Wirtsteam den Spagat zwischen
Restaurant und Berghütte mit Bravour. Sobald am Abend der letzte
Tagesgast hinter einer Abgaswolke verschwunden ist, verwandelt sich
das turbulente Bergrestaurant in eine heimelige, stille Berghütte.
Wir, ein paar Wander-Seilschaften, waren in der nett eingerichteten
Gaststube unter uns und konnten in aller Ruhe ausgezeichnetes Essen
genießen. Während unseres gesamten Aufenthaltes wurden wir
ausgesprochen freundlich und zuvorkommend bedient. Das Service war zudem
1A, die Preise im üblichen Rahmen, die hygienischen Anlagen blitzsauber,
das Frühstück nicht übermäßig, aber ausreichend,
die Matratzenlager Vorzeigemodelle, gegen die beiden Kampfschnarcher
am Matratzenlager war sowie kein Kraut, Polsterwurf oder Verzweiflungsschrei
gewachsen.
Weiteres Plus der Edelrautehütte: Jede(r) findet hier seine bzw.
ihre Touren. Großer & Kleiner Bösenstein, Großer
Hengst, Scheibelseen, Gefrorener See - Weitgeher und Spaziergänger,
Familien und anspruchsvolle Bergfexe, alle kommen hier im Sommer und
Winter auf ihre Rechnung. Die wohl bekannteste Tour von der Edelraute
aus ist der Rundgang Großer und Kleiner Bösenstein, Langmannweg,
Hengst und zurück zur Hütte. Neben dieser großen Tour
wird von vielen Almwanderern auch der Rundgang um den Großen Scheibelsee,
der auch ein herrliches Fischwasser ist, begangen.
Schwierigkeiten:
Der
Weg von der Edelrautehütte bis zum Gipfel des Großen Bösensteins
ist ohne jedes Problem zu bewältigen. Zwischen Bösenstein und
Sonntagskarspitze sollte der felsige und abschüssige Boden nicht
feucht oder mit Schnee bedeckt sein. Manche Stellen sind so steil, dass
ein Ausrutscher doch fatal enden kann. In vielen Führern wird dieser
Grat mit der Schwierigkeit I-II bewertet. Einige verlässliche
Versicherungen entschärfen allerdings manche Schlüsselstelle
erheblich. 100%ige Trittsicherheit und Schwindelfreiheit
sind hier aber absolute Voraussetzung. Die Länge der Tour von 7-9
Stunden und über 7 km verlangt dazu noch eine gehörige Portion
Gehfestigkeit.
Höhenmeter:
Insgesamt
ca. 2000 in Auf- und Abstieg
Gesamtgehzeit:
ca.
10-12 Stunden
Beste
Jahreszeit:
Hochsommer,
aber auf jeden Fall bei staubtrockenen Verhältnissen
Kinder:
Die
Überschreitung ist für Kinder nicht geeignet. Allein der Große
Hengst und der Bösenstein sind von gehfreudigen Bergkids durchaus
machbar.