Mit
Hocheck, Reisalpe und Unterberg gehört das
Kieneck zu den markantesten Erhebungen der Gutensteiner Alpen.
Die Kammwanderung über das dicht bewaldete Kieneckmassiv bringt
in erster Linie dem naturliebenden und Stille suchenden Wanderer genussreiche
Stunden, denn in punkto Rundsicht gebührt die Krone fraglos dem
etwas höheren Unterberg.
Heute morgen
kommt in diesen Herbst zum ersten Mal der Eisschaber zum Einsatz, um
den Reif von den Scheiben des Autos zu entfernen. Der gefrorene Niederschlag
bedeutet ein gutes Omen für den bevorstehenden Wandertag. Er verspricht
blauen Himmel und Sonnenschein, meist bleibt es aber kühl. Am Treffpunkt
beim Laaberg-Bad erscheinen alle pünktlich zur vereinbarten Zeit.
Unsere Gruppe bildet ein Quartett, davon sind drei Mitglieder in diesen
Forum. Nach kurzer Lagebesprechung fahren wir los, Karin fährt
mit Simon und bei mir nimmt Carina am Beifahrersitz Platz. Mein Auto
würde diese Strecke schon von alleine finden, so vertraut ist mir
diese Route.
Anfahrt
Es bieten
sich zwei Varianten für den Aufstieg zum Kieneck, einen
längeren von der Gemeinde Furth im Triestingtal oder den
kürzeren von Thal im Piestingtal. Die Wahl fällt auf
den zweitgenannten Ort. Wir verlassen die B21 in Piesting in Richtung
Muggendorf und Thal - und Carina freut sich über den Anblick der
Kühe mit ihren Kälbern auf den Weiden. Als Städter kennt
sie diese Tiere nur mehr aus den Medien.
Aufstieg
Um 08.45
Uhr parken wir unsere Autos beim Gasthaus Leitner im kleinen
Ort Thal und besprechen anhand der Wanderkarten, welchen Aufstieg
wir nehmen. Unsere Entscheidung fällt auf den Viehgraben,
den angeblich leichtesten Weg auf das Kieneck. Der Enzian- und
der Mareschsteig fallen somit aus der Wertung.
Endlich
kann es losgehen. Gut gelaunt setzen wir uns beim Feuerwehrhaus
in Thal (595m), wo die rote Markierung beginnt, in Bewegung und
folgen dem Lauf des Atzbaches auf einer Asphaltstraße.
Mehrmals queren wir den Atzbach, dessen kristallklares Wasser
gurgelnd seinen Weg ins Tal nimmt. An der nächsten Weggabelung
steht man nochmals vor der Wahl zwischen dem Viehgraben oder
dem Weidengraben, der zum Mareschsteig führt. Auf den ersten Kilometern
gewinnt man kaum an Höhe, eine Forststraße zieht sich wie
eine Promenade durch den Wald. Sanft schlängelt sich der Weg durch
den Graben, wir sind in bester Stimmung und voller Tatendrang. Heute
habe ich das Gefühl, ich könnte sogar den Everest schaffen
- und einhändig einen Pullover stricken. So scherzen und lachen
wir - ein Team, das sich ausgezeichnet versteht.
Nach
etwa einer halben Stunde ist der erste �Boxenstopp� angesagt. Danach
ziehen wir weiter durch den Viehgraben, bis der erste Anstieg
beginnt. In gemütlichem Tempo marschieren wir gipfelwärts.
Für einige Minuten hört man nur das metallische Klappern der
Wanderstöcke im Geröll. Meter für Meter gewinnen wir
an Höhe, bis ich auf Carina aufmerksam werde. Sie pfaucht
wie eine alte Dampflok, die Steigung scheint sie zu schaffen, ihre Miene
verrät mir den Zustand ihrer Verfassung - die nächste Rast
ist fällig! Schließlich geht es fast nur mehr bergauf, mal
weniger steil, mal mehr. Für kleine Pausen haben wir immer Zeit,
nichts kann unseren Frohsinn trüben.
