Ja,
es gibt sie, die alpinen Lotto-6er! Traumtouren, die sich für immer
in die Erinnerung eingraben, weil bei ihnen alles zusammenpasst: innere
und äußere Stimmung, Wetter und Mondphase, Wegführung
und so viel Kostbarkeiten am Wegesrand, dass man damit ein Kunstmuseum
füllen könnte. Meist passieren solche Touren unvermutet, man
schlittert in sie hinein, ohne dass man damit rechnet, marschiert mit
leerem Gemüt los und kehrt vollgepackt mit Glückmomenten zurück.
So mir geschehen an einem ganz normalen Jännersamstag. Nebel in
der Stadt, eher unlustiger Aufbruch zur monatlichen alpinen Pflichtübung,
Schneeschuhe eingepackt, Transfer über den Semmering bis Mürzzuschlag,
um von dort auf das Stuhleck zu stapfen. Eher ein Berg, der als verlifteter
Skizirkus verschrien ist, an dem sich aber doch noch Geheimwege finden
lassen, die sogar zu alpinen Lotto-6ern führen können. Aber
lies selbst ...
Anfahrt
& Aufstieg
Hasenbauer
(700 m) - Schöneben - Bettlbauer - Kanonenrohr - Schwarzriegelalm
(1461 m) - Schwarzriegel (1593 m) - Stuhleck (1782
m, Alois Günther-Haus)
HU
ca. 1000 m, GZ 5 Stunden
Eines
der Marterln am Aufstiegsweg
Über
die A2 Richtung Semmering und die S6 nach Mürzzuschlag. Kurz vor
dem Ortseingang zweigt eine Gasse nach links ab. Am besten lässt
man die Karre schon in der Autobahnunterführung stehen, da weiter
oben beim Hasenbauer Parkplätze meist spärlich gesät
sind.
Wo sich
die Straße teilt, dem Schild "Stuhleck" nach,
am Gasthof Lissy vorbei, durch ein kurzes Waldstück, bis offenes
Gelände erreicht wird und die geräumte Straße endet.
Ein weiterer Wegweiser "Stuhleck" sollte den geglückten
Start bestätigen. Hier auch die Schneeschuhe angeschnallt und über
die erste "Wiese" an den Waldrand. Diesen stets über
freie Flächen entlang, bis sich nach etwa 45 Minuten schon Stuhleck
und Pretulalpe ins Blickfeld schieben. Noch aber ist ein ordentliches
Stück zu marschieren. Rot markiert, meist schon vorhandenen Entenspuren
nach, kaum steil, aber immer der Sonne entgegen, schlendert es sich
fast meditativ über die schönen Ebenen der - nomen est omen
- "Schöneben". Dem nicht genug, entdecke ich hier
Meisterwerke der Natur, wie sie schöner nicht sein können:
Ein funkelndes Meer von Schneeblumen, jede für sich aus einzelnen
Schneekristallen geformt, von denen man sagt, dass keiner dem anderen
gleicht. Der geniale Schöpfer dieser filigranen Kunstwerke: Der
Wind, der aus einzelnen Molekülen eine formvollendete, anmutige
und von faszinierender Ebenmäßigkeit geprägte Kristallflora
geblasen hat. Eine vergängliche Schönheit leider. Sobald die
erste Schneeflocke zu schmelzen beginnt, wird auch diese kristallene
Schatzkammer für immer verloren und spurlos verschwunden sein.
Wiesen
voller Schneekristallblumen - Meisterwerke der Natur (als Bildschirmhintergrund
>>>)
Der Weg
über die Schöneben entspricht einer Idealline für Schneeschuhtouren.
Nie so steil, dass man zu schwitzen beginnen würde, nie länger
als notwendig durch schattigen Wald, nie zu Hektik verlockend, weshalb
hat man hier auch jede Menge Zeit hat zu schauen und staunen. So wird
man auch nicht die mit Eis kandierten Zweige und Äste übersehen,
und das Dreigestirn der Wiener Hausberge - Rax, Schneeberg und -alpe
- hinter uns, und man wird auch nicht die eigene Zufriedenheit übersehen,
die sich inmitten dieser Galerie der Naturschätze breitmacht.
Aber weiter,
weiter, wir haben noch viel vor. Beim Gehöft Bettelbauer
(2 Stunden) links in eines der wenigen Waldstücke, das man bei
einer Kapelle wieder verlässt. Danach nicht unangenehm steil wieder
durch Tannenwald bis zum Jagdhaus Hochreith. Nun entweder über
die markierte, aber längere Forststraße oder über den
waldigen Saumweg des sog. "Kanonenrohrs" direkt zur
Schwarzriegelalm (1461 m). Hier hat man endgültig die baumfreie
Hochfläche zwischen Grazer Stuhleck und Stuhleck Hauptgipfel erreicht.
Südlich über Almgelände zur großen Einsattelung
beim Schwarzriegel (1593 m). Stop! Hier wird man sich entscheiden
müssen zwischen dem nordöstlichen Weg zum Stuhlreck mit dem
Alois Günther-Haus oder dem rechten (SW) Weg über das Grazer
Stuhleck und das Geiereck zur Pretul mit der Peter-Bergner-Warte und
dem Rosegger Haus. Ich wende mich - leider ein kleiner Fehler - nach
links gen Alois Günther-Haus. Nicht wissend, dass die Verliftung
neuerdings bis zur Hütte reicht, erlebe ich hier leider einen Massenauflauf
von Skifahrern, der ganz und gar nicht zur heutigen Idealroute passt.
