Wasser ist das bestimmende Element der 4. Etappe des Rund um Wien-Wanderweges 10. Die Liesing, die Schwechat und die Donau geben den Weg vor und bestimmen die Land- oder besser: "Stadtschaft", denn "echte Natur" werden wir erst am Ende im Eingangsbereich der Donauauen zu sehen bekommen.
Der Weg
Zugegeben: Diese Etappe ist nicht unbedingt von Naturromantik und Idylle geprägt, es ist eine Art von gezähmter, urbaner Natur, deren Reiz im Kontrast zwischen dichtem Wohngebiet und kunstvoll gestalteter Parkfläche hat. Zudem gehört dieser Teilabschnitt des RuW 10 mit über 6,5 Stunden zu den längsten – und da es die meiste Zeit waldlos durch offenes Gelände geht, auch zu unwirtlichsten: Im Winter sturmumtobt, im Sommer heiß. Es rät sich, diese Tour entweder im Frühling oder im Herbst zu absolvieren, auf jeden Fall aber mit sehr gut dämpfenden Schuhen, da wir meist auf Asphalt unterwegs sind. Oder gleich mit dem Rad! Aber ja, unbedingt!!! Wird eben aus dem Wander- ein Radwanderweg, wen kratzt’s!? Da der Weg vorwiegend auf Radwegen verläuft, drängt es sich fast auf, die ultraflache, stets auf Beton verlaufende Etappe auf zwei Rädern zu absolvieren.
Wie auch immer, ob in den Sattel oder den Rucksack auf die Schultern geschwungen – gestartet wird am Liesinger Platz, einem leicht zu erreichenden Verkehrsknotenpunkt (S 1+2) im Süden Wiens. Schon gleich neben dem großen Bahnhof beginnt die Liesing leise vor sich hinzusäuseln. Wir schließen uns ihr an und wandern fröhlich durch die Fröhlichgasse. Plötzlich ein Hämmern. Darf man das in Wien in Allerherrgottsfrüh!? Der morgenaktive Specht schon.
Vereinzelt treffen wir auf Jogger und Hunde+Frauerln-Herrln, die den kühlen Morgen an dieser sprichwörtlichen Lebensader Wiens genießen. Auch Raben und Amseln halten hier ihre Aufwachphase ab. Bald der Atzgersdorfer Platz, von dort in die Erlaar Straße und wieder ans Ufer der Liesing. Sobald Skulpturen aus Stahl, Holz und Stein den Weg säumen, wird aus der Ufer- eine Kunstpromenade. Immer wieder bleiben wir stehen, weniger aber Bewunderung über die Kunstwerke als vielmnehr aus Verwunderung, wie die "Liegende Schönheit" (Bild rechts).
Dann taucht vor uns schon eine überdimensionale Skulptur auf, die des pyramidenartigen Wohnparks Alterlaa. Etwa 10.000 Menschen leben in diesem pyramidenarten Genossenschaftsbau, der den Startschuss für einen gänzlich neuen Stadtteil gab. Dass der Architekt des Wohnparks allerdings ein naturverbundener Mensch war, beweist die Tatsache, dass jede der über 3.000 Wohnungen über einen großen Balkon verfügt. Auch das Umland des Parks, das wir nun durchschreiten, verrät Engagement und Einfühlungsvermögen in die Bedürfnisse des Menschen. Ein "Wohlfühlweg" etwa mit Schlüpfstein, Liegestein, Sitzstein verspricht Entspannung, der streckenweise renaturalisierte Liesingbach lädt zu kleinen Planscheinheiten ein.
Genüsslich dahin schaukelnde Enten und Gänse, aber auch Fische unterstreichen die Annahme, dass die Liesing mit ihren fast naturnahen Buchten und Inseln tatsächlich obersten Reinheitsgeboten entspricht. Lange marschieren wir auf der Liesingpromenade (Kaistraße) durch Oberlaa und vermeint sich dabei zumindest ansatzweise aufs Land versetzt. Da plätschert und gurgelt und rauscht es, da betreten wir nach Rothneusiedl offene Feldlandschaft, da präsentiert sich uns in Ober- und Unterlaa ein feines dörfliches Ambiente, obwohl beide Gemeinden zu Wiens Bezirken zählen.
Die direkten Labestationen am Weg sind dünn gesät, weswegen wir uns umso mehr über den Brückenwirt an der Unterlaaer Straße freuen, wo wir volltanken können. Gestärkt nun durch flache, je nach Jahreszeit sonnigheiße bzw. winterkalte Feldlandschaft an der Johanneskirche vorbei. Obwohl das kleine Kirchlein äußerlich nicht sehr auffällig ist, so hat es eine sehr lange Baugeschichte. Am Standort und südlich am Johannesberg bestand bereits eine römische Siedlung, auf der dann möglicherweise noch in karolingischer Zeit eine erste Kirche errichtet wurde. Beachtenswert ist auch die Heilig-Grab-Kapelle, die nach dem Vorbild in Jerusalem errichtet wurde. Oftmals wird die Unterlaaer Kirche als älteste noch bestehende Kirche auf dem Gebiet des heutigen Wien bezeichnet.
Schade, dass kein Steg hinüberführt, wir müssten ein ordentliches Stück vor, über eine Brücke und wieder zurück – das ist uns denn doch zu viel.
