Wenn man um den 1. Mai im mittleren Gebirge unterwegs ist, weiß man im Voraus nie, ab welcher Höhe man es mit Schnee zu tun bekommt. Das macht die Sache so spannend – aber auch anstrengend, wenn sich das weiße Gold als Spielverderber herausstellt. Unter der Schneegrenze allerdings erfreut die Landschaft im Vorgarten des Dachsteins mit tollen Panoramawegen, eindrucksvoller Naturstimmung und lebendigen Traditionen.
Tag 23: Eben im Pongau – Roßbrand (1770 m) – Kraftwerk Grahsteg – Ramsau am Dachstein
Von Eben im Pongau ist noch keine Spur von Schnee zu erkennen, als ich in Richtung Rossbrand, einen Gupf zwischen Radstadt und Filzmoos, aufbreche. Wissend, dass jeder Meter ohne Schnee ein guter Meter ist, nehme ich das sehr steile, aber frühlingsapere Anfangskriterium zur ersten Moosalm dieses Tages gerne in Kauf. Am sog. Roßbrandweg (Weg Nr. 11), wo sich durch Waldlücken schöne Ausblicke auf die Radstädter Tauern und hinunter nach Altenmarkt eröffnen, gewinne ich schnell an Höhe. 1400 m: kein Schnee! Jubel!
Bei einem Marterl mitten im schattigen Tann am Dachbrunnsattel schließlich das Unvermeidbare: Schnee, zuerst knöcheltief, dann schienbein-, schließlich knie- bis oberwadltief! Es dauert allerdings nicht lange, bis ich nach schweißtreibender Schneestapferei die Hochfläche des Roßbrandes erreiche und von weitem Kreuz und Hütte winken sehe. Noch 30 Minuten mutterseelenallein über die freie, aber firnbedeckte Almfläche gelatscht – ein Königreich für Schneeschuhe! –, ehe ich nach 4 Stunden den Höhepunkt, also den Gipfel des Roßbrandes, erreicht habe. Zur Wanderhochsaison gehört der Rossbrand zu den beliebtesten Ausflugszielen Radstadts. Heute aber nicht. Es herrscht Stille hier heroben, die Türen der Almhütte sind fest verschlossen und von Schneewehen zugemauert, das Gipfelkreuz habe ich für mich allein, Ausblick famos, tolle Sache. Am Gipfelkreuz die Worte: "Die Werke des Herrn sind groß, zum Staunen für alle, die daran ihre Freude haben" (PS 111/2). Der Roßbrand zählt nicht zu unrecht zu den schönsten Aussichtsbergen der hiesigen Region, denn vom Gipfel bietet sich ein 360°-Panorama auf nahezu 150 markante Alpengipfel: vom Dachstein im Norden über Tennen- und Hagengebirge und Großglockner bis hin zu den Radstädter und Schladminger Tauern – die Pracht der Alpen, soweit das Auge reicht. Über die Entstehung der Naturlandschaft und weiterer interessanter Themen erzählen acht, in mächtigen Blöcken versenkte Panoramatafeln rund um das Gipfelkreuz.
Abstieg: Peilpunkt ist die Sendeanlage auf 1660 m, zu der ich gen. Osten am sog. Salzburger Almenweg gelange. Von hier ab ist allerdings Schluss mit lustig. Mangels Markierungen, die sanft unter dem Schnee schlummern, wird fröhlich in der Botanik umhergeirrt, bis ich – keine Ahnung wie – zur Schörglalm mit der Bergstation eines Liftes gelange. Die Rettung, denn: Wo ein Lift eine Piste und wo eine Piste da sicher eine Moosalm. Richtig. Schön unter mir rastet sich die Hütte der Moosalm (1334 m) vom Irrsinn des Winters aus. Also quer über die noch traumhaft firnbedeckte Piste – ein Königreich für Figel-Ski! – zur Alm hinunter. Pause. Jause. Unter mir Filzmoos, vis-à-vis die Große Bischofsmütze, ich fühle mich wie ein König ohne Reich. Weiter, weiter, noch habe ich ein ordentliches Stück Weg vor mir. Über die Moseralm zur Hagalm und im Talgrund der Mandling nach bis zum Kraftwerksee Grahsteg, ein durchaus nettes Plätzchen, wo es sich kurz verweilen lässt am grünen Wasser. Dann endlos und schwitzig auf einer Forststraße hoch – ein Königreich für ein Rad! – bis zur Landstraße, wo sich plötzlich weit und wuchtig der Dachstein himself vor mir aufplustert!
