Wer
den Schneeberg in seiner Ganzheit ergehen will, sei diese
Tour empfohlen: aus dem romantischen Höllental durch die
tiefe Felsschlucht der Weichtalklamm, durch märchenhafte
(Ur-)Wälder, die Latschengassen des Grafensteigs, über
die mit Enzian bedeckten Almmatten des Hochplateaus, bis zum breiten
Gipfeltisch des Klosterwappens - alle Gesichter, alle Eigenarten,
alle Charakterzüge dieses alpinen Universums. All das jedoch nicht
unbedingt zum Sondertarif - 1500 Höhenmeter, 7-8 Stunden Gehzeit
- eine Tour nicht für Normalverbraucher, sondern für den alpinen
Fünfkämpfer.
Die
Weichtalklamm, der Mittelpunkt der hier vorgestellten Tour, gehört
zu den eindrucksvollsten Naturbildungen des Wiener Voralpengebietes:
geheimnisvolle Spalten, zünftige Kletterstellen, senkrechte Kalkwände
- die Hinterlassenschaft eines Flusses, der vor langer Zeit jene Schlucht
aus dem Felsen gefressen hat. Ein MUSS für jeden Ostalpler!
Zunächst
folgen wir der roten Markierung durch das ausgetrocknete Bachbett aufwärts.
Nach einer Talverflachung (30 Minuten) gelangen wir zu einer etwa 80m
hohen Felswand, die wir durch einen nur wenig breiten Spalt durchsteigen
(Leiter). Wir erreichen den eigentlichen Beginn und eindrucksvollsten
Teil der Klamm. Über eine Leiter klettern wir in einen Schlund,
dann öffnet sich der Graben, bis eine weitere felsige Engstelle
folgt. Nun über eine Eisenleiter (+ Kette) in eine höhlenartige
Nische, von hier an über Stufen (eingemeißelte Tritte, Ketten),
Flachstücke, durch Wald und dunkle Felswinkel zu einer Forststraße
und zum Ende der Weichtalklamm.
Nun
gleich rechts in den Wald, zur nahen Jakobsquelle und zügig
zur Kienthaler
Hütte (1380m). Diese am Fuß des Turmsteins
(1416m, Klettersteig B, sehr luftige O-Kante, 5 Minuten, Gipfelkreuz)
gelegene Hütte wird von einzelnen Familien geführt, die sich
bei der Bewirtschaftung abwechseln. Eine Rast zahlt sich hier auf jeden
Fall aus, folgt doch noch ein gehöriges Stück Weg.
Von
der Hütte wenden wir uns in südöstliche Richtung zunächst
durch Wald, Geröllrinnen, dann unter den Felsaufschwüngen
der Schönleitenmauer zur Lichtung der Schönleiten.
In einem Linksbogen um den Rücken der Schönleiten Schneide
und fast eben in den Kolingraben. Hier sieht man auch schon das
Pottschacher Kreuz am Gipfelgrat. Durch Latschenfelder zu einer
Kehre am oberen Ende des Lärchkogelgrates. Dieser Abschnitt
des Weges ist sicher der lohnendste, da gilt es zu schauen und Kraft
zu sammeln für den nun folgenden Schlussanstieg. Dorthin, in nordöstliche
Richtung, lenkt uns ein Wegweiser (Achtung! Zur Zeit der Begehung
im Juni 2002 lag dieser Wegweiser hinter einem umgestürzten Baum
versteckt. Leicht zu übersehen!).
In
Serpentinen bergan in den latschenbedeckten Aufschwung der Stadelwandleiten,
dann über Geröll zu einem schrofigen Abschnitt, endlich unseren
Gipfel vor Augen durchschlendern wir die mit Enzianen übersäten
Rasenflächen des Hochplateaus, kommen am Pottschacher Kreuz
vorbei, der letzte Steilaufschwung auf das Klosterwappen zehrt
schon ordentlich an unseren Kräften, bis man sie endlich erreicht
hat, die hässlichen Sendeanlagen am Gipfel. Man erträgt sie
angesichts des grandiosen Rundblicks auf Rax,
Schneealpe und Hochschwab.
Die
Tour ist aber lange nicht zu Ende, noch warten 1500 Höhenmeter
Abstieg! Zunächst über den "Normalweg", den steinigen
und rutschigen Rücken bergab, dann durch Latschengewirr und Almmatten
in dichter werdenden Wald, ehe man nach etwa 1 1/4 Stunden die Kienthaler
Hütte erreicht.
Von
hier zurück zu jener Forststraße, wo sich Weichtalklamm
und Ferdinand-Mayr-Weg kreuzen. Wir halten uns eine Weile auf
der Forststraße, bis ein Schild zum Ferdinand-Mayr-Weg weist.
Sanft in Serpentinen, also knieschonend durch schönen Laubwald
und Lichtungen. Nach etwa 2,5 Stunden treffen wir beim Weichtalhaus
ein und haben diese Expedition durch das alpine Universum des Schneebergs
geschafft.
Diese
Wanderung ist nur konditionsstarken, trittsicheren Bergsteigern vorbehalten.
Sämtliche Teilabschnitte können allerdings auch einzeln
und mit Kindern absolviert werden: Vor allem die Weichtalklamm
mit ihren kurzen, aber zünftigen Kletterstellen birgt unvergessliche
Genüsse für kleine Abenteurer.
Die
Orientierung bei Nebel kann vor allem auf der Hochfläche äußerst
problematisch sein.
Das
Weichtalhaus
an der Schwarza bietet neben seinem eindrucksvollen "rauschenden"
Ambiente auch hervorragende Fischköstlichkeiten.
Wissenswertes:
Die
erste dokumentierte Besteigung des Schneebergs gelang Charles
de l'Ecluse (Carolus Clusius). Er bestieg diesen Berg aus naturwissenschaftlichen
Gründen, nämlich um die österreichische Flora er zu erkunden.
Das einschneidende Ereignis für die massentouristische Erschließung
des Schneebergs war 1897 die Eröffnung der Schneebergbahn
von Wr. Neustadt nach Puchberg
am Schneeberg und der Zahnradbahn von Puchberg
zum Hochschneeberg.
Der
Name "Klosterwappen" rührt vom Wappen der geistlichen
Herren von Reichenau her, das im Gipfelfelsen eingeschlagen war.
Vorher wurde der Gipfel "Hoher Schneeberg" oder "Alpengipfel"
genannt.
Die
Weichtalklamm wurde erstmals am 1880 touristisch begangen. Vorher
diente sie Jägern als Durchstieg, man sprach auch von einem "halb
Drachenschlund - halb Blumengrund". An seinem Eingang war auf
einer Tafel zu lesen:
"Weichtalklamm
- der das Genick brechende Aufstieg zum Schneeberg beginnt!"
Das
original erhaltene Weichtalhaus
wurde zwischen 1922 und 1924 von den Naturfreunden
Wien erbaut. Das Motto, dem sie sich verschrieben hat - "aktiv
im schönsten Tal der Welt" - umreißt die wichtigsten
Angebote des Höllentals: Klettern in allen Schwierigkeitsgraden,
Wanderungen, Radtouren, Rafting und Kajakfahren auf der Schwarza.