Prijut 11 - Pastuchow-Felsen (4.690 m) - Sedlowina-Sattel
(5.376 m) - Elbrus
(5.642 m)
HM
ca. 1550 m / GZ
8 St.
3,5 St.
Achtung:
Rolands Ausrüstung ist für den Elbrus natürlich absolut
nicht zu empfehlen. Bei einem tatsächlichen Schlechtwettereinbruch
hätte das Unternehmen Elbrus mit Lederbergschuhen auch ordentlich
ins Auge gehen können. Erfrierungen aufgrund mangelhafter Ausrüstung
stehen am fast 6.000 m hohen Elbrus auf der Tagesordnung.
Am Pastuchow-Felsen
The Legend: Roland
Foto: Maria Hopfenspirger |
Sternenklarer Himmel um 2.15 Uhr, Windstille, erträgliche Temperaturen.
Josef bleibt nach schlafloser Nacht in der Hütte zurück, Bodyguard Wolfgang sowieso. Frühstück, Aufbruch 3.30 Uhr.
Nun
gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder in reinstem Ratrac-Stil wie
eine japanische Gruppe, die sich bis zu den Pastuchow-Felsen karren
lässt, oder im altmodischen alpinen Stil aus eigener Kraft und
"by fair means". Wir Bergsteiger von gestern (und unsere Geldbörsen)
entscheiden uns für den alpinen Stil und stapfen los über
die Pisten in Richtung Pastuchow-Felsen. "Schlechtwetter vom
Westen in zwei Stunden", prognostiziert Eduard nach sorgenvollem
Blick gen Himmel.
Herrlicher
Sonnenaufgang über dem Kaukasus, schroffe Felszacken schälen
sich aus pastellfarbenem Morgenlicht, Energieriegel Maria stopft
eine Schoko nach dem anderen in sich hinein, Roland tuckelt unruhig
hinter uns her. "Na bitte", denke ich mir, "er
erfriert schon, wird's nie und nimmer schaffen, wie wir es vorausgeahnt
haben."
Nach drei Stunden beim Pastuchow-Felsen. Pause. "Schlechtwetter
vom Westen in zwei Stunden ...", Maria stopft einen Riegel
nach dem anderen ..., Roland zappelt wie ein Erfrierender. "Roland,
du zappelst mir zuviel, wirst uns erfrieren, ich gehe mit dir zurück
...", erbarme ich mich seiner. "Nein, nein, bin nur
ungeduldig", knarrt es aus seinem Bartgestrüpp hervor", "will gar nicht zurück, will nur schneller ..."
Sagt's und ehe ich noch antworten kann, ist er schon weg - fort - eine
Staubwolke ... Um es vorwegzunehmen, Roland, der Mann ohne Furcht und
Tadel, ohne Goretex und Daune, der Mann mit den Luis Trenker-Latschen
und dem Verhüterli-Rucksack, dieser Mann wird uns bis zum Gipfel
um 1 ½ Stunden abhängen, bis zur Rückkehr zur Prijut
nochmals eine Stunde, also insgesamt 2 ½ Stunden, die japanischen
Ratrac-Fahrer sogar um 4 ½ Stunden ... Geh' ma weiter ...
Der
schlimmste Teil ist jener von den Pastuchow-Felsen hoch zur Flanke und
nach links um den Ostgipfel herum zum Sedlowina-Sattel. Das zieht
sich gehörig, zumal die Luft hier erstmals wirklich dünner
wird und der Hang kein Ende nimmt. Die kurze, flache Traverse um den
Aufbau des Ostgipfels herum in den Sattel entspannt ein wenig. Wolkenloser
Himmel, kein Luftzug - "Schlechtwetter vom Westen in zwei Stunden",
so Eduard nach sorgenvollem Blick gen Himmel. Am Sedlowina-Sattel,
5.376 m (unbrauchbare Biwakschachtel, 5-6 Stunden von der Prijut), die
letzte Raststation vor dem langen, anstrengenden Gipfelhang. Erschöpft,
ausgelaugt und durchfroren verschnaufen wir, da kommt uns Roland luftig
frisch vom Gipfel entgegengelaufen. "Super! Kein Problem!",
knarrt es aus seinem Bartgestrüpp hervor, "wunderschön,
wunderbar, toller Ausblick ..." und ist schon wieder weg -
fort - eine Staubwolke. Ich lasse mir seither einen Bart wachsen, habe
meine Plastikschuhe gegen Luis Trenker-Latschen und mein High-Tech-Equipment
gegen Vorkriegs-Schrott eingetauscht.
Der
steilere, etwa 45 Grad geneigte Gipfelhang braucht unsere letzten Energiereserven
auf. Schritt um Schritt geht es höher. 250-300 m oberhalb des Sattels
nach rechts über einen Schneehang und über einfache Felsinseln
auf eine Felsschulter. Eine kurze eisige Stelle, dann endlich das befürchtete
Eduardsche "Schlechtwetter aus dem Westen" - in Gestalt
einer einzigen Wolke. Geduldig dürfte es da irgendwo hinter einem
Felsen auf uns gewartet, uns verstohlen aufgelauert haben wie ein Wegelagerer,
um uns dann kaltblütig und hinterrücks zu überfallen.
Erbarmungslos sitzt uns das "Schlechtwetter aus dem Westen"
dann im Nacken, lässt sich nicht und nicht mehr abschütteln
und folgt uns bis zum Gipfel.
Der
Marsch über das sanfthügelige Plateau zieht sich. "Gleich
sind wir am Gipfel, fünf Minuten noch ...", meint Eduard,
und das alle 15 Minuten. So sind wir Tage, Wochen, Jahre unterwegs,
hanteln uns, gefolgt vom räuberischen "Schlechtwetter aus
dem Westen", von Stange zu Stange. Energieriegel Maria
sind längst die Riegel ausgegangen, mir die Puste, als wir endlich
wirklich am höchsten Punkt Europas stehen, dem Elbrus. In
die Kamera gegrinst, ein paar Vulkansteine eingesammelt, das Panorama
natürlich nicht genossen, weil uns das Schlechtwetter
aus dem Westen die Sicht raubt ... Der Frechheit nicht genug - kaum
haben wir den Gipfel verlassen, klart es auf und bietet sich uns der
eindrucksvollste Ausblick, den wir hier zu Gesicht bekamen.
Unverdrossen
sitzt indes das "Schlechtwetter aus dem Westen" am
Gipfel und lacht sich ins Fäustchen ...
Der Abgang
kurz und schmerzlos, teils am Hintern abgerutscht, teils gelaufen. Im
Hinterkopf nämlich die Idee, heute noch ins Tal abzufahren und die
Kojen für zusammenklappbare Menschen mit den Betten der Pension "Ezen"
zu vertauschen. Wir schaffen es. Bodyguard Wolfgang hat für
uns gepackt, per Pistengerät zur Seilbahnstation und ab durch die
Mitte hinunter nach Cheget. |