"Nur
sanft Gebirg'?", fragt der "Ur-Ottakringer" Josef Weinheber,
wenn er an den heutigen 16. Wiener Gemeindebezirk denkt. Nein, nicht
nur Gebirge, sondern auch uralte Weinhauerhäuser, idyllische Winkel,
"ausg'steckte" Heurige und enge Gasseln. Das ist Alt-Ottakring,
ein Stadtjuwel mit dem Flair längst vergangener Zeiten. Der Stadtwanderweg
4a verbindet dieses alte Ottakring mit einem Stück Wienerwald,
der ebenso zur Wiener Identität gehört wie der Kleingarten,
der zelebrierte Müßiggang und der Wein. Wer letzterem besonders
zugetan ist, wird übrigens in den populären Vorstadt-Gasthäusern
ebenso bedient wie der Kunstliebhaber mit der Otto Wagner-Kirche auf
den Steinhofgründen und der Naturfan in den kleinen, aber feinen
Biotopen im Ottakringer Gemeindewald. Eine Wanderung also durch jenes
Wien, das nicht nur der Autor dieser Zeilen so liebt.
Anfahrt
& Aufstieg
Endstelle
U3 in Ottakring - Thaliastraße - Gallitzinstraße - Katharinenruhe
- Funkengerngasse - Johann Staud-Gasse - Kuffner Sternwarte - (Option:
Steinhofgründe, Otto Wagner Kirche St. Leopold) -Jubiläumswarte
- Pelzer Rennweg - Kreuzeichenwiese - (Heuberg, 449 m) - Andergasse
(Siedlung Heuberg) - Eselstiege - Villa Aurora - Schloss Wilhelminenberg
- Heuriger Leitner - Sprengersteig - Paulinensteig - Wilhelminenstraße
- Wohnpark Sandleiten - Ottakringer Straße - 10er Marie - Weinheimergasse
- Endstelle U3
HU
ca. 250 m, GZ 2 ½ - 3 Stunden (+ 45 Minuten zur Otto Wagner-Kirche
auf den Steinhofgründen, + 20 Minuten auf den Heuberg)
Ein
Blick in einen der vielen Kleingärten
"Weingerank
unterm Giebelrand" der 10er Marie
"Von
den Hügeln schlicht kam der Hauer Sang ..." am Sprengersteig "Buschen
grün davor lädt wie einst zum Trunk" - der Heurige Leitner
Bei
klarem Wetter unbedingt auf die Jubiläumswarte, denn ...
...
dann zeigen sich sowohl Stephansdom als auch Ötscher ...
Ein
Picknick beim Schloss Wilhelminenberg mit fulminantem Weitblick ...
Der bloß
mit einer Herbstjacke befüllte Rucksack wird im – urbanen – Herzen
Ottakrings geschultert, nämlich bei der Endstelle der U3 (Haltestellen
der Straßenbahnlinien J und 46). Von hier auf der Thaliastraße
über den Stillfriedplatz und die Maroltingerstraße bis zu
Plachuttas "Grünspan", nach eigenen Angaben "Wiens
schönstes Wirtshaus mit Biergarten", zudem "Lieblingswirtshaus
vieler Wiener". Mag sein - im großen Gastgarten wird
ein lauer Nachsommerabend sicher zum Fest, die Speisenauswahl bietet
einen Querschnitt durch die österreichische und speziell die Wiener
Küche.
Der
bekannte "Grünspan"
Gleich
daneben allerdings das nächste Traditionswirtshaus: die "Witwe
Bolte", auch ein bekannter Ottakringer Heuriger, der eine Einkehr
wert ist.
Die
Gallitzinstraße führt nun aus der Alt-Ottakringer Vorstadt
mit seinen verträumten Kleingärten und Weinhügeln in
jenen Wienerwald, den so viele Dichter und Komponisten besungen haben.
Der über die Grenzen hinaus bekannte Literat Josef Weinheber
(* 9. März 1892 in Wien, † 8. April 1945), war so ein in seinen Bezirk verliebter Ottakringer, der seinen
Wurzeln mit dem Gedicht "Alt-Ottakring" ein Denkmal
gesetzt hat:
Alt-Ottakring
Was
noch lebt, ist Traum.
Ach, wie war es schön!
Jüngre werden kaum
jene Zeit verstehn,
wo das Kirchlein stand
und die Häuser blank
unterm Giebelrand
hatten Weingerank.
Und
im Herbste gar,
wenn der Maische Duft
hing im blauen Klar
der beschwingten Luft!
Von den Hügeln schlicht
kam der Hauer Sang,
da die Stadt noch nicht
grau ins Grüne drang.
Heut
ein Steinbezirk
wie ein andrer auch,
und nur sanft Gebirg?
schickt wie einst den Hauch,
Hauch von Obst und Wein
in die Gassen aus,
und der Sonnenschein
liegt auf altem Haus.
Da
und dort ein Tor
hat noch breiten Schwung,
Buschen grün davor
lädt wie einst zum Trunk,
und im Abend wird
längst Vergangnes nah
spielt ein Bursch gerührt
Ziehharmonika.
