Der Biosphärenpark Großes Walsertal zwischen dem Bregenzerwald im Norden und dem Lechquellengebirge im Süden und Osten charakterisiert sich durch seine sanft gekerbte Talform – vom Volksmund auch als „durchtobeltes Tobel mit vielen Tobeln" bezeichnet. Durch dieses Tal führt der sog. Walserweg, der den historischen Fußwegen der Walser folgt, die das Tal im 14. Jahrhundert besiedelten. Er beginnt in Thüringerberg am Teleingang und führt geradewegs zum Kulturzentrum des Walsertales, zur Propstei in St. Gerold mit ihrem schönen Klostergarten; weiter geht es in den kleinen Ort Blons und am Lutz-Stausee nach Raggal auf die andere Talseite hinauf (zur Beschreibung dieses Teilabschnitts) und von hier nach Buchboden, einem wunderschön gelegenen Dorf am Talende.
Die Tageswanderung charakterisiert sich durch mehrere Highlights: Einerseits folgen wir meist dem ungestümen, da nicht gezähmten Lutz, andererseits stoßen wir auf ein bauliches und ein natürliches Juwel.
Der Weg
Bevorzugt liegt Raggal auf einer Hochterrasse des Großen Walsertales gewährt einen grandiosen Rundblick auf alle im Tal gelegenen Orte bis hin zu den Schweizer Bergen. Es ist schon merkwürdig, wie verstreut die Weiler und Bauernhöfe in den Hängen liegen, jeder für sich, einsam und doch durch Straßen verbunden. In Raggal, einem eher touristisch angehauchten Dorf, haben wir in einer privaten Unterkunft leicht Logis gefunden. Zum Frühstück gibt es den berühmten hiesigen Bergkäse "Walserstolz" – ein Gaumenfest! – und Radio Vorarlberg, den einzigen Sender, den man im Vorarlbergischen zu kennen scheint. Als wir mit geschultertem Rucksack antreten, sind es die Augen, die vorauseilen und den 3D-Ausblick über das gesamte Walsertal und das Marulbachtal einsaugen. Apropos: Zwar könnten wir durch das Marulbachtal nach 2 km das romantische Bergdorf Marul erreichen, wir haben jedoch anderes vor und wollen bis fast ans Ende des Walsertales wandern – bis Buchboden, um von dort auf leichtem Weg ins Lechquellengebirge überzuwechseln.
Als Auftakt geht's bergab, und das ordentlich. Wegweiser lenken zur Lasanggabrücke am Grund der Waldschlucht des Lasanggatobels hinab. Massen von Feuersalamandern kreuzen meinen Weg, als sei hier gerade der morgenliche gemeinsame Morgensport im Gange. Dann stehen wir vor einem kulturhistorischen Juwel, der 1789 (!) erbauten Lasanggabrücke, über die 1884 der Hauptverkehrsweg ins Hintere Waldertal führte. Als letzte gedeckte Holzbrücke des Tales und eine der ältesten Brücken Vorarlbergs steht sie unter Denkmalschutz. 200 Jahre altes Holz! Wer da noch sagt, Beton sei das Maß aller Dinge, möge sich dieses Bauwerk ansehen! Nun auf der anderen Seite steil bergan, bis wir wieder freies Weideland betreten. Langsam schaffe ich es auch wieder, mich einfach auf eine der vielen Bänke am Wegesrand zu niederzulassen, um nur so dazuzusitzen und nur so die Landschaft zu betrachten, ohne an das Nächste, das Bevorstehende, das zu Erledigende zu denken. Schwer hingegen fällt es mir immer noch, das Tempo beim Bergauf zu drosseln und nicht das Bergab-Raserei beizubehalten. Fein getunter, der inneren Stimmung angepasster Rhythmuswechsel ist hier angesagt und weniger der zermürbende Gleichschritt des Alltags.
