Der
"weiße Wächter", wie die Inka den Aconcagua
nannten (von "Ancocahuac", "anco" = weiß,
"cahuac" = Wächter), an der Grenze zu Chile in
den argentinischen Anden ist mit seinen 6.962 m Höhe nicht
nur der höchste Berg des amerikanischen Kontinents, sondern
auch der westlichen Hemisphäre.
Begehrt wie kaum ein anderer der Weltberge, belagern ihn an die
4000 Bergsteiger pro Jahr und wählen dabei den eisfreien
Normalweg vom Plaza de Mulas über Nido de Cóndores,
Camp Berlin und die Canaleta-Rinne. Aufgrund der enormen Höhe,
des unberechenbaren Wetters, aber auch, weil der Riese oft unterschätzt
wird, erreichen nur etwa 20 % aller Gipfelaspiranten das Ziel
ihrer Träume.
Schutthaufen,
Modeberg, Menschenmassen ... Immer
die gleichen geringschätzigen Attribute, immer die gleiche
Abwertung des Aconcagua, immer die gleiche Leier - zu Unrecht.
Denn sieht man genau hin und fühlt man sich ein wenig in
den schwerfälligen Andenriesen hinein, wird man erkennen,
dass er äußerst verschwenderisch mit Reizen umgeht,
dass sich die vielen Bergsteiger still in die Weiten der Hänge
verteilen und dass auch der Normalweg ganz und gar nicht anspruchslos
ist. Ich habe von meinen Expeditionen kaum eine schönere
erlebt als diese. Man muss eben die Augen aufmachen und zur Seite
schauen, um abseits der Trampelpfade und Massenlager eine ganze
Palette faszinierender Naturschätze zu entdecken. Den Aconcagua
bloß als prestigeträchtigen Modeberg abzutun, dessen
Besteigung lästige Pflicht ist, weil er zu den Seven Summits
gehört, ist Sache ignoranter Gipfelsammler. Wer vorurteilslos
und offenen Auges ins Revier des Kondors aufbricht, wer den Weg
und nicht den Gipfel als Ziel erlebt, wird garantiert reichlich
belohnt!
Der
günstigste Ausgangspunkt für den Aconcagua ist Santiago
de Chile. Von dort per Bus in 6-7 Stunden über die argentinische
Grenze nach Mendoza, wo im Tourismusbüro die Besteigungsgenehmigung
gelöst werden muss. Schließlich wieder zurück nach Los Penitentes bzw. Puente del Inca, von wo es endlich
durch das Horcones-Tal zum Basislager Plaza de Mulas
geht.
Wien
- Frankfurt - Buenos Aires
12
Stunden Flugzeit.
In Buenos Aires werden die Uhren 4 Stunden zurückgestellt. Kurze
Auftank- und Aussteigpause, nach knapp einer Stunde weiter ...
Ein
Dreamteam! Zum Vergrößern aufs Bild klicken!
Foto: Harald Santer
Die
Aconcagua Expedition habe ich mir - wie schon jene aufPik
Lenin und Mustagh Ata
- wieder von der Ruefa (vormals Verkehrsbüro) organisieren lassen. Flug, Transfer, Unterkunft
in Hotels, Verpflegung bis ins Basislager - und das alles in perfekter,
reibungsloser und vor allem preisgünstiger Weise. Eine privat organisierte
Reise kommt nicht billiger, im Gegenteil: Die Zeit, die man sich für
die aufwändige Organisation spart, kann wertvoller etwa in das so
wichtige Training investiert werden. Und noch ein wichtiger Grund, weshalb
ich das Angebot des Österreichischen Verkehrsbüros einer privat
organisierten Reise vorziehe: Im Falle eines Problems (Unfall, Krankheit,
Gepäcksverlust) kann ich von einer weltumspannenden Firma wie dem
VB eher Hilfe erwarten als von Tante Hilde aus Hinterpfuzzing.