Bei der
Katharinenruhe, einem winzigen Park mit überdachtem Rondo,
links hinauf in die Funkengerngasse, dann wieder links in den Theodor
Storm- und den Franz Eichert-Weg, der in die Johann Staud-Straße
mündet. Hier die Kuffner Sternwarte (Infos siehe unten),
ein historisches Observatorium und Planetarium, das auch Stern-Führungen
anbietet. Nun am Rand kleiner Weingärten an der Starchanter Kirche
und dem Gasthaus Starchant vorbei, wo der Weinheber'sche "Hauch
von Obst und Wein" tatsächlich riech- und spürbar
wird und sich langsam auch der Blick über Wien weitet. Halt bei
der Feuerwache Ottakring! Wer zusätzliche 45 Minuten Zeit hat,
sollte sich einen Sprung zur phantastischen Otto Wagner-Kirche (auch St. Leopold) auf den Steinhofgründen gönnen, dieses
- nach eigenen Angaben - "Juwel des Jugendstils" beeindruckt
ob seiner Pracht und kunstvollen Ausstattung.
Zwar raubt
einem schon das Äußere den Atem, will man jedoch das Innere
besichtigen, muss man sich an die zeitlich begrenzten Führungszeiten
halten. Am besten man kommt hier samstags zwischen 16 und 17 Uhr vorbei,
wenn man die Kirche gratis beäugen darf (Infos Öffnungszeiten
siehe unten).
Gegenüber der Feuerwache Ottakring markiert ein Denkmal zu Ehren
Ferdinand Degens, eines Alpenvereinsfunktionärs, der sich
um die Erhaltung des Wienerwaldes verdient gemacht hat, den Weiterweg.
Der uns endlich auch durch Ottakrings "Gebirg'" führt.
An einem Teich vorbei zu einem Parkplatz und einem Lager- sowie Fußballplatz.
Die Johann Staud-Gasse übersetzt und noch immer durch hübschen
Wienerwald an einem Karpfenteich vorbei bis zum Höhe-Punkt der
Tour, der Jubiläumswarte. Die Warte hochzusteigen sollte
man sich nicht entgehen lassen: Hat man über eine Spiraltreppe
und 183 Stufen die Spitze der Warte erreicht, wird man mit einem 360°-Panoramablick
vom Wiener Becken über die Hainburger Berge, das Leithagebirge,
den Schneeberg bis zum Ötscher - und natürlich Wien selbst
- belohnt. Neu an ihrem Fuß die Wiener Waldschule, die
mit Schautafeln, Holzproben und ausgestopften Tieren einen Überblick
über den Tier- und Baumreichtum des Wienerwaldes verschafft.
Weiter aber auf dem sog. Pelzer Rennweg in Richtung Kreuzeichenwiese,
einer stillen kleinen Insel der Seligen, wo der Müßiggang
regelrecht zelebriert wird. Picknick-Fans, spielende Kinder, Sonnenanbeter
und Ruhe suchende Stadtflüchtige geben sich hier ein flüsterleises
Stelldichein. Wer Zeit hat, marschiert etwa 10 Minuten auf den Heuberg
(464 m), von wo man an besonders klaren Tagen bis zum Schneeberg sieht.
Weiter
durch den sog. "Gemeindewald" zahlreichen Wegweisern
nach hinab an den Rand der Siedlung Heuberg.
In
der Andergasse und der anschließenden Franz-Glaser-Gasse gelangt man wieder in urbanes Gelände. Diese rechts bis zur vielstufigen
Eselstiege. Am Predigtstuhl rechts die Savoyen-Straße weiter
und an der Villa Aurora vorbei bis zum Schloss Wilhelminenberg (beide Restaurants bieten neben einem beeindruckenden Blick über
die Bundeshauptstadt ausgezeichnetes Essen). Vor dem Schloss führt
der Weg nach links an einem im neugotischen Stil erbauten Mausoleum vorbei, wo Moritz Fürst von Montléart, einer der ehemaligen
Besitzer des Schlosses Wilhelminenberg, ruht. Nun hinab und am Rande
eines Weinbergs mit herrlichem Ausblick über das südliche
Wien zum Heurigen Leitner. Am Sprengersteig verlässt
man leider endgültig die Botanik. An netten Kleingärten vorbei
in den Paulinensteig, der wiederum zur Wilhelminenstraße führt. Dort wieder Gasslwerk, wie man es vom Anfang der Tour kennt:
Beim Wohnpark Sandleiten rechts die Sandleitengasse entlang über
den Musilplatz bis zur OttakringerStraße,
die zum letzten gastronomischen Highlight führt: dem originalen Heurigen "10er-Marie", daneben das Wirtshaus
"Alt-Ottakring". Von dort noch ein kurzes Stück
Ottakringer Straße bis zur Weinheimergasse, die zum Ausgangspunkt
zurückleitet.
Wienerwald
Für die Wiener ist der Wienerwald DAS Ausflugs- und Erholungsgebiet
schlechthin. Wanderer, Orientierungsläufer, Kletterer, Mountainbiker,
Langläufer, Jogger - sie alle finden direkt vor der Haustüre
ein überreiches Betätigungsfeld, etwas unschätzbar Einmaliges,
um das uns eigentlich alle Hauptstädte dieser Welt beneiden müssten.