Weil mir heute nach diesem Marathon eher nach Bett als nach Zelt zumute ist, mache ich mich auf die Suche nach einem Quartier – was wie schon oft auf meiner Reise bemerkt, zwischen den Hauptsaisonen nicht leicht ist! Auch hier scheinen alle Türen verschlossen. Hotel um Hotel abgeklappert, tote Hose. Meine Füße tun weh, ich bin durstig und fertig. Die Inschrift eines Marterls muss ein Quartier suchender Leidensgenosse aufgepinselt haben: "Bis hierher und nicht weiter!" Schön wär's. Dennoch: Die Herbergssuche hat auch was Gutes: Im schönsten Farbenspiel des dämmernden Tages marschiere ich über einen der schönsten Flecken des Landes, die Traumalm der Ramsau. Sooft ich hier vorbeikomme, verliebe ich mich aufs Neue in diese Gegend: hier der Dachstein, dort die Schladminger Tauern, dazwischen dieses weite, luftige, sonnige und immerzu freundliche Sonnenplateau. Und ich habe wieder Glück: Im Ort Ramsau endlich finde ich in der Pension Bergland ein freundliches Quartier, deren herzensgute Wirtin einst Langlauf-Meisterin war, aber damit leider aufhören musste wegen Rückenproblemen. Vom Zimmer aus blicke ich direkt auf die berühmte Kulmer Skisprung-Schanze, und dem Glück noch eines draufgesetzt: Direkt neben der Pension hat sogar ein Gasthaus geöffnet, dessen Gulasch und kühles Bier vorzüglichst schmecken.
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Tag 24: Ramsau Ort – Rössing – Luserfall – Weißenbach – Assach – Pruggern
1. Mai: Festtag hierzulande!
Der Tag beginnt gut: Zum Frühstück kredenzt mir die Langlauf-Meisterin einen preisgekrönten Apfelsaft! Da mir gestern die Sonnencreme abhanden kam, ich mir Gesicht und Arme in der Sonne verbrannte und die Wirtin mir das ansieht, schenkt mir die Herzensgute eine Riesentube Sonnencreme.
Der Prolog dieser Etappe kann schöner nicht sein: Der sog. Panoramaweg ist einer wahrer Traumpfad, der an allem Schönen vorbeiführt, was die Gegend zu bieten hat. Panorama, sonnige Wiesen, alte Gasthöfe, lauschige Lichtungen und allerbestes Wanderterrain. Kurz über dem Talgrund, wo man schauen und staunen lernt. Kaum einmal, dass die Kulisse verschwindet. Im alten Gemäuer der Gruberstube könnten wir unser zweites Frühstück einnehmen. Noch aber sind wir satt und wollen weiter.
Über Wiesen durch herrliche, frische und lebensfreudige Morgenstille. Ein entstehender makelloser Tag – was will man mehr. Immer wieder Bankerl am Weg, Lichtungen, Schauplätze. Die Zeit und der Weg vergehen leider viel zu schnell. Man möchte immer wieder innehalten und verwachsen mit den Traumorten. Nächstes Zwischenziel die Jausenstation Fliegenpilz, wo man Wildwüstel, Gamssuppe oder Wildschinken verkosten sollte. Kurz danach ein Staubecken am Eingang in die Silberkarklamm, wo auch zum bekannten Hias-Klettersteig zugestiegen wird. Ich bleibe lieber am Boden, genieße das sichere Leben und wandere durch die Rössing um den Rössingberg herum. Beim Rössinger-Gehöft bergab auf Straße – ein Königreich für ein Rad! Aber man lernt auf so einem Weitwanderweg ja vor allem, sich am Kleinen zu erfreuen: Eine Lichtung, eine Wiese, ein offenes Gasthaus. Weil wir endlich weg von der Straße wollen, folgen wir der Einladung eines Schildes zum Luserwasserfall. Wir hätten genauso gut den Klettersteig von vorhin nehmen können! Immer wieder versperren nämlich von Sturm gefällte Bäume den Weg, sodass jedesmal Turnübungen und wilde Kletterein vonnöten sind, um darüber hinweg oder untendurch zu kommen. Der Spaß hört sich auf, als wir dieselben Übungen auf einem 45° steilen Hang vollbringen müssen. Wo üblicher Weise Stege und Brücken das Gehen erleichtern, ist nicht mehr viel übrig davon. Stattdessen schwere Turnerei. Gefahr, Gefahr! Mit Mühe kämpfen wir uns nach unten, um am Talgrund folgendes Warnschild vorzufinden: "Wasserfall wegen Sturmschäden gesperrt". Sehr nett. Nur hätte man das am oberen Eingang auch montieren sollen.