Warum nicht mit Bergführer? Wer auf einen Bergführer angewiesen
und nicht fähig ist, am Berg selbständig zu agieren, hat am
Aconcagua nichts verloren - denn selbst der beste Bergführer kann
nicht überall sein. In
Frankfurt der erste Kontakt mit jenen Österreichern und Deutschen,
die über das Österreichische Verkehrsbüro den Aconcagua
gebucht haben: Der Salzburger Robert, mit dem ich diese Reise geplant
habe: trickreich ausgerüstet, zäh wie Leder und immer gut gelaunt;
der Wiener Harald, Minimalist aus Passion, der weiß, was
er will; Georg, der Salzburger Bergretter und Mastenkletterer,
zuerst über-, dann unterschätzt; Gregor, ein alpiner
Haudegen, weltbereist und draufgängerisch; Kurt, der stille
Kämpfer; Egon, der dritte sympathische Deutsche im Bunde;
und schließlich "the legend" Oliver, der
Vodafone-Manager, der Macher, der Allesrichter (er hätte während
einer Wartezeit am magersüchtigen Flughafen von Montevideo auch allzugerne
sämtliche Passagiere unseres Lufthansa-Airbus mit Pizza versorgt,
wenn der Kapitän mitgemacht hätte).
Das also unsere bunte Truppe - mit Abstand die beste Mannschaft, die ich
je erlebt habe, weil man sich 100%ig auf sie verlassen, weil man mit ihr
lachen und schweigen, verlässlich durch dick und dünn gehen
konnte.
"Unser"
Berg beim Landeanflug auf Santiago de Chile
Buenos
Aires - Santiago de Chile
1,5
Stunden Flugzeit
Tipp:
Für Santiago und Mendoza empfiehlt es sich, von Zuhause kleine Dollarnoten
bzw. Pesos mitzunehmen. Selbst in Hotels und Banken nimmt man kaum 50
Dollar-Scheine an.
Blick
auf die Millionenstadt Santiago de Chile
Auf
Vorrat essen ...
Im Landeanflug heißt es einen Fensterplatz und damit einen Blick
auf "unseren" Berg zu erhaschen: Ganz nahe segelt der
Airbus nämlich über unsere Route und die Lager hinweg - da gribbelt
es im Magen, weil man sich schon gen Gipfel steigen sieht, über ein
Meer von Andenbergen hinaus in eine Höhe, wo die Wolken schon wieder
enden.
Nach einem
schnellen Checkout per Taxi ins Hotel Presidente - und das bei
fast 30 Grad. Tja, man startet im Winter und landet einen Tag später
im Sommer - so schnell geht das in Zeiten der Mobilität! Heimwärts
ist's dann schlimmer - von der Hitze des Sommers in die Kälte des
Winters.
Das Hotel first
class. Essen, Dusche, Zimmer - alles top. Die Stadt selbst unglaublich groß,
laut, unruhig, aber sauber und geordnet. Weil wir es nicht mehr erwarten
können, den flugsteifen Beinen wieder das Gehen zu lehren, hinauf nach San Christóbal, den Hausberg Santiagos mit einem der Wahrzeichen
der Stadt, einer riesigen Muttergottesstatue. So wird dieser Ausflug über
250 Hm für einige zur Wallfahrt, für andere zur Aufwärmübung
oder aber einfach zur Gelegenheit, die Wegbegleiter kennenzulernen. Die
Hitze vertreibt uns schnell wieder hinunter auf ein kühles Bier - und
das mundet ebenso ausgezeichnet wie das Essen im Restaurant "Yucatan
Limitada" am Fuß von San Christóbal. Wie Hamster,
die eine lange Darbezeit ahnen, stopfen wir hinein, was das Zeug hält.
Santiago de Chile - Mendoza
Etwa
7 Stunden Fahrzeit
Die
Grenzkontrolle kann unangenehm werden: Nur ja kein Fleisch, Obst oder
Gemüse mitnehmen! Ein kleines Dollar-Geschenk für den Ober-Zollmann
kann die lange Stehzeit beträchtlich verkürzen.
Brav
Kohle ausgeben: Einkaufen in Mendoza
Per Bus ins Herz der Anden. In zahlreichen Serpentinen am Sommer-Trainingszentrum
unserer Skistars, Portillo, vorbei an die chilenisch-argentinische
Grenze. Ja, ja, dort ist noch Grenze, was Grenze heißt! Wie Häftlinge
vor Haftantritt stehen die Insassen riesiger Busse vor ihren geöffneten
Gepäckstücken, damit diese kontrolliert und für einreisetauglich
erklärt würden. Nur kein Fleisch, Gemüse oder Obst dabei
haben, sonst gibt's Probleme! Uns wird es einfacher gemacht: Unser gefinkelter
Busfahrer lässt ein 5-Dollar-Geschenk in die richtige Tasche wandern
...