Wo sonst steigt man aus der Straßenbahn aus und begegnet bald
darauf einem Reh oder Fuchs? Die leichte Erreichbarkeit und die Möglichkeit,
nahtlos von der grauen Alltagswelt in die grüne Freizeitwelt einzudringen,
machen den Wienerwald zu einem Fluchtpunkt par excellence. Der Wienerwald
ist Biosphärenpark und damit Teil von z. Z. 482 weltweit herausragenden
Naturgebieten in 102 Staaten, die das Welt-Netzwerk Biosphärenreservate
bilden.
Ottakringer
Wald
Der 192 ha große Ottakringer Wald diente früher hauptsächlich
als Brenn- und Bauholzlieferant für die Bürgerinnen und Bürger.
Der Steinbruch an der Johann-Staud-Straße lieferte das Baumaterial
für viele Ottakringer Bauwerke.
Eine Besonderheit des Ottakringer Waldes sind die vielfältigen
Standortverhältnisse: Trockene Eichenwälder am Südhang
der Steinbruchwiese, frische Buchenwälder am westlichen und nördlichen
Gallitzinberg, viele feuchte Kleinstandorte der Quellenbereiche und
Bachgräben an den Hängen des Wolfsgrabens.
Im Ottakringer Wald finden sich fast alle typischen Waldgesellschaften
des Wienerwaldes: Rotbuchenwälder an kühlen und feuchten West-
und Nordhängen oder an Gräben, Eichenwälder an sonnigen
Kuppen und Rücken oder an südexponierten Hängen
Im Gebiet des Ottakringer Waldes finden sich artenreiche Wiesengesellschaften.
Wie die Kreuzeichenwiese, die Vogeltennwiese, Teile der Steinbruchwiesen
und die Wiesen rund um das Schloss Wilhelminenberg. Sie sind der Lebensraum
zahlreicher Tiere (wie Mittelspecht, Seidenschwanz) und Pflanzen (wie
Grüne Schneerose), der Ottakringer Wald weist die europaweit höchste
Dichte an gefiederten Spechten auf. Auch die Quellenbereiche, Gräben
und Tümpel beherbergen eine vielfältige Fauna und Flora. Ottakring bei Wikipedia >>>
Jubiläumswarte
Ihr
Anfang bestand in einer Warte, die der "Ottakringer Verschönerungsverein"
zum 50-jährigen Regierungsjubiläum von Kaiser Franz Joseph
I. errichten ließ. Am 4. Dezember 1898 fand die symbolische Grundsteinlegung
statt, am 6. Juli 1899 wurde die "Kaiser Jubiläumswarte in
Ottakring" feierlich eröffnet. Nach dem 2. Weltkrieg war die
Warte bereits dermaßen von Rost zerfressen, dass sie 1952 baupolizeilich
gesperrt werden musste.
Mit dem Neubau der Jubiläumswarte, die mit 13 Stiegenabsätzen,
183 Stufen und einer Aussichtsterrasse in 31 m Höhe konzipiert
war, wurde am 15. August 1955 begonnen. Am 7. September 1956 erfolgte
durch Vizebürgermeister Karl Honay und Stadtrat Leopold Thaller
die feierliche Eröffnung der neuen Jubiläumswarte.
Einer
der berühmtesten Ottakringer ist Josef Weinheber (*9. März
1892 in Wien, † 8. April 1945 in Kirchstetten/Niederösterreich;
durch Freitod), ein österreichischer Lyriker, Erzähler und
Essayist. Weinheber war vor seiner Schriftstellerlaufbahn Gelegenheitsarbeiter
und von 1911 bis 1932 Postbediensteter. 1920 erschien sein erster Lyrikband
"Der einsame Mensch".
Weinheber stand zunächst unter dem literarischen Einfluss von Rainer
Maria Rilke, Anton Wildgans und Karl Kraus. Besonders beliebt war der
Band "Wien wörtlich", der teilweise im Wiener Dialekt
geschrieben ist. Daraus stammt auch das oben zitierte Gedicht "Alt-Ottakring".
Schwierigkeiten:
In
der Stadt gibt es keine Markierungen oder Schilder - Stadtplan mitnehmen!
Erst ab der Feuerwehrwache am Eingang zu den Steinhofgründen bestens
beschildert.
Höhenmeter:
Etwa
250 in Auf- und Abstieg
Gesamtgehzeit:
ca.
2 ½ - 3 Stunden
Beste
Jahreszeit:
Jederzeit
Kinder:
Absolut
zu empfehlen. Kinder ab 7 schaffen den Weg locker, zumal es genug Einkehrmöglichkeiten
und mit den Steinhofgründen, der Jubiläumswarte, Teichen, Wäldern,
Lichtungen etc. unschlagbare Höhepunkte gibt.
Hund
und Katz':
Sehr
gut geeignet (nur auf den Steinhofgründen gilt: No dogs!)