In Rannersdorf verlassen wir die Liesing und wechseln an das Ufer der Schwechat. Beim Barockschloss Rotmühle bleiben wir kurz stehen, um kurz als Zaungast einer Hochzeit beizuwohnen. Eine neu angelegte Promenade führt nun durch Schwechat zum neuen Bett der Schwechat. Nun am nicht minder schönen Gebäude des Stadtamtes vorbei in den großartigen, gut gepflegten Rathauspark von Schwechat, eine hierorts sehr beliebte Ruheoase. Hier kann es sein, dass man neben Enten auch Rotwangenschmuckschildkröten beobachten kann.
Nach der Autobahnunterführung der A4 verabschieden wir uns von der Schwechat und wandern durch Ackerlandschaft "Auf der Ried" Richtung Alberner Hafen. In weiter Ferne grüßt uns das Kahlengebirge, das wir auch schon überwandert haben. Fünf potthässliche Getreidespeicher aus den 1940er-Jahren brachten einst dem Alberner Hafen den Spitznamen "Getreidehafen" ein. Schärfer kann der Kontrast nicht sein: Hinter den wohl hässlichsten Gebäuden Wiens befindet sich ein Eingang in die ursprünglichste Wildnis Wiens: die Donau-Auen. Weil wir auf dieser Etappe doch noch etwas Natur erleben wollen, steuern wir – abweichend vom vorgegebenen Weg – das "Blaue Wasser" an, einen von Auwald umgebenen Altarm der Donau. Hinter den drei mächtigen Getreidespeichern geht es durch einen Schranken und auf kühlem Waldpfad zum See. Schnell finden wir uns von der Stadt im Dschungel, vom offenen Feld in geschlossener Au, vom hässlichsten Ort Wiens am schönsten. Das kleine Becken ist ein von Überschwemmungen oft heimgesuchtes Gebiet. Dementsprechend schlammig ist es hier auch ab und zu. Was wir vorfinden, ist ein selten naturnahes Paradies der Stille und Schönheit! Hier darf die Natur noch Natur sein mit allen Farben, Klängen und Gerüchen, die sie auf Lager hat. Besser kann es kein Künstler malen: Am Ufer ein Fischer, dahinter ein Schwan, alles umgeben vom glatten See, in dem sich das Ufergrün spiegelt. Der Schwan bleibt in der Nähe des Fischers als gehöre er zu ihm, lange hockt er hinter dem Fischer, dann tritt er ans Ufer und schwimmt eine Runde – in der Nähe seines Herrn. Ein Bild für Poeten, das für alle vorangegangenen Mühen entschädigt!
Mit Freude atmen wir nach Stunden voller trockener Luft nun den frischen Duft feuchter Erde und lebenden Wassers ein. Sein Grün scheint nahtlos mit dem Grün des Sommers zu verwachsen, die Balzrufe der Frösche mit jenen der Vögel. Auf einem engen Waldpfad stapfen wir weiter durch Dschungel Richtung Kraftwerk Freudenau und Donau. Welch ein Vergnügen nach der stundenlangen Betonhatscherei. Das Glück wehrt jedoch nur 20 Minuten, dann betreten wir wieder Asphalt und gelangen über eine Brücke zur Bushaltestelle Kraftwerk Freudenau (80 B): Straßen, Lärm, Beton, künstliche Welt. So schnell geht das in Wien: innerhalb von 6 Stunden von der belebtesten Stadt in deren Kornkammer und Dschungel und wieder zurück ...
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Lexikon: Die Liesing
Die Liesing, auch Liesingbach, ein 30 km langer Fluss, entspringt im niederösterreichischen Wienerwald, durchfließt dann die Stadt Wien, wo der Bach dem 23. Wiener Gemeindebezirk Liesing seinen Namen gibt, und mündet wieder in Niederösterreich bei Schwechat in die Schwechat.
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Die Schwechat
Die Schwechat ist ein 62 km langer Fluss im östlichen Niederösterreich. Sie entspringt am Schöpfl (893 m) im Wienerwald, fließt in östliche Richtung, bekommt erst kurz vor Alland ihren Namen und mündet bei Schwechat in die Donau.
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Schloss Rotmühle
Das seit April 1967 im Eigentum der Stadtgemeinde Schwechat stehende Gebäude wurde um 1300 erstmals urkundlich erwähnt und fand über die Jahre unterschiedliche Verwendungen als Mühle, Stofffabrik, Lederfabrik und als Arbeiterquartier. Der Name des Schlosses änderte sich im Laufe der Zeit von "Mühle in dem grunde derhalben des Wazzers" in "Mühle am Nidern Grund" und in "Rothe Mühle" später in "Rothmühle". Die Herkunft des Namens kann nicht eindeutig belegt werden. In Publikationen ist der Hinweis zu finden, dass das Schloss früher aus roten Backsteinen erbaut wurde und daher der Name "Rothmühle" stammt.
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Der Nationalpark Donau-Auen
Der Nationalpark Donau-Auen ist ein 9.300 ha großer Nationalpark, der sich von Wien bis zur Mündung der March in Niederösterreich an der Staatsgrenze zur Slowakei erstreckt. Er ist eine der größten weitgehend intakten Aulandschaften Mitteleuropas entlang der Donau.
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