Mein Tipp also: Rosegger Haus. Die Hauptwege sind am Plateau mittels
Stangen gekennzeichnet, sodass selbst bei trübem Wetter ein sicheres
Weiterkommen möglich ist. Nach insgesamt 5 Stunden wird man eine
der Hütten erreicht haben.
Die Passage
mit dem Alois Günther-Haus überspringe ich hier lieber, und
setze wieder ein um 16 Uhr, knapp vor Sonnenuntergang; und noch warten
drei Stunden Marschzeit auf mich. Kein Irrtum mit der Zeit, sondern
beabsichtigt, schließlich ist heute Vollmond, ich habe alle Zeit
der Welt, da Bruder Mond Schwester Sonne bei der Beleuchtung meines
Weges ablösen wird. Und außerdem beeindruckt der Sonnenuntergang
hier oben ungleich mehr als unten. Die Farbenspiele, das plötzliche
Einsetzen kalten Windes, die Ruhe, die sich innen und außen breit
macht - auch so eine Traumkonstellation, die man nur an Glückstagen
erlebt.
Da die
auch für eine Vollmondtour perfekte Linie kaum durch Wald verläuft,
brauche ich beim Abstieg keine Stirnlampe. Das Himmelsflutlicht leuchtet
mir den Weg pastellfarben aus, allein in den Waldstücken macht
es sich bezahlt, den Weg vom Aufstieg her schon zu kennen.
Auf meiner
Schneekristall-Wiese glitzert und blinkt und funkelt es, dass mir nochmals
ganz weihnachtlich wird. Bei jedem Schritt klirrt es wie von zerbrechendem
Glas. Ein wenig beschämt ob meines zerstörerischen Vandalismus
trete ich vorsichtig in die Aufstiegsspur, um auch dir noch etwas von
diesen Meisterwerken der Natur zu überlassen.
Die
Entstehung von Schnee(kristallen)
Schnee
entsteht, wenn sich in den Wolken feinste Tröpfchen unterkühlten
Wassers an Kristallisationskeimen (zum Beispiel Staubteilchen) anlagern
und dort gefrieren. Dieser Prozess setzt jedoch in der Regel erst bei
Temperaturen unter -10 °C ein, wobei noch bis -40 °C auch flüssiges
Wasser existiert. Die dabei entstehenden, weniger als 0,1 mm großen
Eiskristalle fallen nach unten und wachsen durch den Unterschied des
Dampfdrucks zwischen Eis und unterkühltem Wasser weiter an. Auch
resublimiert der in der Luft enthaltene Wasserdampf, geht also direkt
in Eis über und trägt damit zum Kristallwachstum bei. Es bilden
sich die bekannten sechseckigen Formen aus. Wegen der besonderen Struktur
der Wassermoleküle sind dabei nur Winkel von 60° bzw. 120°
möglich. Die
unterschiedlichen Grundformen der Schneekristalle hängen von der
Temperatur ab – bei tieferen Temperaturen bilden sich Plättchen
oder Prismen aus, bei höheren Temperaturen sechsarmige Dendriten
(Sterne). Auch die Luftfeuchtigkeit beeinflusst das Kristallwachstum. Herrscht
hohe Thermik, bewegen sich die Kristalle mehrfach vertikal durch die
Atmosphäre, wobei sie teilweise aufgeschmolzen
werden und wieder neu kristallisieren. Dadurch wird die Regelmäßigkeit
der Kristalle durchbrochen und es bilden sich komplexe Mischformen der
Grundformen aus. Sie weisen eine verblüffend hohe Formenvielfalt
auf, so dass landläufig behauptet wird, es gäbe keine zwei
identischen Schneekristalle. Ebenso
verblüffend wie die beobachtete Formenvielfalt ist ihre ausgeprägte
Symmetrie, die Schneekristallen eine hohe Selbstähnlichkeit verleiht
und sie zu einem Vorzugsbeispiel der fraktalen Geometrie werden ließ
(Koch-Kurve). Die verschiedenen Verästelungen wachsen in einem
Exemplar stets in derselben Weise und offenbar mit ähnlicher Geschwindigkeit,
auch wenn ihre Spitzen, an denen sie weiter wachsen, oft mehrere Millimeter
auseinander liegen. Ein möglicher Erklärungsversuch, der ohne
Annahme einer Wechselwirkung über diese Entfernung hinweg auskommt,
besteht in dem Hinweis, dass die Wachstumsbedingungen an verschiedenen
vergleichbaren Keimstellen an den Spitzen zu gleichen Zeitpunkten sicherlich
immer recht ähnlich sind.
Bei
dichtem Nebel Orientierungsschwierigkeiten am Hochplateau. Stangen leiten
aber gut weiter. Die Gehzeit von 8-9 Stunden ist für eine Schneeschuhtour
sehr lange. Die sanfte Neigung der Route strengt aber kaum an.