2004 war es soweit. Wir, eine Gruppe aus UK, ein Schweizer und ich
als einzige Österreicherin, wollten es wagen - den höchsten
Berg der Arktis, den 3.733 m hohen Gunnbjørn Fjeld im
Winter zu besteigen.

Ankunft
in Island
Schon am Beginn mussten erste Hindernisse überwunden
werden: Geplant war der Abflug am 28. Februar - doch die Grönländische
Polizei wollte uns nicht einreisen lassen, weil es zu gefährlich
sei. Erst nach langen Verhandlungen durften wir schließlich am
14. März fliegen.
In Island kam es zum nächsten Problem. Das
Wetter war zu schlecht, um weiterfliegen zu können. Warten in Isafjordur.
Jeden Tag verfolgten wir gespannt die Wettervorhersage, bis es dann
endlich nach drei Tagen so weit war. Mit einer kleinen Twin Otter
flogen wir an den Fuß des höchsten Berges in den Watkins
Mountains.

Watkins
Mountains
Beeindruckend ragten die Gipfel aus dem ewigen Eis. Schließlich
landeten wir am Gletscher und bauten unser Basecamp auf. Die Sonne schien,
es hatte "warme" -25° Celsius.
Am nächsten Tag morgens stiegen wir gleich über den Gletscher
auf. Ich spurte 5 Stunden durch Bruchharsch, bis wir in 3.000 m die
Ausrüstung deponierten.
Am Morgen des nächsten Tages brachen wir erneut in Richtung Gipfel
auf. Nach drei Stunden erreichten wir unser Depot. Es war jedoch so
kalt, dass wir es nicht wagten, selbst für wenige Augenblicke die
Handschuhe auszuziehen. Danach ging es über einen weiten Rücken
auf einen Grat. Diesen erreichten wir um 14.30 Uhr. Minus -35° C,
ein starker Sturm und der Windchill-Effekt (Erklärung
siehe Kasten unten) verringerten die Temperatur sogar auf etwa -85°!
Unmöglich weiter zu gehen. Wir hätten noch 200 Hm zu bewältigen
über eine zuerst ca. 30° steile Flanke, dann ein Blankeisstück
von etwa 20 m, das von unten aussah, als hätte es eine Neigung
von 50°. Danach würde der Gipfelhang kommen, der völlig
von windgepresstem Schnee bedeckt war. Ob dieser Schnee halten würde
oder ob der ganze Hang samt Vorsteiger abfahren würde, war nicht
ganz klar. Wir deponierten Steigeisen, Pickel, Seile, Sicherungsmaterial
an diesem Felsrücken - wo sie bis heute noch immer liegen.

Der
Gunnbjørn Fjeld, höchster Berg Grönlands, 3.733 m
Was danach kam, lässt sich so beschreiben: Schneesturm, Kälte
bis -45°, Whiteout (Erklärung siehe Kasten
unten). Die Zelte waren fast zur Gänze unter Schnee begraben,
der Gang auf die Toilette eine heroische Tat!
Morgens musste man zuerst den Raureif abputzen, dann Schnee schmelzen,
schließlich warten. Irgendwann am Nachmittag gab es eine Jause
und abends Fertignahrung aus der Alupackung. Die Zeit vertrieb man sich
mit Lesen oder Schachspielen. Wenn der Sturm etwas nachließ, musste
man das Zelt ausschaufeln. Wenn man Glück hatte, konnte man eine
kurze Runde mit Ski gehen - aber nie ohne GPS, da man in der Nebelsuppe
nie mehr zurück fände.
 
Wenn einmal die Sonne durch den Nebel schien, fasste man Hoffnung -
doch vergebens - die sun dogs - Doppelsonnen (Erklärung
siehe Kasten unten) - verhießen nichts Gutes ...

Sundogs
Und tatsächlich. In der Nacht baute sich neuerlich ein Schneesturm
auf. Da tröstete es einen auch nicht, dass wir einmal das Glück
hatten ein ganz tolles Nordlicht zu sehen. Wie ein Sternenvorhang fielen
die Leuchtpunkte herab und riesige Walzen bewegten sich über den
ganzen Himmel.

Sturm am Cone, dem zweithöchsten Berg
Grönlands
Das statische, monotone Liegen im Zelt wurde bald so unerträglich,
dass jeder nur mehr nach Hause wollte. Doch keine Hoffnung. Eine Twin
Otter braucht Sichtflugverhältnisse. Der geplante Abflugtag
verstrich - keine Hoffnung, wir saßen fest. Mittels Satellitentelefon
wurde die Familie benachrichtigt, dass man im Schneesturm festsitze.
Der Rückflug verfiel, das Essen ging zur Neige. Wir hatten noch
Benzin für eine Woche und zum Essen Porridge und Schokolade, die
wir vorher eher verschmäht hatten.

Endlich die Twin Otter!
Endlich! Fünf Tage später lichtete sich die Nebelwand und
die Twin Otter konnte von Akureye kommen. Erleichtert
packten wir zusammen und legten mit den übrig gebliebenen Sachen
noch ein Depot für die nächsten Expeditionen an.
Beim Heimflug zeigt sich Grönland von der schönsten Seite.
Doch zu spät.
Wir haben zwar einen Winterhöhenrekord aufgestellt - noch nie wurde
eine Höhe von 3.500 m im Winter in der Arktis oder Antarktis erreicht
- doch der Gipfel blieb uns versagt und das Material liegt immer noch
auf diesem Felsrücken.
Wir waren nur froh, mit leichten Erfrierungen an den Finger und Zehen
sowie im Gesicht davonzukommen und sicher in die Zivilisation zurückzukehren.
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