Von
Uli Auffermann
Berg ist
nicht gleich Berg. Sie unterscheiden sich voneinander. In ihrer Form,
ihrer absoluten Höhe und schon gar in der Faszination, die sie
auf Menschen ausüben.
Betrachtet man die Attribute, die wie selbstverständlich im Zusammenhang
mit ihren Namen genannt werden, ist schnell auszumachen, warum bestimmte
Berge den Menschen reizen, ihn herausfordern, sich in seinem Kopf festsetzen
können: Da gibt es den höchsten, den kältesten, den gefährlichsten,
den schönsten, den abgelegensten, den einsamsten usw.
Matterhorn,
Montblanc, Eiger sind Berge, die unwidersprochen größte Anziehungskraft
hervorrufen. Aber was ist mit den unbekannteren, den weniger beachteten,
den eher sonderbaren Gipfeln, ohne Superlativ in ihrer geomorphologischen
Biographie? Da gibt es Berge, die sich nicht aufdrängen, den Betrachter
nicht erschlagen mit der Logik messbarer Umstände, die aber dennoch,
hat man sie einmal in den Blick bekommen, etwas auslösen, was über
den Begriff der Faszination hinausgeht.
Steil,
brüchig und bis zu den vielen Gipfeln mit Gras überzogen,
verlangt sie nach Berührung.
Die Höfats
ist so ein Berg. Ist das Matterhorn schön, die Zugspitze der höchste
Berg Deutschlands, hat der Eiger die mächtigste Wandflucht - gibt
sich die Höfats sonderlich, abweisend, und trotzdem mit ganz eigenem
Charme.

"Höfats",
© Oase
Alpin Oberstdorf
Ihr Erscheinungsbild
wirkt edel, gestaltet wie aus Künstlerhand. Steil, brüchig
und bis zu den vielen Gipfeln mit Gras überzogen, verlangt sie
nach Berührung, weckt den Wunsch, von ihren messerscharfen Graten
aus neue Perspektiven einnehmen zu können.
Die Höfats ist ein Berg mit Würde, ein Berg mit Charisma.
Von allen Seiten nicht leicht und gefahrlos zu besteigen, wurde sie
in der Vergangenheit gleichsam berühmt und berüchtigt. Mancher
Draufgänger ließ einst das Leben im Versuch, eines der dort
so zahlreich wachsenden Edelweiße seiner Angebeteten im Tal zu
überreichen. Bergführer führten etliche Touristen hinauf,
Gipfelstürmer fühlten sich herausgefordert.

"Klettern
an der Höfats", ©
Heimhuber
Nach und nach
indes geriet die Höfats eher in Vergessenheit. Die Zahl derer, die
sie besuchten, ging zurück. Was war abhanden gekommen?
In einer Zeit, in der es um quantifizierbare Leistung geht, ein schneller,
höher, weiter die Maßstäbe vermeintlicher Befriedigung
sind, wo es in einer immer dynamischeren Welt darum geht, auch in der
Freizeit dynamisch zu sein, hat die Höfats an Reiz verloren. Ihr
Wert liegt eher im Verborgenen, muß erarbeitet werden. Ein nicht
meßbarer Wert, der nur sichtbar wird durch innere Einkehr, durch
innere Verlangsamung, durch eine antizyklische Grundhaltung.