Die Route 231 erweist sich als doch angenehmer Aufstieg, bis
wir den Matrassteig erreichen. Karin und Carina
haben keine Lust diesen Weg zu gehen, Simon und ich wären
dazu bereit. Zur Freude der beiden Girls bleiben wir also auf den vorgegebenen
Weg. Mit unverminderter Wanderlust trabt ein Quartett den Hang hinauf,
in Gedanken schon in der Enzianhütte. Ein kleiner Abschnitt trennt
uns noch vom Ziel, wir befinden uns bereits am Kirchwaldsattel
auf 983m. Trotz Sonnenschein und bestem Wetter müssen wir
in wärmere Kleidung schlüpfen, weht hier doch ein kaltes Lüftchen,
der aber unsere Laune nicht wegzublasen vermag.
Für
die letzte Etappe müssen wir rechts weiter, der Wanderweg Nummer
622. Eine Gruppe, aus Richtung Unterberg kommend, quert eiligen
Schrittes unseren Weg und verschwindet bald über der Bergkuppe.
In gleichmäßigem Tempo schreiten auch wir unserem Ziel entgegen,
dem Gipfelkreuz des Kienecks. Wir passieren das Kreuz, um bald
die Hütte zu erreichen. Zur linken Seite des Weges teilt sich der
Baumbestand in Föhren, rechts säumen Buchen den Pfad. Dann
steht die Enzianhütte vor uns (1107m). Ein Bernhardiner
liegt vor der Terrasse, die zum Gastraum führt und lässt uns
ein ganz und gar nicht gastfreundliches Misstrauen spüren.
In der
Gaststube verbreitet ein Ofen wohltuende Wärme, was uns Behaglichkeit
vermittelt. Wir lassen uns nieder, um die urig-gemütliche Atmosphäre
der Enzianhütte zu genießen. Die Suppen, Würsteln,
Kaffee und Mehlspeisen schmecken vorzüglich, da denkt vorläufig
niemand an den Abstieg. Nach und nach füllt sich der Gastraum mit
Wandersleuten, bis schließlich kein Platz mehr frei ist. Die Katze
des Hauses hat meine Jacke als Schlafplätzchen erkoren und schnurrt
zufrieden vor sich hin. Ich spiele einige Zeit mit dem Stubentiger,
der mich zu seinem Freund erwählt hat. Als wir uns für den
Aufbruch fertig machen, ist die Katze nicht bereit ihren Platz aufzugeben.
So wechselt sie zu Simon, um seine Jacke zu beschlagnahmen, doch leider
widerfährt ihr das gleiche Schicksal wie vorhin. Dann müssen
eben die nächsten Gäste herhalten und schon findet sie eine
neue Bleibe. Eine Katze müsste man sein!
Abstieg
Um 12.50
Uhr treten wir den Rückweg an. Das Wetter bleibt unverändert
schön, strahlend blauer Himmel und die Sonne wachen über unseren
Wandertag. Mit flotten Schritten geht es nun den Berg hinab. Wir verweilen
öfters, um das herrliche Bergpanorama zu bewundern. Wären
wir in einen kitschigen Bergfilm, würden wir sogar ein Wanderlied
trällern. Ich glaube aber, das würde das letzte Laub von den
Bäumen holen. Auf einer sonnseitigen Bank genehmigen wir uns eine
letzte Pause vor dem Weg ins Tal. Kleine witzige Geschichten aus dem
Leben tragen zur Erheiterung der Gruppe bei. Nach 20 Minuten Rast marschieren
wir weiter und erreichen jene Gabelung, wo der Atzbach nach Thal
fließt. Wir gelangen nun auf die asphaltierte Straße, die
ersten Häuser rücken in unser Blickfeld. Die Weideflächen
mit grasenden Kühen liegen vor uns, während sich der Wald
lichtet. Um 14.50 Uhr stehen wir wieder am Parkplatz beim Gasthaus
Leitner.
Wir wollen unser Erlebnis jedoch nicht so abrupt beenden und kehren
ins oben genannte Wirtshaus ein. Bei Kaffee und Mehlspeise lassen wir
die Eindrücke des Wandertags nochmals vorüberziehen. Doch
irgendwann endet auch der schönste Tag und wir verabschieden uns
am Parkplatz voneinander.
Eines
ist gewiss, wir werden uns wieder zu einer Wanderung treffen!
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