Nun auf festem Boden über Wiesen und Landstraße durch Weißenbach (4 St.). Bei einer Kneippanlage beginnt der Panoramaweg 100, auch kein schlechter Schau-Pfad, da er uns immer wieder auch Blicke zu den benachbarten Niederen Tauern eröffnet. Auch hier beeindrucken die landschaftliche Vielfalt, die herrlichen Wälder, die sanften Hochtäler und die gepflegten Bauernhöfe mit ihren freundlichen Bewohnern. Immer wieder führt der Weg über blühende Wiesen, verschwindet in Wald und farbenprächtige Naturgemälde: das grelle Grün des Frühlings hier, das Weiß des Firns auf den Bergen dort, alles übermalt vom Blau des Himmels. Der wunderbar angelegte Pfad windet sich unanstrengend auf und ab Richtung Stoderzinken. Plötzlich klingt Blasmusik aus dem Tal zu mir herauf. 1. Mai! Zeit des Feierns und Maibaum-Aufstellens! Ein Maibaum ist ein geschmückter Baum oder Baumstamm, der in der Regel am 1. Mai aufgerichtet wird. Das spezielle Brauchtum mit dem damit verbundenen Dorf- oder Stadtfest ist in vielen Teilen Mittel- und Nordeuropas verbreitet. Direkt vor dem Aufstellen wird der Baum je nach Region in einer Art Prozession durchs Dorf getragen, deren Ziel oft ein zentraler Platz und/oder eine Gaststätte ist und die meistens von Zuschauern und einer Blaskapelle begleitet wird. Dort findet dann das eigentliche Aufstellen des Baums statt. Während der Maibaum früher meistens mit Hilfe langer Stangen aufgestellt wurde, nimmt man heute auch Traktoren, Gabelstapler oder sogar Kräne zuhilfe, wobei eher ein Trend zur Rückkehr alter Traditionen besteht (Quelle: Wikipedia). In Assach werde ich Zeuge der alten Tradition: ein tolles Erlebnis! Das ganze Dorf ist zusammengekommen, die Männer und Burschen stemmen mit sprichwörtlich vereinten Kräften und unter dem Kommando des Ortsoberen den Baumstamm Zentimeter für Zentimeter hoch. Ein eindrückliches Symbol für Zusammenhalt, Teamwork, Tradition und dynamisches Gemeindeleben!
Als ich so staunend dastehe, fragt mich einer, wohin es denn mit dem Riesenmonster am Buckel gehe. Ich: Nach Wien. Er: "Bist a wüder Hund. Und hast dei Frau a im Rucksack?” :-))
Erfüllt von diesem Erlebnis geht es die letzten Meter über den Kunagrün nach Pruggern, wo ich die Etappe beschließe.
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Lexikon: Die Ramsau
Das die Ramsau umgebende Hochplateau liegt auf einer Seehöhe von 1.100 bis 1.700 m, unmittelbar an die Südwände des Dachsteinmassives anschließend. Ramsau wird in die Gemeindegebiete Leiten, Rössing, Ramsau, Schildlehen, Vorberg und Hirzegg gegliedert. Der nördlich gelegene Dachsteingletscher mit seinem Ganzjahresskigebiet (Skigebiet Dachsteingletscher) ist der östlichste Gletscher der Alpen. Nachbargemeinden sind Schladming, Pichl-Preunegg, Radstadt, Filzmoos, Gosau, Hallstatt, Obertraun, Haus im Ennstal.
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Der Maibaum – Bräuche und Tradition
Alles über das Aufstellen, die Liebesmaien, den Brauch des Maibaum-Stehlens sowie die Ursprünge der Tradition rund um den Maibaum.
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Der Luserfall
Der Luserfall ist ein Wasserfall in der Gemeinde Ramsau am Dachstein im Ortsteil Rössing am Südabhang des Dachsteingebirges in einer Höhe von 960 m ü. A.
Quelle: Ennstalwiki (mehr erfahren >>>) |