Nach 1,5 Stunden erreichen wir das kleine Dorf Garsella, wo wir die Richtung gen Westen beibehalten und dem Lutzbach folgen. "-bach" ist gut, der Lutz ist vielmehr ein waschechter, rauschender Fluss, den man machen lässt, wie er will. Seine Quelle befindet sich hoch oben nahe der Metzgertobelalpe oberhalb von Buchboden am Schadonapass (2.500 m), dann durchfließt er das Große Walsertal und mündet schließlich nordwestlich von Bludenz in den Ill. Man merkt es, wenn man genau hinsieht: Flüsse wie der Lutz haben haben die Landschaft Vorarlbergs geformt. An seinem Ufer zu wandeln, lohnt und erfrischt. Denn polternd und ausgelassen bahnt er sich seinen Weg, gurgelt durch manche Engstellen, schäumt, wenn er Geschwindigkeit aufnimmt, und wirbelt durch manche Kolke, wenn er spielen will. Mitunter nimmt er die Farbe des Himmels an, dann wieder die milchige Konsistenz eines Gletscherflusses oder das Grün der Uferwiesen.
Das Walserdorf Sonntag lassen wir links liegen, schließlich haben wir Donnerstag und färbt sich der Himmel unheilvoll grau. Wir müssen uns also sputen, um rechtzeitig vor dem Wetterumschwung Buchboden zu erreichen. Weiter geht es den Fluss entlang, mal flach durch Wald, mal nah, mal weiter weg vom Wasser. Das ist das Schöne am Walsertal: es gibt keine künstlichen Abenteuer, keine Disneylands, keine billige Anbiederung an den Gast, der Wert des Tals besteht in seiner gewachsenen Kultur und Natur, seiner stillen Anmut, seiner nach innen gerichteten Bedächtigkeit und Schönheit. Und der Nutzen für den Gast besteht hier nicht in billigem Action-Fastfood, sondern im bewussten Auskosten der Natur und der hiesigen, auf das Wesentliche konzentrierte Lebensart.
Bei der Überluter Brücke bleiben wir stehen, um uns eine Schwefelwaschung zu gönnen, zumal hier eine der gehaltvollsten Schwefelquellen Österreichs entspringt.
Ein wenig später schon Buchboden, ein entzückendes Dörfchen mit einigen privaten Zimmern und Hotels. Just als ich den Ortseingang betrete, platzt der Himmel und schwemmt mich der Regen ins einzige offene Gasthaus, das "Cafe zum Jäger". Über Nacht quartiere ich mich in eines der freundlichen und preiswerten Privathäuser ein. Ich bin zufrieden.
Das Abenteuer Großes Walsertal hat hier für mich ein Ende. An sich ginge es noch bis Fontanella und Faschina am Talende weiter. Ich will aber ins Lechquellengebiet überwechseln und das gestaltet sich von hier am einfachsten und schnellsten.
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Lexikon: Biosphärenpark Großes Walsertal
"Die Natur nutzen, ohne ihr zu schaden" –so lautet das Motto vom Biosphärenpark Großes Walsertal. Biosphärenparks sind Musterregionen, die eine nachhaltige Entwicklung anstreben und in den verschiedenen Erdteilen nach regionalen Antworten auf die Frage suchen, wie heute und in Zukunft ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und den Bedürfnissen der Menschen geschaffen werden kann.
Das Große Walsertal ist ein dünn besiedeltes, bergbäuerlich geprägtes Bergtal nordöstlich von Bludenz im österreichischen Vorarlberg. Auf einer Fläche von knapp 200 Quadratkilometern (19.200 ha) leben in sechs Gemeinden ca. 3.400 Menschen. Nach der Besiedelung durch die Rätoromanen im 10. Jahrhundert holten die Montforter Grafen um 1300 Söldner aus dem Schweizer Wallis zur Überwachung wichtiger Pässe und boten diesen Grund und Boden an. Den Söldnern folgten viele Walser Familien, die das Tal besiedelten. Noch heute zeugt die typische Streusiedlungsstruktur der Walser von dieser Geschichte.
Das steile Kerbtal besitzt spärlichen Talgrund und ist nördlich von üppig grünen Flyschbergen und südlich von den schroffen Kalkhochalpen charakterisiert. Da die Viehwirtschaft Jahrhunderte lang die wichtigste Lebensgrundlage darstellte, prägen Wiesen und Weiden die Landschaft des Großen Walsertals.
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