Durch den
Tunnel Internacional auf 3.185 m, am Skidorf Penitentes vorbei, wohin wir wieder zurück müssen nach dem Umweg über Mendoza. Warum Mendoza? Vordergründig, um dort das Besteigungspermit
zu lösen, hintergründig, um in der Stadt möglichst viel
Kohle abzuladen. Würden die Hotels um Penitentes das Permit ausstellen,
man würde sich einen Tag zeitverschwenderischer Fahrerei ersparen.
So aber rund 2,5 Stunden bergab bis zu einem Moloch von Stadt, von der
wir wenig zu sehen bekommen.
Logis im Gran Hotel "Huentala". Abends schnell ein paar
Sehenswürdigkeiten abgerannt und zielsicher in die nächstbeste
Touristenfalle getappt: Wiener Schnitzel, Pommes Frites und Gilbert Gilbert
Bécaud, der uns mit 100.000 Volt in den warmen Bierkübel röhrt.
Soweit zum Thema Mendoza.
Mendoza - Los Penitentes (2.599 m)
Etwa
2,5-3 Stunden Fahrzeit
Für
den Muli-Transport ins Basislager darf kein Gepäckstück
mehr als 30 Kilo wiegen, da ein Esel maximal 60 kg trägt. Außerdem
sollte alles bruchsicher verstaut werden, manche Vier- und Zweibeiner
gehen recht schroff mit dem Zeug um!
Nicht
mehr als 30 Kilo pro Gepäckstück!
Los Penitentes, das Skizentrum inmitten der Anden
Shoppingtour in Mendoza, einer durchaus westlich anmutenden Stadt, wo
man alles zu kaufen bekommt, was man für den Aconcagua braucht.
Mitbringen sollte man höchstens gefriergetrocknete Spezialnahrung
für die Hochlager und Müsliriegel. Alles andere wie Packerlsuppen,
Nudelgerichte, Schokolade etc. kann man getrost hier einkaufen. Oliver
findet in einem Outdoor-Laden sogar Spezialbenzin und Gasflaschen für
seine Kocher. Wichtig wie schon in Santiago kleine Dollars oder gleich
Pesos. Große Dollarnoten werden nicht gewechselt, selbst auf den
Banken macht man hier Schwierigkeiten. Am besten also gleich von Zuhause
1- bis 5-Dollarnoten mitnehmen.
Das Permit ("permiso") für die Aconcagua-Besteigung wird in der Dirección de Recursos Naturales Renovables im Parque
San Martín ausgestellt. Die Preise für das Permit sind
saisonal gestaffelt, in der Hochsaison 200 Dollar. Registriert werden
Pass und die Polizzennummer der Reise- bzw. Krankenversicherung. Weiters
müssen auch eine Kontaktadresse und -telefonnumer für Notfälle
angegeben werden. Im Büro treffen wir auch zwei Deutsche, die über
den Polen-Gletscher auf den Gipfel wollen - sie werden von dort
nicht mehr zurückkommen.
Per Taxi-Bus
zurück in die sich langsam aufbauende Landschaft der Anden. In Los Penitentes, einem Skizentrum unweit des bekannteren Puente
del Inca,
werden wir die letzte bequeme Nacht für zwei Wochen verbringen.
Wir haben dort eigentlich nichts anderes zu tun, als mit steigender
Nervosität für den großen Trip zu packen - schließlich
gilt es, den größten Teil der Ausrüstung für den
Mulitransport vorzubereiten, das Notwendigste für die Übernachtung
im "Vorlager" Confluencia auszusortieren und das Überflüssige
im Hotel zu lassen. Den Rest der Zeit nützt man zu den letzten
ausgiebigen und schmackhaften Mahlzeiten für zwei Wochen, zur letzten
Dusche, zur letzten gemütlichen B e t t ruhe.